Message 02531 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT02532 Message: 2/3 L1 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] WIPO-Konferenz



On Thu, May 17, 2001 at 01:28:17PM [PHONE NUMBER REMOVED], PILCH Hartmut wrote:
Dieser Glaube ist keineswegs selbstverständlich.  Als in Deutschland
um 1873 das Patentwesen eingeführt wurde, waren Patentgebühren
sündhaft hoch angesetzt und das aus gutem Grund: es sollten nur
Erfindungen patentiert werden, bei denen sich ein Monopol über die
Industrieproduktion amortisiert.  Es gab auch keinen Erfinder sondern
nur einen Patentanmelder.  Es handelte sich nicht um "geistiges
Eigentum" sondern um ein Instrument der Wettbewerbsregulierung
zwischen Industrieunternehmen.  Man nannte das "konservatives
Patentieren" und der damals führende Patentlobbyist und Vorsitzende
des Deutschen Patentvereins Werner Siemens konnte nur mit diesem
industriepolitischen Begründungsansatz die Skepsis der Volkswirte
gegen das Patentwesen überwinden.

Territorialität und Patentierungskosten fungieren als Korrektive, die
eine Ausuferung des Patentwesens begrenzen können.  Auch das ist ein
Grund, nicht ohne weiteres auf die Übersetzungserfordernisse zu
verzichten.  Territorialität ist zudem bei einem komplexen System
unabdingbar, welches ständige Reformen durch politische Entscheidungen
eines demokratischen Souveräns erfordert.

Die WIPO dreht hier mal wieder an den falschen Hebeln.  Außer
Patentinflation scheint denen nichts einzufallen.

Interessant. Ist denn nicht aber auch ein Hauptargument der -
systemimanenten - Patentgegner immer gewesen, dass dadurch grosse
Unternehmen gegenüber kleinen gefördert würden? Eben durch Kosten
und Komplexität des Verfahrens, was sich eben oft nur grosse
Leisten können. 

Ansonsten passt das natürlich wunderbar zum postfordistischen Umbau
des Kapitalismus. "Industriepolitisch" macht also heute - im
Gegensatz zu 1873 eine Vereinfachung der Patentverfahren durchaus
Sinn. Damals ging Kapitalkonzentration einher mit der Konzentration
der direkten Kontrolle der Arbeit. Heute konzentriert sich das
Kapital weiter - ist dabei aber bemüht kleine autonom arbeitende
Strukturen zu bilden. 

Ein bisschen klang das an beim SAP-Vortrag in Frankfurt. Er erwähnte
kurz, dass es schwierig sei, die Mitarbeiter dazu zu bewegen ein
doch recht kompliziertes Patentierungsverfahren mit zu tragen und
dadurch in der zentralen Patentabteilung verfügbar zu haben.

Wenn jetzt aber die autonom arbeitenden Einheiten leichter selbst
Patente anmelden könnten werden dadurch mehr Patente generiert, die
am Ende natürlich doch wieder von der Zentrale kontrolliert werden.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT02532 Message: 2/3 L1 [In index]
Message 02531 [Homepage] [Navigation]