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[ox] [ot:gplgesellschaft] Zwei Hauptgruende



Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#29
(29)
Da Gnu/Linux nicht primär getauscht wird, mithin also die Erzielung von
Profit nicht der (abstrakte) Antrieb für eine Entwicklungstätigkeit sein
kann, können nur konkrete Gründe zu einer solchen Tätigkeit führen. Hier
gibt es zwei Hauptgründe [19].


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#29.1
(29.1)
So banal es auch klingen mag, "Spass" am Programmieren halte ich fuer
einen mindestens genauso wichtigen Hauptgrund.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#30
(30)
Einerseits ermöglicht der freie und selbstbestimmte Umgang mit Software
eine Form von Selbstverwirklichung, wie sie Hobbies zu eigen ist. Daß
hier die persönliche Leistung und vor allem der Stolz auf das
Geschaffene im Vordergrund steht, ist sicher einer der Hauptgründe für
die hohe Qualität eines erheblichen Teils freier Software. Gleichzeitig
fällt durch den freien und selbstbestimmten Umgang mit Produktion auch
die Entfremdung sowohl von der Tätigkeit als auch vom Produkt weg, die
bei Lohnarbeit immer eine Rolle spielt. Die Abstraktion, die Lohnarbeit
mit sich bringt, ist also aufgehoben.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#30.1
(30.1)
Gewinn an Reputation ist m.E. der Anreiz zu hoher Leistung. Hohe Leistung
wiederum fuehrt zur hohen Qualitaet der Software. Die erlangte Reputation
ist es auch, auf die jemand stolz ist.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#36
(36)
Gnu/Linux ist also keine Ware und es kann auch keine werden. Diese
Eigenschaft von Gnu/Linux hat wichtige Konsequenzen, die die Grundlage
des Erfolges von Gnu/Linux bilden.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#36.1
(36.1)
Ich stosse mich etwas daran, dass der Begriff "Ware" bislang nicht
genauer spezifiziert wurde. ESR (wahrscheinlich hat er es auch nur
uebernommen) ordnet einer Ware einen "use value" und einen "sales
value" zu. Hat eine Ware im herkoemmlichen Sinn beides, so ist bei OSS
der "sales value" gleich null. Dieser Unterschied wird von der
Gesellschaft bislang nicht erkannt.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#47
(47)
Dies ist kein Zufall, denn auch die EntwicklerInnen untereinander stehen
ja nicht in einem Konkurrenzverhältnis. Im Gegenteil ist es
vorteilhafter für alle Beteiligten, wenn die EntwicklerInnen
zusammenarbeiten und sich gegenseitig befruchten - mithin die Vorteile
von Kooperation nutzen.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#47.1
(47.1)
Ich glaube, dass an dieser Stelle ein - leider allzuoft missbrauchter -
Begriff eingefuehrt werden sollte: die Synergie. Die Entwicklung von OSS
ist hochgradig synergistisch.  Ein Beispiel: In unserer heutigen
Gesellschaft bewege ich mich bei der  Weitergabe von Informationen an
Arbeitskollegen in einer Zwickmuehle: Damit ich meinen "sales value"
meinem Chef gegenueber hoch halten kann (und daran ist die Mehrheit der
schaffenden Bevoelkerung interessiert) ist es vorteilhaft, Informationen
nicht leichtfertig - ohne Gegenleistung - weiter zu geben. Diese Vorsicht
bei der Weitergabe von Informationen behindert die Ausbildung von
Synergien. Ich weiss jedoch auch, dass mein Unternehmen besser da steht,
wenn es synergistisch arbeit, sprich wenn ich alle Informationen offen auf
den Tisch legen wuerde.  Bei OSS-Projekten haben nun alle Informationen
(codes, emails, ideen, etc.) keinen "sales value" und somit erhoehe ich
meine Wertigkeit nicht, wenn ich etwas zurueckhalte. Jede Entwickler weiss
darum und gibt seine Informationen an andere weiter. Es ist sogar genau
andersherum als im Berufsleben. Je mehr "gute" Informationen ich
weitergebe, desto hoeher ist meine Reputation und dies ist ein gewichtiger
Anreiz. Ich fuehre es allein auf die Synergie zurueck, dass Linux und
andere OSS-Projekte - bislang weitestgehend ohne finanzielle Anreize -
sich haben soweit entwickeln und eine derart grosse Bedeutung erlangen
koennen.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#59
(59)
Die Maschinen würden in zahlreichen Aspekten verändert werden müssen
[49], da die Orientierung auf Warenproduktion bis in die Konstruktion
von Maschinen reicht. Es müßten Produktionsmaschinen gebaut werden, die
entweder selbständig arbeiten können, oder an denen es Spaß macht tätig
zu sein.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#59.2
(59.2)
Schoen zu sehen, dass hier "Spass" auch als Anreiz gesehen wird :-)

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#136
(136)
[50] Der Zwang zur Konkurrenz hat reichlich Nachteile. An den
Microsoft-Produkten ist im Unterschied zu Gnu/Linux z.B. feststellbar,
wie die Weiterentwicklung im Sinne der NutzerInnen, durch die
Geheimhaltung gebremst wird.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#136.1
(136.1)
Das Wissen um (moegliche) Konkurrenz ist aber auch ein Anreiz, sein bestes
zu geben. Wenn Linus nicht im Sinne der Linux-Entwickler handeln wuerde
waere seine Reputation bald aufgebraucht und das Projekt wuerde sich
Gabeln.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#62
(62)
Diese - zugegeben recht mutige - Vision steht und fällt natürlich mit
der Verallgemeinerbarkeit der Prinzipien von Gnu/Linux. Eignen die
Prinzipien von Gnu/Linux sich tatsächlich als Grundlage einer neuen
Vergesellschaftungsform jenseits von Geld und Markt, so sollten diese
sich wegen ihrer Überlegenheit zumindest bis zu einem gewissen Grad von
alleine durchsetzen. Es wäre also zu beobachten, ob die Prinzipien von
Gnu/Linux in anderen Bereichen als der Software-Entwicklung ebenfalls an
Bedeutung gewinnen. Dabei ist es sinnvoll, zwischen Informationsgütern
und materiellen Gütern zu unterscheiden.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#62.1
(62.1)
Ich moechte noch einen Schritt weiter gehen. Ich glaube, dass sich der
Noosphere waehrend des derzeitigen Informationszeitalters exponentiell
vergroessert. Der Besiedlung des Noosphere liegen die gleichen Mechanismen
zugrunde wie bei der Ausbildung aller komplexer, selbst-organisierender
Systeme wie z.B. des Universums oder der Natur auf der Erde. Diese
Mechanismen sind m.E. die Maximierung der Entropie (ein Begriff aus der
Thermodynamik als Mass fuer die Unordnung; eine Beteiligung der Entropie
an der Evolution ist wissenschaftlich gut belegt) und die Maximierung von
Synergie. Der letztere Aspekt ist allerdings noch weniger erforscht und
ein Zusammenhang von Synergie und Entropie ist auch noch nicht
hergestellt. Ich glaube, dass Synergie der zentrale Begriff der OSS ist.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#79
(79)
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft wäre die
Übertragung der GPL auf andere Produkte als Software. Während diese
Übertragung für Informationsprodukte bereits stattfindet [73] und
natürlich auch relativ leicht zu bewerkstelligen ist, steht ein solcher
Schritt für materielle Produkte noch aus [74].


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#79.1
(79.1)
Materielle Gueter haben einen "sales value", ist er auch noch so klein.
Damit stehen sie im Gegensatz zu GPLten Informationen, deren "sales
value" null ist. Der Besitz von Informationen ist somit kostenlos, der -
auch nur des kleinsten - Sandkorns nicht. Mit welchem Gut ich mir in
Zukunft ein Sandkorn in Besitz nehmen darf weiss ich nicht. Sicher bin ich
mir, dass es auch in Zukunft ein solches Gut geben wird. In naehrer
Zukunft wird dieses Gut weiterhin "Geld" heissen.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#83.1
(83.1)
Mir scheint der Begriff Wissensgesellschaft gerade im Bezug auf GPL
treffender. Schließlich ist ja ein herausraugendes Merkmal von
GNU/Linux, dass alle Komponenten über offene Standards und Protokolle
mit einander verbunden sind und spielen. Das kommt Wissen (im Sinne von
gewusst wie) schon sehr nahe, Indormation ist da Wesentlich
unergiebiger. Nicht umsonst spricht man von "information overload" und
nicht von "knowledge overload".

Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#83.1.1
(83.1.1)
Ich wuerde Wissen als eine Teilmenge von Information sehen und somit ist
der unter (83) gewaehlte Begriff der Information durchaus gerechtfertigt.
Schlankerhand koennte man sagen, dass Wissen wertvolle Informationen sind.

Tobias Hoevekamp, hoevekam ilw.agrl.ethz.ch, kommentiert folgenden Absatz:

http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#85
(85)
In der GPL- bzw. Informationsgesellschaft würde nun wiederum die
Produktion von Waren zum bloßen Anhängsel [80] der Produktion von
Informationen. Die Gesellschaft würde also von den Prinzipien der
Produktion von Informationen bestimmt - deren erstes Beispiel Gnu/Linux
ist. Ein solcher Umbruch wäre in der Tat ein erneuter Epochenbruch von
wahrhaft historischer Dimension.


Kommentar:
http://www.opentheory.org/proj/gplgesellschaft/v0001.phtml#85.1
(85.1)
Und nun ist zu allem Ueberfluss das hoechste Gut in der Kette Information
- Ware - Lebensmittel auch noch ohne "sales value". Da duerfen wir ruhig
schon von einem Paradigmenwechsel sprechen.



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http://www.oekonux.de/



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