[ox] EPA 1978: Programme vs Erfindungen
- From: PILCH Hartmut <phm a2e.de>
- Date: 13 Aug 2001 11:31:22 +0200
Unter
Examination Guidelines of the European Patent Office
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/epo-gl78/
findet sich das erste Dokument, mit dem das Europäische Patentamt
(EPA) kurz nach seiner Gründung durch das Europäische
Patentübereinkommen (EPÜ) erläuterte, wie Art 52 EPÜ zu verstehen
ist.
Der Begriff "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" wird so weit
gefasst, wie es dem Sprachgebrauch des Fachmanns und einer sinnvollen
Anwendung des Erfindungsbegriffs entspricht. Leider liegt uns nur die
englische Fassung vor:
A computer program may take various forms, e.g. an algorithm, a
flow-chart or a series of coded instructions which can be
recorded on a tape or other machine-readable record-medium, and
can be regarded as a particular case of either a mathematical
method (see above) or a presentation or information (see
below). If the contribution to the known art resides solely in
a computer program then the subject matter is not patentable in
whatever manner it may be presented in the claims. For example,
a claim to a computer characterised by having the particular
program stored in its memory or to a process for operating a
computer under control of the program would be as objectionable
as a claim to the program per se or the program when recorded
on magnetic tape.
Ferner wird ausdrücklich die aus dem Dispositionsprogramm-Beschluss
bekannte Forderung an den Prüfer formuliert, sich nicht von
sprachlichen Einkleidungen der Patentansprüche beirren zu lassen
sondern den Kern der Erfindung herauszuschälen (Kerntheorie). In
diesen Zusammenhang wird auch die Formulierung "als solche" gestellt:
es kommt darauf an, wo der erfinderische Beitrag wirklich liegt und
nicht ob die Formulierung die Einordnung als Maschine oder Programm
sprachlich nahelegt oder nicht.
In considering whether an invention is present there are two general
points the examiner must bear in mind. Firstly, he should disregard
the form or kind of claim and concentrate on the content in order to
identify the novel contribution which the alleged "invention" claimed
makes to the known art. If this contribution does not constitute an
invention, there is not patentable subject matter. This point is
illustrated by the examples given in [165]IV, 2.1 of different ways of
claiming a computer program. As another example, if a manufactured
article, which is itself of a kind which is patentable, happens to be
known, then a claim directed to that article and distinguished from
the known art solely by choosing a different colour for the article
would not be for an invention unless the colour chosen provided a
different technical (and not merely aesthetic) feature. On the other
hand, any exclusion from patentability applies only to the extent that
the application relates to the excluded subject matter or activities
as such.
Thus the exclusion might not apply if the invention also provides new
technical features. This is illustrated, for instance, by the examples
given in [166]IV, 2.1 under "aesthetic creations". As a further
example, a gramophone record distinguished solely by the music
recorded thereon would not be patentable; if however, the form of the
groove were modified so that the record, when used with an appropriate
pick-up mechanism, functioned in a new way (as in the first stereo
record), there could be patentable subject matter.
Somit entspricht diese erste Prüfungsrichtlinie des EPA fast wörtlich
den heutigen Klarstellungswünschen des FFII und der Eurolinux-Allianz,
wie sie in
Gesetzesregel über den Erfindungsbegriff im Europäischen
Patentrecht mit besonderer Berücksichtigung der Programme für
Datenverarbeitungsanlagen
http://swpat.ffii.org/stidi/javni/
zum Ausdruck kommen und auch in dem Abschlussbericht der
EUK-Konsultation zitiert werden.
Ferner bestätigt dieses Dokument den Befund von
Prof. Dr. iur. Karl-Friedrich Lenz: zur Auslegung des Art 52 EPÜ
http://swpat.ffii.org/stidi/epue52/exeg/
der unter Anwendung aller etablierten Methoden der Gesetzesauslegung,
einschließlich der historischen Methode, zu der Auffassung gelangt,
dass die Technischen Beschwerdekammern des EPA heute gegen die
bestehenden Gesetze verstoßen.
Der FFII-Klarstellungsvorschlag enthält noch zusätzlich zu den
Überlegungen des EPA von 1978 die vom BGH stammende Definition der
Technik und der technischen Erfindung, wie sie in
BGH-Beschluss Dispositionsprogramm 1976
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-dispo76/
BGH-Beschluss Walzstabteilung 1980
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-walzst80/
BGH-Beschluss Betriebssystem 1990
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh1-bs90/
u.a. trefflich zum Ausdruck kommt.
Die EPA-Richtlinien von 1978 gerieten vor allem deshalb schon 1985 aus
den Fugen, weil der Technikbegriff damals in der neu geschaffenen
internationalen Institution EPA nicht schnell genug Fuß fassen konnte.
Auch heute wollen diejenigen, welche uns "Klärung" und
"Harmonisierung" versprechen, von einer Technikdefinition (oder deren
Anwendung auf den Erfindungsbegriff) nichts wissen. Ohne solches
Wissen wird es jedoch keine Klärung geben, denn ...
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-dispo76/
... der Begriff der Technik
erscheint auch sachlich als das einzig brauchbare Abgrenzungskriterium
gegenüber andersartigen geistigen Leistungen des Menschen, für die ein
Patentschutz weder vorgesehen noch geeignet ist. Würde man diese
Grenzziehung aufgeben, dann gäbe es beispielsweise keine sichere
Möglichkeit mehr, patentierbare Leistungen von solchen zu
unterscheiden, denen nach dem Willen des Gesetzgebers andere Arten des
Leistungsschutzes, insbesondere Urheberrechtsschutz, zuteil werden
soll. Das System des deutschen gewerblichen und Urheberrechtsschutzes
beruht aber wesentlich darauf, dass für bestimmte Arten geistiger
Leistungen je unterschiedliche, ihnen besonders angepasste
Schutzbestimmungen gelten und dass Überschneidungen zwischen diesen
verschiedenen Leistungsschutzrechten nach Möglichkeit ausgeschlossen
sein sollten. Das Patentgesetz ist auch nicht als ein Auffangbecken
gedacht, in welchem alle etwa sonst nicht gesetzlich begünstigten
geistigen Leistungen Schutz finden sollten. Es ist vielmehr als ein
Spezialgesetz für den Schutz eines umgrenzten Kreises geistiger
Leistungen, eben der technischen, erlassen und stets auch als solches
verstanden und angewendet worden.
Es verbietet sich demnach, den Schutz von geistigen Leistungen auf dem
Weg über eine Erweiterung der Grenzen des Technischen -- die auf deren
Aufgabe hinauslaufen würde -- zu erlangen. Es muss vielmehr dabei
verbleiben, dass eine reine Organisations- und Rechenregel, deren
einzige Beziehung zum Reich der Technik in ihrer Benutzbarkeit für den
bestimmungsgemäßen Betrieb einer bekannten Datenverarbeitungsanlage
besteht, keinen Patentschutz verdient. Ob ihr auf andere Weise, etwa
mit Hilfe des Urheber- oder des Wettbewerbsrechts, Schutz zuteil
werden kann, ist hier nicht zu erörtern.
Derweil kann man sich zur Konsultation der Brüsseler Dienststelle für
Gewerblichen Rechtschutz über
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/eukonsult00/
den besten Zugang und Überblick verschaffen. Wir brauchen auch noch
Hilfe bei der weiteren Auswertung. Wie das geht, steht auf der selben
Seite.
--
Hartmut Pilch http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation: http://swpat.ffii.org/
80000 Stimmen gegen Logikpatente: http://www.noepatents.org/
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