Message 00989 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT00223 Message: 14/15 L6 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox] Anmerkung zur Sprachdebatte 2



phm a2e.de schreibt in liste oekonux.de:

Zum reifen Denken gehoert eine scharfe Trennung zwischen aktivem und
passivem Wortschatz.  Unabhaengig von der Interferenz fremder Sprachen
muss man als Denker staendig bemueht sein, sein Begriffsssystem auf
wesentliche Grundbegriffe zu reduzieren und ungerechtfertigte komplexe
Begriffe zu reduzieren oder eliminieren.  Eindeutschung (z.B. human
capital ==> Humankapital) ist eine Art der Reduktion.


Was denn nun? Dann müssen wir doch beim Anglizismus bleiben,
nicht?

Ich muß auch argumentativ meinen Senf dazu geben

1.
In dem von mir zitierten Artikel ist die Vokabel "Human Capital" 
als eine falsche Vorstellung widerlegt worden, die nichtsdestoweniger
den Schein der Verhältnisse voll trifft. Es weiß jeder, was gemeint ist.
Also wo liegt das Problem? Auf die inhaltliche Seite der Angelegenheit
sind die Sprachkritiker mit keinem Wort eingegangen.
Auch die in der Website monierte Verwendung des "Unwortes" "Produkt"
für Bankdienstleistungen ist meines Erachtens gerechtfertigt. Vom
Standpunkt der Waren- und Wertproduktion ist tatsächlich jeder
Unterschied zu einer stofflich-sinnlichen Angelegenheit getilgt.
Sprachkritik ist da direkt anti-aufklärerisch und affirmativ!! Wenn
wir das Wort "Produkt" nur für die "guten" Waren reservieren, was
haben wir da wohl getan, hm?
2.
Die Vorstellung, es ließen sich isolierte Sprachen in einer globalen
Welt aufrechterhalten und man müßte von einem geschlossenen Denksystem
ins andere hüpfen, ist dumm und illusionär. "Sprechergemeinschaften"
sind das Produkt sozioökonomischer und medialer Umstände und nicht
vom Himmel gefallen.
3. 
Die traditionellen Sprachen haben graduelle Unterschiede in der Tiefen-
struktur, sie sind aus diesem Grund auch nicht durcheinander
ersetzbar. Eine "Einheitssprache" wird es also auch nicht geben.
Das habe ich beim Versuch der Eindeutschung von HyperTalk
gemerkt. Seither plädiere ich dafür, Englisch als universelle
Programmiersprache
beizubehalten. das bedeutet aber nicht daß Englisch keine Deutschen 
Ausdrücke übernehmen kann. Blitzkrieg, Fahrvergnügen sind heute
for better or worse englische Worte geworden, siehe 2.
Die spielen in der Programmierung aber keine Rolle ;-).
Das Deutsche eignet sich im Gegenzug unheimlich gut zur
theoretischen Arbeit, das Persische zur Poesie und das
Französische zum Liebesgeflüster. Ansonsten kann dem Geist doch
sein Lautmaterial wurscht sein. Er braucht es einfach, weil er
die Allgemeinheit des Erinnerns und Begreifens an irgendetwas kleben
muß, um sie festzuhalten und mitteilbar zu machen.


----------------------
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: oxdeT00223 Message: 14/15 L6 [In index]
Message 00989 [Homepage] [Navigation]