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Re: [ox] Drittes Viertel Paper GPL-Gesellschaft



Hi Ingo, Sabine, Thomas, Stefan, Bernd, Lorenz und alle anderen!

Ich habe mich mal mit dem Thread im Subject befaßt.

Ich bin ja geplättet, was für tolle Debatten ihr hier mittlerweile
führt :-) :-) . Ich bin auch platt, was hier mittlerweile an
Kapitalismusanalyse auf dieser Liste schon Common Sense zu sein
scheint. (Allerdings habe ich Reiners Einwürfe-Thread noch nicht
gelesen ;-) .) Jedenfalls sind trotz der häufigeren Erwähnung
Marx'scher Termini nicht überdurchschnittlich viele Abmeldungen von
der Liste zu verzeichnen :-) .

Auch den Ausschnitt aus Marx'ens Grundrissen von Lorenz fand ich
übrigens gut - auch wenn das hier kein Marx-Seminar werden soll ;-) .
Der Ausschnitt bringt vieles auf den Punkt - auch wenn die Sprache
sicher gewöhnungsbedürftig ist.

Eine Bemerkung zum Text noch: Ich hatte versucht, im Haupttext so
wenig wie möglich Reizwörter wie z.B. "Kapitalismus" (schauder ;-) )
zu benutzen, da der Vortrag und damit auch der Text für ein eher
technisches Publikum gedacht ist. In den Fußnoten habe ich mir da mehr
Freiheit gelassen - die kommen im Vortrag dann halt nicht vor.

Nun aber zu den Inhalten des Threads.

12 days ago ingo wrote:
On Sat, Mar 18, 2000 at 03:55:55PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
gestalten. Es reicht für Lohnarbeit völlig aus, daß die Arbeitenden
[29] vor Unwillen nicht grob unproduktiv werden.

Das Kapital versucht das Gegenteil!, die Produktivität soll doch ständig
gesteigert werden, um einen Extra-Profit gegenüber der Konkurrenz zu erzielen.

Vielleicht verstehe ich dich da nicht. Daß die Produktivität
gesteigert werden soll, hat ja zunächst mal mit dem Level des
Unwillens der Lohnarbeitenden nichts zu tun. Dies spielt ja erst eine
Rolle, wenn die Motivation der Lohnarbeitenden eine so entscheidende
Rolle spielt; wenn also - um mit Marx zu sprechen - die Lohnarbeit
schon stark verwissenschaftlicht ist. Und das wiederum war ja genau
mein Punkt, daß die Entwicklung der Lohnarbeit selbst über den
Kapitalismus hinausweist.

[25] Es ist kein Zufall, daß die Programmiertätigkeit eine ist, die
offenbar viel mehr Lust erzeugen kann als Tätigkeiten, die in der
industriellen Produktion entstanden sind. Auch dies ist ein Hinweis
darauf, daß die Entwicklung der Produktionsmittel inzwischen in ein
Stadium getreten ist, daß die Veränderung des gesellschaftlichen
Überbaus möglich macht und angezeigt erscheinen läßt.

Was ist der gesellschaftlich Überbau ?
Und was ist der Unterbau - gibt es auch noch einen Mittelbau ?
Ich weiß leider echt nicht, was du damit meinst.

Sabine hat gut erklärt was ich meinte (danke Sabine). Wie bemerkt: Die
Fußnoten sind etwas abgehobener ;-) .

[29] Menschen müssen sich also auf diese Zumutungen des Arbeitslebens
einlassen. Um dazu überhaupt in der Lage zu sein, werden in unseren
Gesellschaften Menschen von Kindesbeinen an auf dieses Funktionieren
gedrillt. Es ist aber Anlaß zur Hoffnung, daß trotz dieses Drills
Menschen noch in der Lage sind, selbstbestimmt tätig zu werden. Daß
diese Menschen übrigens eher die (technische) Avantgarde der
Gesellschaft bilden, ist ebenfalls kein Zufall.

Kannst du die Letzte Behauptung belegen?
Ganz sicher wär ich mir da nicht.

Bin ich mir auch nicht mehr gewesen. Deswegen habe ich den letzten
Satz in einer kleinen finalen internent Revision gestern auch
rausgeworfen...

Aber es würde die These natürlich stützen ;-) .

Ich versuch's mal so. Ich bin ja schon länger im politischen Raum
tätig. Und hier an der (sehr technischen) Uni in Kaiserslautern gab es
vor allem zwei Fachbereiche, die mir in diesem politischen Raum
begegnet sind: Raum- und UmweltplanerInnen (teils auch ArchitektInnen)
und InformatikerInnen. Und daß, obwohl es stärkere und gleichstarke
Fachbereiche als die Informatik gibt. Hier die Frage in die Runde:
Gibt es bei euch ähnliche Beobachtungen oder würdet ihr das ganz
anders sehen?

Mir hat sich jedenfalls mit den Jahren schon der Verdacht aufgedrängt,
daß aus irgendeinem Grund InformatikerInnen vielleicht doch
überdurchschnittlich gesellschaftlich interessiert sein könnten.
Vielleicht deswegen, weil InformatikerInnen in ihrer Tätigkeit
einerseits starke analytische Fähigkeiten und ein hohes
Abstraktionsvermögen brauchen und andererseits auch die Phantasie
aufbringen müssen, sich wirklich vollständig neue Welten vorzustellen.
Allerdings kenne ich andere Fächer zu wenig, um sagen zu können, ob es
sich hier wirklich um eine ungewöhnliche Kombination handelt.

Ich hab noch Anmerkungen zum ersten Teil des Textes:

"Bei der Erzielung von Profiten wird Lohnarbeit zwar
eingesetzt, betriebswirtschaftliches Ziel einer jeden UnternehmerIn
ist aber die Minimierung der Arbeitskräfte bei Beibehaltung der
erzeugten Menge an Waren."

Eine Minimierung der Arbeitskräfte kann wohl kaum das Ziel des Kapitals
sein. Ziel ist die Geldvermehrung. Diese kann nur durch die Verwertung der
Arbeit geschehen. Somit ist das Kapital darauf aus möglichst viel Arbeit
gewinnbringend einzusetzen!

Mein Eindruck ist, daß du hier auf dem volkswirtschaftlichen
Standpunkt stehst. Da ist er richtig.

Auf dem betriebswirtschaftlichen Standpunkt ist meine Aussage aber
richtig - oder?

Später schreibst du:

"Gelingt diese
Ausweitung nicht, so treibt die Konkurrenz der WarenproduzentInnen
letztlich dazu, die Lohnarbeit mehr und mehr ganz abzuschaffen - was
wiederum nicht gut gehen kann, da die Erzielung von Profiten unlösbar
mit dem Verbrauch von Lohnarbeit verbunden ist."

Das die Lohnarbeit vom Kapital ausgerottet wird halte ich für eine Illusion.

Ein leidiges Thema, von dem ich auch schon erwartet hatte, daß es auf
die heftigste Kritik stoßen würde. Ich für meinen Teil habe da schon
deutlich die Krisis-Position (`http://www.magnet.at/krisis/').
Allerdings sehe ich eben das Neue - im Unterschied zur Krisis - schon
heranwachsen.

Zu der laufenden, sehr interessanten Debatte habe ich bislang nichts
hinzuzufügen.

- und die Erzielung von Profiten ist unlösbar mit dem Gebrauch(!) von Lohnarbeit
verbunden. Wäre sie nur(!) mit dem Verbrauch möglich gäb es keine
Lohnarbeiter mehr.

Danke für den Hinweis. Ich änder's. Begriffliche Korrektheit ist mir
schon wichtig.

Deine Tendenz zur Mysitifizierung der Arbeit teile ich nicht und halte ihn
für Falsch, aber im sonst find ich den Text interesant und gut.

:-)



Hi Sabine!

11 days ago Sabine Nuss wrote:
Nun ist der Gedanke wohl der, dass die Programmiererei mit all ihren
Eigenschaften, wie sie Stefan beschreibt, auch einen anderen Überbau
generieren werden. Das aber impliziert eine sehr einfache Kausalität,
nämlich, dass nur die Produktionsverhältnisse geändert werden müssen und
schwuppdiwupp oder auch nicht schwuppdiwupp ändert sich der Überbau. Das
aber hat fast was Objektives, als bräuchte es kein Zutun der Menschen.
Aber: Von allein geht gar nix, wo bleibt das Subjekt? Dieses ganze
Überbau-Unterbau-Ding, zumindest wie ich es oben beschrieben habe, ist
ja von Marx und soweit ich das wiederum bei ihm richtig verstanden habe,
meinte er dieses Kontrukt theoretisch, ist also ein Denkmodell, um die
gesellschaftlichen Strukturen zu erklären/verstehen. Heisst aber nicht,
dass die Veränderung der Produktionsverhältnisse in der Realität
tatsächlich diese Kausalität in sich trägt. Oder?

Ergo: Die Lust am Programmieren verändert noch keinen Überbau, in
welchem konkreten Sinne auch immer. Meinetwegen ist diese Tätigkeit, mit
all ihren von Stefan beschriebenen Eigenschaften, eine notwendige
Bedingung, aber keine hinreichende.

Genau so sehe ich das auch. Ohne menschliches Handeln passiert nix

Mit das spannendste zum Thema sich verändernder Überbau waren übrigens
in genau diesem Sinne die Gedanken zu juristischen Fragen. Ich hatte
den Beitrag auf der WOS ja mal hier gepostet.

....aber im sonst find ich den Text interesant und gut.

Yup, das finde ich auch.

:-)


10 days ago IngoS wrote:
On Mon, Mar 20, 2000 at 03:23:57PM [PHONE NUMBER REMOVED], Sabine Nuss wrote:
Aber den Tauschwert als primäres Ziel
und (in der Konsequenz) den Gebrauchswert als sekundäres Ziel
wirtschaftlichen Handelns zu benennen ist vielleicht wirklich etwas
irreführend, oder nennt das Ding nicht richtig beim Namen. Vielleicht
hilft da eine andere Kategorisierung: Der Gebrauchswert ist das Mittel,
der Tauschwert der Zweck. ähnlich wie Ingo andernmails unterschieden hat
zwischen dem Gebrauchswert als "Bedingung" (ein Ding muss schon nützlich
sein, wenn es verkauft werden soll) und dem Tauschwert als Zweck.

So ist es Richtig!


Kurz: Vielleicht ist Zweck/Mittel besser als primär/sekundär.

siehe oben: Nicht besser sonder richtig. ------ --- -- - - - -

Danke für diese Lösung. Ich scheue mich immer, den Gebrauchswert ganz
wegzuschieben - gerade vor einem technischen Publikum. Aber mit
Zweck/Mittel kommt es super hin! Ich baue das gelegentlich in den Text
ein.

9 days ago Thomas Uwe Gruettmueller wrote:
On Die, 21 Mär 2000 IngoS wrote:
So richtig Lohnarbeit war es wohl auch nicht, oder?

Lohnarbeiter haben gewöhnlich nur noch ihre eigene Arbeitskraft zum
Tausch übrig. Dies trifft auch auf Sklaven zu. Der "Lohn" ihrer
Arbeit ist, nicht sofort umgebracht zu werden.

Oh, das würde ich aber anders analysieren. Sklaven sind ja Eigentum.
Und Eigentum wird gehegt und gepflegt. Die EigentümerIn hat ja ein
langfristiges Interesse an ihrem Erworbenen.

Das ist bei LohnarbeiterInnen anders. Die gehören nur sich selbst und
unterliegen somit eben nicht der Fürsorge der SklavenhalterIn.

Oh je, jetzt rede ich aber die SklavenhalterInnen zu gut ;-) .


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


---------------------
http://www.oekonux.de/



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