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Re: [ox] Re: [ox] [ox] ein paar Einwürfe (viel zu viele [ox] im Topic)



Hallo, Rainer!

Das Auto ist ja auch ein schlechtes Beispiel, da es hauptsächlich
mechanische Teie beinhaltet. In diesem Bereich sind aber die
Fortschritte noch beiweitem nicht so groß, wie etwa in der
Elektronik.

weshalb hast du es dann gebracht, wenns nicht so gut war?

Das Beispiel mit dem Ford T kommt nicht von mir. Ferner bin ich
gerade nicht der Meinung, daß sich am Gesmtbild der heutigen
Wirtschaftsweise allgemein eine positive Tendenz (Rationalisierung,
Ende der Lohnarbeit) abzeichnet. Andererseits gibt es auch einige
punktuelle Gegenbeispiele, etwa die durch Miniaturisierung erzwungene
Vollautomatisierung bei der Herstellung gedruckter Schaltungen oder
die Arbeitsweise der Linux- Programmierer. Die Frage ist nun, ob freie
Software die proprietäre völlig verdrängen wird, so wie die gedruckte
Schaltung den Drahtigel verdrängt hat. Dies hat jedoch nichts damit
zu tun, ob ein Programmierer freier Software, der seine Arbeitskraft
als Dienstleistung anbietet, weniger entfremdet von seiner Arbeit wäre
als ein Programmierer proprietärer Software. Dies bezweifle ich eher. 

Um noch mal auf das Auto zurückzukommen: Auto und Fernseher sind
ja meine Standardbeispiele, die ich in der letzten Zeit hier
verwende. Dabei verwende ich diese jedoch nicht deshalb, weil ich der
Meinung wäre, diese zwei Produkte seien vorbildlich, und man sollte
die Art ihrer Herstellung auf andere Produkte übertragen. Im
Gegenteil, an diesen Produkten, meine ich, kann man eher zeigen, daß
etwas falsch läuft. Als Ausweg sehe ich dabei die Übertragung
gewisser Formen des Umgangs mit Technik aus dem Computerbereich auf
andere Hardware. Aber so, wie heute noch die Mehrheit der Benutzer
Windows benutzt, wird es sicher ähnlich lange dauern, bis eine noch zu
schaffende Auto- und TV- Hackerszene ähnliches erreicht.

Zu den Beispielen:

Fernseher: 
Obwohl seit 60 Jahren die Auflösung von Fernsehgeräten auf 768x576
(bzw. andernorts auf 640x480) festgelegt ist, stellen Farbfernseher
aufgrund minderwertiger Bildröhren und rückschrittlicher Farbdecoder
das Bild wesentlich gröber dar. Desweiteren setzen heute viele
Hersteller auf Normwandler, die aus den 25 Hz interlaced 50 Hz
interlaced machen, was dann dem unwissenden Kunden als "100 Hz-
Technik" verramscht wird. 

Hier setzt die Idee an: Wenn man schon so einen Normwandler
verwendet, kann man auch einen SVGA- Monitor zur Anzeige benutzen.
(bei 100 Hz non-interlaced wären das 62,5 kHz Zeilenfrequenz, bzw.
bei 75 Hz: 46,9 kHz -- das sollte jeder Monitor schaffen). Der
Normwandler sollte nicht schwer zu implementieren sein, PAL- Decoder
(die ollen aus dem Fernseher) und Kabeltuner (falls erforderlich)
gibt es als fertige Baugruppen zu kaufen. Somit ist das ganze nur
noch ein elektronisches Problem, an dem sich jeder, der ein wenig
löten kann, beteriligen kann. Die problematischen Seiten des
Fernsehers (Gefahr Hochspannung, mechanische Befestigung der
Bildröhre) sind durch Verwendung eines fertigen Monitors erst einmal
ausgeklammert. Das Ergebnis wäre dann ein Gerät, das sehr stark einer
TV- Karte ähnelt, nur daß 

o es copylefted ist und

o der Benutzer die Funktionsweise versteht (das war mal der
  Normalfall!), wodurch

o dieser es reparieren, umbauen und verbessern (z.B. digitale
  Implementation des PAL- Decoders) kann.


Diese GPL- TV- Karte kann natürlich auch industriell hergestellt
werden, allerdings von jedem der will, so daß es zu patentierten
Geräten erstens einen qualitativen, und ferner durch die Konkurrenz
der Distributoren einen preislichen Vorteil zur Folge hätte.

Auto:
Während der Fernseher ja nicht besonders nützlich ist, ist eine
Versorgung grosser Städte ohne Kraftfahrzeuge heute undenkbar. Daher
denke ich, daß die Überlegungen, die ich weiter oben am Fernseher
ausgeführt habe, unbedingt auch in die Konstruktion oder zumindest in
eine nachträgliche Umrüstung von Fahrzeugen einfliessen sollten.

Es ist geradezu bedenklich, wie Autos immer mehr mit unsinniger
Technik (z.B. Servolenkung) vollgestopft werden, wodurch die
Fahrsicherheit abnimmt. Der Kunde hat da natürlich nichts zu sagen.

Desweiteren wäre da die Vollstopfung mit Elektronik -- unzählige
Steuergeräte, die durch ein LAN miteinander kommunizieren, ständig
Meßwerte aufnehmen, Einstellungen verändern und gegebenenfalls eine
Fehlermeldung ausgeben. Doch was hat der Nutzer davon? -- "Wenn die
gelbe Lampe aufleuchtet, fahren Sie bitte in die Werkstatt!" -- Aber
nicht in irgendeine, die kann nämlich den Fehlercode nicht auslesen,
sondern in eine Vertragswerkstatt. Und was macht die? Als erstes
wird das Teil, das laut Fehlermeldung kaputt sein soll, ausgetauscht.
Da der Fehler immer noch auftritt, wird gefolgert, daß das Steuergerät
defekt ist. Da aber nun der Fehler immer noch auftritt, wird darauf
geschlossen, daß beide Teile defekt sein müssen. Während des ganzen
Vorgangs wird nichtmal festgestellt, daß das Öl alle ist.

Ich denke zwar, daß es schwieriger sein dürfte, ein Open- Source-
Auto zu entwickeln, als dies beim Fernseher aussieht, jedoch halte
ich es für um so wichtiger. Aber Teillösungen, die, wie beim
Fernseher, erstmal nur die Steuerelektronik betreffen, dürften auch
beim Auto zu machen sein.

Ich finde das Szenario haarsträubend, das sich ergibt, wenn ein von
Linux unbeeinflußter Kapitalismus, wie wir ihn zur Zeit in den
meisten Wirtschaftsgebieten noch erleben, so weitermacht, wie bisher:

1. Die Menschen werden durch Geheimniskrämerei von der Technik
   entfremdet. Sie verstehen ihre eigene Lebensgrundlage nicht mehr.

2. Die Kurzlebigkeit von Produkten, sowie die unnötige
   Verkomplizierung der Technik führen zum Abbau der Kompetenz der
   Handwerker.

3. Das entmündigte Volk wird mit Brot und Spielen bei Laune gehalten
   und wird obrigkeitshörig.

4. Das von Wissenschaft und Technik entfremdete Volk wendet sich dem
   Aberglauben und der Scharlatanerie zu.

5. Niedergang der Zivilisation.

Daß der Kapitalismus jede Entwicklung in Sachen Freie Software für
sich vereinnahmt, ist klar, jedoch ändert dies nichts an der
Funktionsweise dieser, und vielleicht führt dies ja zu einem besseren
Kapitalismus, der mit dem jetzigen nicht viel gemein hat oder
zumindest von obigem Szenario wegsteuert.

Tschüß,
Thomas


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