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Re: [ox] Kritik



Hallo Stefan,

 >> Das ist nach dem momentanen Diskussionsstand die Basis für unsere
 >> Argumentation, daß die GPL-Gesellschaft sich auch auf materielle Güter
 >> erstrecken kann.
 > 
 > Und genau das halte ich für überzogen und illusionär, und zwar in 
mehrfacher 
 > Hinsicht: 
 
 Danke zunächst für deine auch mit Zahlen bewehrten Betrachtungen.
 Allerdings habe ich das Gefühl, daß ich mehr von den
 (nach-kapitalistischen) Potenzen rede während du verstärkt die
 immanente Entwicklung im Blick hast. Schau'n wir mal.
 
Es ging mir immer noch um die Größenordnungen, nicht um ziemlich unsichere 
Zahlenangaben im Einzelnen. Auch nach-kapitalistische Verhältnisse werden 
zunächst auf den bis dahin, also überwiegend im Kapitalismus, entwickelten 
Produktivkräften aufbauen müssen. Vieles mag anders gehen, aber es wird auf 
absehbare Zeit immer eine Menge zu arbeiten geben, um gesellschaftlichen 
Lebensprozess auf hohem Niveau am Laufen zu halten.

 Das ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, daß sich eben die
 Arbeitsverhältnisse tendenziell prekarisieren und damit für die
 KapitalistInnen verbilligen - national und international. Würde die
 Interessenvertretung der Lohnabhängigen auch nur annähernd den Erfolg
 der 70er einfahren, wäre die Entwicklung bestimmt schneller, weil es
 dann eben noch profitabler wäre, Arbeit durch Maschinen zu ersetzen.

Ein ziemlich neoklassisches Argument, das von anderen anders formuliert 
lautet: Zu hohe Löhne führen zur Wegrationaliserung von Arbeitsplätzen. Halte 
ich für weitgehend falsch, weil Hauptpunkt die technischen Möglichkeiten sind 
weitgehend unabhängig von den Löhnen.

 > Die 
 > Erwartung bisher noch völlig unabsehbarer Produktivitätsrevolutionen 
scheint 
 > mir sehr aus der Luft gegriffen und unrealistisch.
 
 Nun, diese Einschätzung teile ich nicht. Aber wir werden's erleben.

Allerdings.
 
 > Übrigens, da gleichzeitig 
 > selbst bei verstärkter Einwanderung das Erwerbspersonenpotential 
hierzulande 
 > in den nächsten Jahrzehnten, spätestens ab ca. 2010 oder 2015, 
tendenziell 
um 
 > mehrere Mio. zurückgehen wird, ist auch die Erwartung tendenziell 
sinkender 
 > Arbeitslosigkeit (durchaus aber weiter erheblicher) ungeachtet 
 > vorübergehenden zyklischen Ansteigens eine keineswegs absurde, sondern 
 > ziemlich realistische Erwartung. 
 
 Dem würde ich mal ganz aus der Hüfte entgegenhalten, daß damit aber
 auch die Nachfrage sinkt - oder?

Sicher bei weitem nicht im gleichen Umfang.
 
 > Das gilt natürlich alles nur, wenn man nicht den ökonomischen Kollaps 
des 
 > kapitalistischen Systems erwartet. Ich halte zwar durchaus für möglich, 
dass 
 > es auch wieder schwerere Weltwirtschaftskrisen geben wird mit dann doch 
 > wieder deutlich höherer Arbeitslosigkeit, aber ich halte jede Wette 
(sagen 

 > wir einzulösen in 2030, zur Aufbesserung meiner Rente?), dass der 
 > Kapitalismus das überleben wird (wenn er nicht politisch überwunden 
wird, 
was 
 > leider auch eher unwahrscheinlich ist).
 
 Ok. Wann würdest du sagen, daß der Kapitalismus tot ist? Hast du da
 ein Kriterium?

Sollen diejenigen sagen, die das für realistisch halten, was sie genau damit 
meinen.
 
 > 3. Im Weltmaßstab betrachtet steigt die Zahl der in der materiellen 
 > Warenproduktion Erwerbstätigen und das Arbeitsvolumen dort massiv an, 
z.T. 
 > auch im Zuge von Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung, die 
bisher 
 > in den Metropolen geleistete Produktion in weniger entwickelte Länder 
 > verschiebt.
 
 Auch hier würde ich auf die oben erwähnte Effekte der Schwäche der
 (internationalen) Arbeiterbewegung und ihrer Organe verweisen, die
 diesen Prozeß überhaupt erst zulassen.
 
Ich denke nicht, dass man diesen Prozess verhindern könnte oder auch sollte. 
Es ist notwendig, dass die Produktion in bisher weniger entwickelten Ländern 
steigt. 

 > diversen Formen dieser Bewegung in Gewerkschaften, Politik, 
Wissenschaften,  
 > Kultur etc.
 
 Wo siehst du in diesen Bereichen antikapitalistische, also über auf
 Tausch basierende Gesellschaften, hinausgehende Bewegungen?
 
Meine Vorstellung von Sozialismus und Überwindung des Kapitalismus besteht 
nicht darin, den Tausch abzuschaffen, sondern ist auf absehbare durchaus 
damit vereinbar, dass es in erheblichem Umfang weiter tauschregulierte 
ökonomische Prozesse gibt, bzw. um es mal härter zu sagen: in 
realistischerweise nennenswertem Umfang auch weiter kapitalistische 
Produktion gibt, allerdings im Rahmen und als nicht bestimmendes Element 
einer - mit verschiedenen Instrumenten - gesellschaftlich gesteuerten und 
demokratisch kontrollierten Ökonomie. Alle Bewegungen, die Kapitalmacht 
demokratisch einzuschränken und ihre Vorherrschaft zu überwinden versuchen, 
wirken in diese Richtung antikapitalistisch.
 
 >> Und BTW: Was wir hier diskutieren *braucht* den Nieder- oder Untergang
 >> des Kapitalismus nicht als Voraussetzung - das ist ja leicht zu sehen.

 > Freie Software als solche braucht das nicht, aber "GLP-Gesellschaft" 
bräuchte 
 > das schon.
 
 Nicht so sehr, wenn die GPL-Gesellschaft den Kapitalismus unterläuft.
 Das sehe ich ähnlich wie die bürgerliche Welt die feudale nach und
 nach abgelöst hat.

Ist m.E. nicht ganz vergleichbar, und war auch mit erheblichen Umbrüchen, 
Revolutionen verbunden.

Rote Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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