Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informa
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Mon, 13 Nov 2000 12:47:10 EST
Lieber Uli, liebe Leute,
In einer eMail vom 08.11.00 01:00:58 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
UlrichLeicht t-online.de:
Irgenwann tauchte schon einmal der Verweis auf einen Artiklel von Christian
Fuchs auf. Ich glaube nicht, daß es der unten erwähnte war.
Unter anderem in Zusammenhang mit der Diskussion um den Komplex
"Werttheorie-new economy-Informationsgesellschaft-human capital"
finde ich ihn sehr spannend und weiterbringend. Neben dem Artikel
"Himmelfahrt des Geldes ..." von Robert Kurz ist dies das beste, das ich
bislang zum Thema "Wert-Dienstleitung-produktive Arbeit/unproduktive
Arbeit"
gefunden habe.
Der Text liegt als Anlage anbei, ist aber auch in der trend-online-Zeitung
bei partisan net - http://www.trend.partisan.net/trd0900/t050900.htm zu
finden,
die ursrüngliche Quelle ist:
http://stud4.tuwien.ac.at/~e9426503/soinfoges/infogeswert.html
Ich hab den Text von Fuchs jetzt mal gelesen und kann mich Ulis Einschätzung
leider nicht anschließen, sondern finde ihn in weiten Teilen begrifflich
schief und theoretisch fehlerhaft. Ich will nur auf die wichtigsten
theoretischen Punkte eingehen (heißt also nicht, dass ich alles andere
richtig finde):
Fuchs schreibt u.a.: "Die immer bedeutender werdende wissenschaftliche Arbeit
tritt zwar als eine Voraussetzung des Produktionsprozesses indirekt in ihn
ein, es kann aber argumentiert werden, daß sie im Sinn der Produktion von
Mehrwert keine produktive Arbeit ist. Sie vergegenständlicht sich nicht im
Produkt wie die verausgabte menschliche Arbeit, die Mehrwert schafft. Sie ist
also keine abstrakte Arbeit, aber auch keine konkrete, da sie keinen Wert der
Produktionsmittel auf die Ware überträgt. Sie ist unproduktive Arbeit und
fällt aus der Tauschwert-Vergesellschaftung auf dem Markt heraus. Die
Wissenschaft ist die "unmittelbare Produktivkraft" (Grundrisse, [MEW] Band
42, S. 602), schafft jedoch selbst keinen Wert."
Ich denke, dass immaterielle Produkte durchaus als Vergegenständlichung von
sowohl abstrakter wie konkreter (z.B. wissenschaftlicher oder künstlerischer
oder Programmier-)Arbeit zu betrachten sind. Das "da" oben ist zwar eh
verfehlt, aber soweit dazu Produktionsmittel notwendig sind, wird auch deren
Wert anteilig übertragen. Die WissenschaftlerInnen schaffen dann keinen auf
dem Markt relvanten Wert, wenn sie wirklich "allgemeine Arbeit" leisten, das
ist nach meinem Verständnis bei sinnvoller Interpretation von Marx aber (nur)
dann der Fall, wenn sie nicht als Lohnarbeit für das Kapital verrichtet
worden ist (wie etwa in kapitalistischen Forschungsabteilungen oder
Software-Buden), sondern etwa in öffentlichen Hochschulen oder
Wissenschaftseinrichtungen oder von sozusagen freischaffenden
WissenschaftlerInnen und die Ergebnisse kostenlos der Allgemeinheit zur
Verfügung gestellt werden. Das waren die Fälle, die Marx zugrundelegte, und
wenn das nicht der Fall ist, die Ergebnisse also nicht frei zugänglich sind,
gilt das meiste, was Marx darüber sagte, nicht.
Fuchs weiter: "Wissenschaftliche Arbeit ist i.A. jedoch nicht
marktkompatibel, sie tauscht sich nicht gegen Geld und hat damit in den
meisten Fällen keinen Tauschwert. Was wäre denn das Produkt der Wissenschaft,
das teurer verkauft wird als es eingekauft wird?"
Begrifflich schief/falsch, weil (jedenfalls nach Marx, auf den er sich ja
ansonsten bezieht) Arbeit Wert schafft, aber keinen hat. Wert und Tauschwert
hat die Arbeitskraft, selbstverständlich auch die von WissenschaftlerInnen.
Diese sind produktive, mehrwertschaffende LohnarbeiterInnen, soweit sie für
kapitalistische Unternehmen arbeiten. Ihr Produkte, die entweder exklusiv in
dem Unternehmen genutzt oder auch in Form von Lizenzen verkauft werden, sind
typischerweise Erfindungen, die durch Patente geschützt werden, so dass
Lizenzen für ihre Nutzung verkauft werden können.
Weiter hinten zitiert Fuchs zustimmend: "Der Informatiker Peter Fleissner
vertritt im Gegensatz dazu in [Fleissner1987] und [Fleissner1995] die
Auffassung, daß Infomations- und Wissensarbeit keine mehrwerterzeugende
Arbeit ist, da der Output nicht akkumulierbar sei: '[...] gilt die
Arbeitswertlehre in der klassischen Form nicht für solche Arbeitsbereiche,
deren Output nicht akkumuliert werden kann. Manche Dienstleistungen, jene,
die im Augenblick ihrer Entstehung verbraucht werden, die weder gelagert noch
weiterverkauft werden können, sondern sofort konsumiert werden müssen,
stellen zwar Gebrauchswerte dar, da aber wegen der Nichtakkumulierbarkeit
kein Mehrprodukt, und wegen der fehlenden stofflichen Basis auch kein
Mehrwert erzeugt wird, sondern Tauschwerte verbraucht werden, nenne ich diese
Bereiche zum Unterschied von den klassischen werterzeugenden Sektoren
wertverbrauchend. Die Erzeugung von Wissen in kapitalistischen
Dienstleistungsbetrieben, Forschung und Entwicklung, fallen genau unter diese
Kategorie'."
Dies ist m.E. ziemlicher Unfug, erst recht mit der Begründung. Der
kapitalistische Produktionsprozess mündet in der Realisierung des Werts (und
Mehrwerts) der produzierten Waren (oder Dienstleistungen) durch ihren
Verkauf, also im Geld. Dieses kann akkumuliert werden, und dies muss
keineswegs wieder in der erweiterten Produktion der gleichen Waren geschehen.
Dies gilt ganz unproblematisch genauso, wenn das Geld z.B. Lizenzeinnahmen
sind, oder wenn (bei unternehmensinternen Arbeiten) sie sich in höheren
Profiten beim Verkauf der Produkte niederschlagen, für deren Produktion die
Erfindungen oder die Software eingesetzt wurden.
Fuchs: "Betrachten wir also die Entwicklung einer Software: Das Wissen der
ProgramiererInnen erscheint in abstrahierter Form in einem Programm. Software
ist kodiertes Wissen. Der eigentliche Produktionsprozeß erfolgt mit einem
materiellen Träger wie CD, Diskette usw. industriell im Preßwerk (oder die
Software wird über das Internet vertrieben)."
Dazu ist festzustellen: Der Produktionsprozess der Software ist das
Programmieren. Der Produktionsprozess einer CD ist das Pressen einer CD.
Uneigentlich ist keines von beiden.
Nochmal Fuchs: "Ist der Output von Informationsarbeit (z.B. Software)
akkumulierbar? Eine Software wird nicht erzeugt und verkauft, damit dieselbe
Software in höherer Anzahl neu programmiert wird. Es kann also nicht direkt
von der Akkumulierbarkeit der Software oder von Informationsprodukten
gesprochen werden. Dies kommt daher, daß Wissen die Eigenschaft hat, daß es
nur einmal erzeugt werden muß und nicht permanent reproduziert werden muß,
damit es verfügbar ist. Bei Rohstoffen ist dies z.B. nicht der Fall. Der Wert
ist Selbstzweck in Mehrwertform, da er im Kapitalkreislauf auf sich selbst
rückgekoppelt wird, der Endpunkt der Kapitalmetamorphose G' wird dabei zum
Ausgangspunkt G eines neuen Kapitalkreislaufes. Die Softwareentwicklung ist
kein rückgekoppelter Prozeß, es wird nicht ein mehr derselben Software durch
Reinvestition von akkumuliertem Kapital erzeugt.
Damit tatsächlich Profit aus Wissen entspringt, muß es eine materielle Basis
erhalten. Dies erfolgt durch seine Speicherung auf Datenträger, die seine
Vermarktbarkeit erlauben. Erst in dieser materiellen Form entsteht der
Tauschwert des Wissens. Die Software an sich, die sich auf einem lokalen
Rechner befindet, ist noch nicht tauschbar. Erst wenn sie einen Träger wie
Diskette, CD-ROM oder Internet bekommt, kann sie im großen Ausmaß gegen Geld
getauscht werden."
Das ist wie gesagt Unfug. Selbstverständlich kann das mit Software verdiente
Geld akkumuliert werden (oder wie soll man das nennen, was Gates so getrieben
hat?). Selbstverständlich kann Software verkauft werden, ohne auch nur eine
CD davon zu pressen, und das wird übers Internet zunehmend üblich werden.
Fuchs weiter unten weider zustimmend zu Dienstleistungen allgemein: "Dazu sei
nochmals die Sichtweise Peter Fleissners erwähnt: 'Während in den meisten
Dienstleistungbranchen keine wertbildede Arbeit geleistet wird - etwa im
Handel, in der Lagerung, im Transport, in Banken und Versicherungen, im
Hotel- und Gaststättenwesen, in der Forschung, Bildung, im Gesundheitswesen
und im Staatsdienst - gibt es unter den Dienstleistern warenproduzierende,
wertbildende Ausnahmen, wie etwa Maler, Bildhauer oder Programmierer (sofern
sie branchenspezifische oder regionalspezifische Standardsoftware, nicht
jedoch, sofern sie Individualsoftware erzeugen), die für einen Markt
produzieren, und deren Tätigkeit in einem Gegenstand, der auch nach Ende des
Produktionsaktes fortexistiert, gelagert und akkumuliert werden kann, seinen
Niederschlag findet. Diese Dienstleister zählen im obigen Sinn zu den
wertbildend[en SIC!] Tätigkeiten' ([Fleissner1987], S. 48).'"
Man kann das genauer diskutieren, aber so global ist es sicherlich falsch.
Soweit diese Dienstleistungen für private kapitalistische Unternehmen
erbracht werden, ist die dort geleistetet Arbeit m.E. produktiv im Sinne der
Wert- und Mehrwertproduktion. Definitiv hat das für Transport, Gaststätten,
Bildung, Gesundheitswesen etc. (also insb. soweit es sich nicht um
Zirkulationsdinstleistungen handelt, wobei m.E. diese Ansicht zu
problematisieren wäre) auch Marx so gesehen.
Zum tendenziellen fall der Profitrate und zu Krisen ist die Darstellung auch
zu undifferenziert und nimmt die kritische Diskussion seit Marx kaum zur
Kenntnis. Es kommen dann solche Aussagen:
"Ohne solche Gegentendenzen würde der Kapitalismus zusammenbrechen. Bisher
zeig(t)en sich zwar zyklische Krisen des Kapitalismus, Gegentendenzen
verhindern aber zumeist den Zusammenbruch."
Wo ist jemals eine kapitalistische Ökonomie wegen des tendenziellen Falls
zusammengebrochen oder auch nur knapp dran vorbei?
Weiter: "Der TFPR ist genauso wie die von Marx unpassenderweise so genannte
"Anarchie der Produktion", d.h. die unkoordinierte Produktion nach
Profitentscheidungen fernab des tatsächlichen Bedarfes, und die
Unterkonsumption, d.h. eine Störung im Warenkapitals W', das nicht mehr in G'
verwandelt werden kann (z.B. auf Grund mangelnder Nachfrage oder
Überproduktion), eine Ursache von zyklischen Krisen im Kapitalismus."
Ein Ergebnis der Diskussion ist m.E., dass der tendenzielle Fall der
Profitrate als Erklärung der zyklischen Krisen nicht geeignet und auch nicht
nötig ist, sondern eher langfristige Tendenzen anspricht, wobei die
Notwendigkeit dieser Tendenz auch ziemlich umstritten ist.
So weit erst mal.
Ralf Krämer
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