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Stefan Meretz schrieb am 04 Dec 

   Über Wissenschaft haben wir noch nicht so intensiv diskutiert,
   deswegen nur einige Ideen dazu. Einerseits stimme ich dir zu: FS
   hat was sehr Verwandtes mit Wissenschaft, denn es handelt sich bei
   Software - wie ich sage - um vergegenständlichtes kollektives
   Wissen. Wissenschaft und Software waren ja auch praktisch bis etwa
   Anfang der Achtziger Jahre identisch. 

Da sehe ich, wenn überhaupt (Software wurde ja auch von den großen
Hardwarefirmen 'produziert' und der Hardware als Gratisbeigabe
hinzugefügt, siehe V.Grassmuck), eher eine Teil-Ganzes-Relation.  Die
gemeinsame Klammer ist, wie auch bei den Kochrezepten, die
vergesellschaftete Denkleistung. FS ist die Forderung, solche
Denkleistungen als 'öffentliches Gut' zu behandeln.  Eine solche
Forderung steht auch bei anderen 'Denkleistungen', deshalb möchte ich
gern auf _diese_ Ebene hinaus.  Dort läuft derzeit auch eine der
wichtigsten Frontlinien, nämlich zwischen den WIPO-Leuten (World
Intellectual Property Organization), die am liebsten alles vermarkten
wollen, und denen, die im Prinzip 'Gemeineigentum Wissen' aus den
verschiedensten Gründen ein hohes gesellschaftliches Gut sehen. Das in
den USA im Freedom of Information Act sogar Verfassungsrang hat. Dass
die Verfassungswirklichkeit wie andernorts auch dort mit den hehren
Zielen des Verfassungstextes oft nicht viel zu tun hat ist eine andere
Story.  Diese Leute (Verfechter des Prinzips 'Gemeineigentum Wissen')
argumentieren nicht unbedingt so wie hier üblich, wie Du in dem
Beitrag der DMV nachlesen kannst, auf den ich gestern hingewiesen
habe.  Gleichwohl sind sie wichtige Partner in einem gemeinsam
auszufechtenden _politischen_ Kampf, der, da gebe ich C.F. Recht,
Meta-Politik ist, wenn man die Spielräume heutiger Politiker
betrachtet.  Es geht dabei um Hegemoniefragen in der
Zivilgesellschaft.

Dagegen halte ich den hier auch vertretenen Ansatz, gleich die ganze
(materielle und immaterielle) Welt nach einem solchen Prinzip
strukturieren zu wollen, für nicht ausreichend gerechtfertigt.  Mit
solchen Utopismen stösst man potentielle Partner eher vor den Kopf.
So, damit dürfte ich nun auch im 'Reformismustopf' wie RalfKrae
stecken, den ich deshalb herzlich grüße. Wenn ich selten was zu Deinen
Antworten schreibe, dann einfach deshalb, weil ich mit 90% d'accord
bin.  Bisher mehr als mit jedem anderen auf der Liste.  Das wollte ich
hier einfach mal los werden.  

Doch nun weiter zu Stefan Meretz

   Erst dann entstand ja überhaupt FS, weil proprietäre Software
   entstand.

Nein, es gab bis dahin schlichtweg keine andere als Freie (i.S.d.FSF)
Software.  Stallman hat 84 FS als _Begriff_ eingeführt, nicht mehr
(aber auch nicht weniger).

   Doch so abstrakt betrachtet entsteht ein unvollständiges Bild, denn
   es ignoriert die gesellschaftliche Funktion und Einbettung von
   Wissenschaft. Die war zu Zeiten des Feudalismus eine völlig andere
   als zu Zeiten der ersten, dann zweiten und nun dritten
   industriellen Revolution. 

Richtig. Damals konnte man Wissenschaft _alimentieren_ ohne sich
Gedanken über Output, Effizienz und Ähnliches zu machen.  Einfach 'die
Büchse' rübergeschoben, die einigen sich schon selbst.  Wie, das ist
kein (zivil)gesellschaftliches Thema. Wenn Wissenschaft aber ins
Zentrum der Gesellschaft rückt, dann wird man Zielkonflikte auch
zentraler in der Gesellschaft austragen müssen. Dafür frage ich nach
dem Instrumentarium.

   Die Tendenz ist doch zur Zeit völlig gegenläufig zur FS:
   Wissenschaft wird immer enger an den unmittelbaren
   Verwertungprozess angebunden. Die Logik der Betriebswirtschaft
   zieht in Uni und Wissenschaft ein. 

Ist das nun Ergebnis der dritten industriellen Revolution oder der
zunehmenden Perversionen unserer Zeit?  Doch wohl des zweiteren.  Mehr
noch, solche Tendenzen trocknen das Substrat, auf dem Wissenschaft
steht, zunehmend aus.  Das wird in der Wissenschaft auch zunehmend
klarer gesehen (noch mal Hinweis auf den DMV-Artikel). 

   Und noch ein wichtiger Unterschied fällt mir ein: Wissenschaft ist
   sehr breit, FS ist sehr schmal. 

So ist es. Deshalb will ich viel stärker auf die Wissenschaft schauen,
wenn ich nach Fragen und Antworten suche, wie Zielkonflikte
ausgetragen werden sollen, wenn ich das Prinzip 'Gemeineigentum
Wissen' als gesetzt betrachte.  Die hat in ihrer Jahrhunderte alten
Geschichte viel Erfahrung zu bieten, die FS so noch nicht sammeln
konnte.  

-- 
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Gert Gräbe

_________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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