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Re: [ox] Bericht vom SW-Patente Symposium in Frankfurt



[X-Posting auf swpat-l]

On 24.04.2001 23:29 Uhr, Benni Baermann at <benni cs.uni-frankfurt.de>
wrote:

Lutterbeck stellte dann die Frage (ich hoffe das ich das wörtlich
richtig habe - die Wortwahl finde ich nämlich entlarvend): "Sind
Sotwarepatente ökonomisch gerechtfertigt und _also_ legitim?" Nun,
damit wurde auch der erste Vortrag voll der ökonomistischen
Überschrift der Veranstaltung gerecht.

Es ist allerdings wert festzuhalten, dass Lutterbeck hier vom
*volkswirtschaftlichen* Nutzen sprach, nicht vom Nutzen fuer einzelne
Marktteilnehmer. Das ist sehr relevant, weil damit die Debatte ueber die
gesellschaftlichen Auswirkungen des Patentsystem erst ermoeglicht wird.

Leider gelang es ihm IMO nicht, seine Position auch wirklich darzulegen. Mir
ist nicht aufgefallen, dass er auch nur eines der Argumente aus der
oekonomisch motivierten Patentkritik genannt hat. So musste das Publikum ihm
einfach glauben, dass der volkswirtschaftliche Nutzen des Patentsystems
weitgehend bezweifelt wird.

Dann kam ein Mensch von SAP. Der verfiel zunächst in Gejammere, dass
man unbedingt mehr patentieren müsse in Deutschland und
"untermauerte" das mit hübschen Statistiken die allesamt nah an der
Grenze zur Fälschung operierten.

Naja. Ich muss sagen, dass ich den Vortrag des SAP-Patentjuristen -
vielleicht entgegen der Absicht des Vortragenden - mit Abstand den
interessantesten fand. Was dort klar wurde, war, dass SAP in den ersten 25
Jahren seiner Existenz keinen Gedanken an Patente verschwendet hat, seinen
Kunden sogar den Programmcode offengelegt hat (stimmt das?), und trotzdem
offensichtlich ganz gut gelebt und hohe Investitionen in FuE getaetigt hat.

Eine Patentabteilung gibt es dort erst seit 1997, die Firma haelt 4 (vier)
Patente, und das aus rein defensiven Gruenden: Um sich auf dem US-Markt
gegen die Patente von Konkurrenten abzusichern. Die Patentliteratur (also
die Beschreibungen angemeldeter Patente) wird nach Aussage des SAP-Menschen
nur studiert, um sich gegen das Risiko von Patentverletzungen abzusichern.
Auch das ist eine interessante Information, denn in der Argumentation der
Patentbefuerworter werden die Patentanmeldungen als ein reicher Quell des
Wissens dargestellt, die den Patentinhabern als Gegenleistung fuer die
Gewaehrung des Patents abgetrotzt werde. In der Realitaet ist es
offensichtlich genau umgekehrt: sie sind eine tickende Zeitbombe, die
jederzeit in Form von Verletzungsklagen hochgehen kann.

Unterm Strich stand: SAP hat nur eine Patentabteilung, weil es sich gegen
andere Patente verteidigen muss. Nicht deshalb, weil es sonst nicht in
SW-Entwicklung investieren wuerde. SAP hat schon zuvor seine Entwicklungen
veroeffentlicht, ohne dass es durch Patente dazu ermutigt werden musste,
sondern aus anderen Gruenden (was ich vergessen habe nachzufragen, war, ob
SAP seinen Code noch veroeffentlicht; einige Firmen unterlassen das ja
gerade um Patentklagen zu entgehen). Damit untergrub der SAP-Vortrag zwei
der wesentlichen Begruendungszusammenhaenge der Patentbewegung, und das fand
ich sehr wertvoll.

Anhand einiger interessanter spieltheoretischer Rechnereien mit
unendlichen Summen (natürlich nur auf harmlosem BWLerniveau mit
echten Zahlen - der austragende Prof hat sich aber tatsächlich dann
doch noch mit einer Nachfrage blamiert, die offensichtlich zeigte,
dass er keinen blassen Schimmer davon hat, was eine unendliche Reihe
ist)

Ja, das war sehr suess! :)

Gruss,

-- Boris Groendahl

The Industry Standard
Berlin Bureau Chief

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