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[ox] Re: Was ist Medienfeudalismus?



[ .. Gegen Ende der 80er Jahre wandten sich bekannte Alt-Linke ... ]
gegen gewerkschaftliches Besitzstandsdenken, welches letztlich zu Lasten der
Arbeitslosen ging.

Bis heute ist das Vertrauen in die Politik z.B. durch den Schuldenberg
gebrochen, den diese produziert hat.  Es ist klar, dass daran nicht nur
ein paar opportunistische Politiker schuld sind, sondern ganz entscheidend
auch der Waehler selber.

Das möchte ich so nicht stehen lassen. Sicher hätten die
Gewetrkschaften z.B.  stärker auf Arbeitszeitverkürzung setzen müssen,
aber wo sie es getan haben, gab es massiven Widerstand der
Kapitalseite und der Politik.

Es geht mir hier nicht darum, die Leistungen der Gewerkschaften zu
beurteilen, sondern festzustellen, dass beim letzten Anlauf in Richtung
Sozialstaat zuletzt ein Gefuehl entstand, die Fenster aufreissen und aus
dem Mief ausbrechen zu muessen.

Die Glanzzeiten des Sozialstaats waren uebrigens auch Glanzzeiten des
Nationalstaats, der einmal wieder im Haertetest der Geschichte sich
bewaehrt hatte.

Der ganze Gespraechsfaden war von Behauptungen ausgegangen, der
Nationalstaat denke im Zuge des digitalen Kapitalismus zunehmend ab und
stattdessen uebernaehmen Privatimperien das Ruder.  Ich setzte dem
entgegen: Totgesagte leben laenger.  Aber es gibt Zyklen.

Und zu den Schulden: in gewissem Maße war und ist staatliche Verschuldung
sinnvoll und Eichels übertriebenenr Sparkurs schädlich,

Das leuchtet mir nicht ein.
Verschuldung bringt m.E. das Ende des Gemeinwesens und den Aufstieg der
Privatimperien.
Ausser der fiskalischen Verschuldung gibt es noch andere, und sie haben
oft mit "sozial" verbraemten Anspruchshaltungen zu tun.
Z.B. investiert unsere Bildungsministerin in den Aufbau eines riesigen
Patentapparates an den Hochschulen, angeblich um durch
Patentlizenzgebuehren Geld reinzubringen, welches benutzt werden kann,
um studentische Besitzstaende (z.B. beliebig langes kostenloses Studieren)
zu pflegen.
Da beluegt die Ministerin zwar sowohl die studentischen Intessenvertreter
als auch sich selbst und baut letztlich nur eine Buerokratie auf, die den
Universitaeten und der Volkswirtschaft hohe Kosten verursacht.
Aber das scheint niemanden zu stoeren.  Hauptsache man kann voruebergehend
so tun, als vollbringe man das Meisterstueck, sowohl Besitzstaende zu
wahren als auch den Rotstift anzusetzen, der wiederum durch den
Schuldenberg erzwungen wird.
Wenn Staaten in Not sind, findet sich immer ein Quacksalber, der Rezepte
fuer solche Meisterstuecke parat hat.

Das gilt uebrigens m.E. so ziemlich durch alle Zeiten und unabhaengig von
den jeweiligen Ideologien oder Visionen.  Visionen brauchen eine Bewegung,
die wiederum eine Klientel braucht.  So entsteht ein zyklisches Hin und
Her, welches wohl am Beispiel des chinesischen Dynastienzyklus besonders
intensiv studiert worden ist, aber wohl auch etwa fuer das Wechselspiel
zwischen Sozialstaaten und Privatimperien u.dgl. gilt.  Dieser Zyklus muss
noch nicht einmal eine aufstrebende Helix sein.

Die hier z.T. verachtete geistig-moralische Konstitution der Gesellschaft
ist einer der relativ bestaendigen Faktoren, deren Auf- und Abbau
Generationen erfordert, und die unabhaengig vom jeweiligen Stand des
Zykluses mit entscheiden, ob die Richtung auf- oder abwaerts geht.  Wie
uebrigens auch laut Machlup etwa das Wissen einer derjenigen zaehlebigen
Faktoren ist, der nicht einem Konjunkturzyklus oder einem Marktbedarf
unterzuordnen ist und deshalb etwa staatliche Investitionen in Bildung und
Forschung volkswirtschaftlich wirksamer werden laesst als etwa den
"Markt".  "Den Menschen aufzubauen, erfordert hundert Jahre", sagt ein
chinesisches Sprichwort.  Der Vorwurf, diese Ueberlegungen vernachlaessigt
zu haben, trifft m.E. auch die 68er Bewegung zu Recht.  Wenn jetzt der
oeffentliche Sektor zum Spielball von Privatimperien wird, sollten einige
Leute dieser Generation sich an den Kopf fassen.  Die Welt ist eben nicht
ein Paradies, in dem nur dem Selbstenfaltungsdrang des natuerlich guten
Menschen mit allerlei Beduerfnisbefriedigungspolitik zur Geltung verholfen
werden muss.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
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