Date: Fri, 11 May 2001 08:33:44 GMT
To: peter.dippoldsmann gmd.de
From: "silicon.de" <silicon silicon.de>
Reply-To: "silicon.de" <silicon silicon.de>
Subject: Der silicon.de - Wochenr¸ckblick
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Life, Liberty and Open Source
Wow!! Die gehen aber in die Vollen. Die Open-Source-Anh?nger und
Microsoft. Es geht um Fortschritt. Daf¸r steht Microsoft (Quelle:
Microsoft).
F¸r andere geht es um die Werte der amerikanischen Verfassung: Life,
liberty and the pursuit of happiness (Quelle: Thomas Jefferson,
Pr?sident der Vereinigten Staaten, Sekund?rquelle: Richard Stallman,
Pr?sident der Free Software Foundation). Drunter tun die es nicht.
Der Softwarekonzern mit den chronisch negativen Sympathiewerten
macht einen auf Tux. Er m?chte etwas vom Kuscheltierimage von Linux
abhaben.
Also l?sst Microsoft einige Applikationsentwickler in den Quellcode
von Windows schauen. Aber nur kucken, nichts anfassen! Nichts
kaputtmachen! Nichts ver?ndern! Und das ganze nennt Microsoft dann
"Shared Sources". Das heiþt nichts, klingt aber ein bisschen nach
Open Source.
Die PR- und Marketingmaschine aus Redmond versucht das Linux-Image
abzukupfern. Wer ein TLA (Three Letter Acronym) daf¸r braucht: PIP -
Public Interface Piracy - w?r doch ein sch?nes.
Nichts stammt dabei von Microsoft, nicht einmal der Plan f¸r den
Coup. Auch der kommt von der Konkurrenz. Vergangenes Jahr hatte
schon Sun versucht, sich mit fremden Pinguin-Federn zu schm¸cken.
Solaris ist seitdem auch ein 'freies' Betriebssystem. Bezahlen muss
nur noch, wer darauf angewiesen ist: die K?ufer von Sun-Maschinen
¸ber den Hardwarepreis und die OEMs wie Fujitsu-Siemens in Form von
Lizenzgeb¸hren. Wer hingegen Alternativen hat wie die Anwender von
Intel-Rechnern, der bekommt Solaris gratis.
Man muss dem Konzern aus Palo Alto zugute halten, dass er abkupfert
und schweigt. Microsoft aber erkl?rt gleich lauthals, dass das
Plagiat besser sei als das Orginal.
Open Source - so Microsoft-Vice-President Craig Mundie - verhindere
den Fortschritt. Nur geistiges Eigentum k?nne den garantieren.
Mundie geh?rt in Redmond zur zweiten Garnitur - auch sprachlich.
Sehr viel brillanter hatte den gleichen Unsinn zuvor sein Chef
formuliert. Steve Ballmer erkl?rt schon mal, Linux weise alle
Charakteristika des Kommunismus auf. So geschehen bei seinem
letztj?hrigen Treffen mit Finanzananlysten in der Konzernzentrale.
Linus Torvalds hielt Mundie in einem Interview entgegen, dass die
meisten F+E-Ergebnisse ?ffentliches Eigentum seien. Wobei die
Entdeckung des Elektrons die Menschheit wahrscheinlich um einiges
weitergebracht habe als Microsoft-Programme. Und Richard Stallman
schlieþlich f¸hrte die amerikanische Verfassung an, deren Prinzipien
in der Open-Source-Gemeinde auf trefflichste verwirklicht seien.
Menschenrechte, Kommunismus, Fortschritt! Diskutieren die
tats?chlich mit solchen Vokabeln um Konstrukte wie 'if... then go
to...'? Nein, nat¸rlich nicht. Eine ?ra neigt sich ihrem Ende zu. So
etwas geht eben nie ohne ideologisches Geschrei ab.
Die Epoche der IT-Monopole steht definitiv vor ihrem Ende. Vor 20
Jahren entpuppte sich der - von IBM kreierte - PC als Totengr?ber
der IBM-Hegemonie. Mit der Bedeutung des PC schwindet jetzt die
Vorherrschaft des Microsoft-Intel-Kartells.
Wie sehr Wintel schw?chelt, zeigt wieder einmal die hinter uns
liegende Woche: Mit Mosix stellen Open-Source-Entwickler eine
Cluster-Software f¸r Linux vor. Sie verspricht, Knoten so eng zu
koppeln, wie man es bislang nur aus der Mainframe-Welt gekannt hat.
Microsoft hat sehr viel l?nger gebraucht, um mit Wolfpack NT-Rechner
wenigstens ein bisschen aneinander zu binden.
Intel steht ebenfalls schwer unter Druck: In der Vergangenheit gab
der Konzern den Arbeitstakt f¸r die PC-Schrauber auf der ganzen Welt
vor: 2-3-486. Inzwischen ist er selbst geh?rig aus dem Takt
gekommen. Diese Woche musste er wieder mal die Vorstellung eines
Xeon-Prozessors verschieben. Nicht mehr Intel ist das Metronom,
sondern der Markt.
Der Konzern muss auf die erstarkte Konkurrenz reagieren und stolpert
dabei immer ?fter. NEC baut jetzt auch Server mit den Chips von AMD.
Und in Toshiba-Notebooks ist k¸nftig nicht mehr nur Intel, sondern
auch Transmeta inside.
Wie Steve Ballmer, so verhebt sich auch Craig Barrett in seiner Not
schon mal rhetorisch. (Sein Kommunismus-Vorwurf traf im letzten Jahr
am Rande des Intel-Developer-Forums den Konkurrenten Sun.) Aber
insgesamt hat man sich in Santa Clara mit der ver?nderten Situation
eher abgefunden.
Intel hat es aufgegeben, Marktpolitik zu betreiben. So etwas k?nnen
nur Monopolisten. Fr¸her hat der Konzern, wenns denn sein musste,
Produkte entwickelt, nicht um damit Geld zu machen, sondern um den
Absatz seiner konkurrenzlosen Prozessoren zu f?rdern. Heute
bescheidet sich Intel damit, 'Building Blocks f¸r die weltweite
Internet-Wirtschaft zu liefern'. So wie andere auch.
Es d¸rften ¸brigens kaum derartige Entwicklungen gewesen sein, die
die Bush-Administration bewogen haben, die Kartellpolitik der USA zu
lockern. Mit Charles James kommt ein Mann an die Spitze der
Anti-Trust-Abteilung des Justizministeriums, der Microsoft aller
Voraussicht nach nicht zerschlagen wird.
So wie die neue US-Regierung gestrickt ist, dr?ngt sich eher der
Verdacht auf, dass man sich gesagt hat: Ein amerikanischer
Monopolist ist ein guter Monopolist. Allein, es wird nichts n¸tzen.
Achim Killer