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Re: [ox] Entgegnung zum Contraste-Schwerpunkt



Liebe Liste!

4 months (134 days) ago Stefan Merten wrote:
Last week (9 days ago) Stefan Merten wrote:
in der aktuellen Contraste (September 2001) ist eine Entgegnung zu
unserem Schwerpunkt erschienen, die natürlich hier nicht fehlen darf.
...
Diese Entgegnung von Annette Schlemm ist hier anbei.

Die Debatte in der CONTRASTE wurde mittlerweile von Jörg Sommer durch
einen weiteren Beitrag unter der Überschrift "Computer ohne
Lohnarbeit?" in Ausgabe 12/01 fortgesetzt. Er ist im Ton wesentlich
versöhnlicher gehalten und arbeitet vor allem ein paar Punkte noch
genauer aus. Ein paar Auszüge anbei.

Mein Kommentar ausnahmsweise gleich hier dazu: Die Bastelkultur, die
er in seinem Beitrag skizziert habe zumindest ich nie im Sinn gehabt.
Ganz im Gegenteil schwebt zumindest mir die großindustrielle Fertigung
vor, die er richtigerweise als Grundlage von (z.B.) Computern anführt.
Nicht zu Ende gedacht finde ich, wenn er richtigerweise darauf
verweist, daß unter Selbstentfaltungsbedingungen die
Produktionsorganisation incl. Arbeitsorganisation natürlich anders
wäre - aber gleichzeitig nimmt er dann die heutigen Arbeitsbedingungen
als unabänderlich gegeben an und sagt, daß diese nur unter
(strukturellen) Zwangsbedingungen funktionieren. Da haut was nicht
hin.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Computer ohne Lohnarbeit?

Das eine ist die Gesellschaftsutopie, in der es keine Lohnarbeit mehr
geben soll. Das ist zwar eine weitgehende Forderung, aber sie ist mir
sympathisch, gerade in ihrer Radikalität. Nicht nachvollziehen kann
ich, daß Annette Schlemm im gleichen Atemzug auch die
Subsistenzwirtschaft ablehnt - sind doch die Konkretisierungen der
Utopie in ihrem Text sehr schöne Beispiele für ebendiese
Wirtschaftsform. Aber vielleicht hat die Autorin einen anderen Begriff
von "Subsistenz" als ich - und über Begriffe möchte ich mich jetzt
nicht streiten.

Das andere, was mir an der Position von Annette Schlemm gefällt, ist
die Radikalität, mit der sie Kompromisse oder Übergangsformen zu der
oben genannten Gesellschaftsutopie ablehnt - denn es besteht immer die
Gefahr, daß wir in diesen Zwischenstadien stecken bleiben und das
eigentliche Ziel verfehlen. Diese Haltung gefällt mir - was nicht
heißt, daß ich sie auch realistisch finde. Denn das Ziel einer
Gesellschaft ohne Lohnarbeit ist so weit weg und so schwer zu
erreichen, daß ich schon darüber nachdenken würde, ob nicht Tauschen
oder Schenken oder ein Geldsystem mit negativem Zins (faulendes Geld)
Schritte in die richtige Richtung sein könnten. Aber wie gesagt:
Darüber möchte ich mich jetzt nicht streiten, sondern mit der gleichen
Radikalität, die ich an der Position von Annette Schlemm schätze, die
Frage angehen, die meiner Meinung nach den Kernpunkt dieser Diskussion
bildet: *Ist die Computerkultur - insbesondere die auf der Basis einer
"freien Software" - die geeignete Grundlage für den Aufbruch zu einer
Gesellschaft ohne Lohnarbeit?* [Hervorhebung im Original - der Tipper]

Annette Schlemm ist auf den zentralen Einwand meines ersten Artikels
eingegangen, daß eine "freie Software" nur Sinn macht, wenn man auch
an die dazu erforderliche "Hardware" denkt. Sie argumentiert
konsequenterweise in die Richtung, daß man sich, um von der Lohnarbeit
wegzukommen, dann eben nicht nur die Software, sondern auch die
Hardware - also hauptsächlich den Computer - in "Heimwerkerarbeit"
"basteln" könnte. Da kann ich allerdings nicht mehr folgen: Die
Tastatur ist ja vielleicht noch das Einfachste - die kann man sich
vielleicht wirklich aus Teilen einer Modelleisenbahn zusammenbauen
(allerdings: wurde die nicht auch wieder in Lohnarbeit produziert?).
Aber wie sieht es denn mit den zentralen Teilen des Rechners aus - den
Mikroprozessoren, integrierten Schaltungen, ...

...[Diesen Gedanken führt er im weiteren bis hin zu den Rohstoffen
aus]...

Ich muß einflechten, daß ich mich, was die Einschätzung der
Möglichkeiten der Selbstversorgung angeht, durchaus der optimistischen
Fraktion zurechne. Während der Jahre, als ich versuchte (leider
erfolglos), ein Ökodorf auf der Grundlage der Selbstversorgung
aufzuziehen, mußte ich ständig gegen den Kleinmut, den Pessimismus
und die Phantasielosigkeit meiner MitsteiterInnen angehen, die sich
einfach nicht vorstellen konnten oder wollten, wie man auch über den
Ernährungssektor hinaus viele Dinge selbst herstellen kann. Da half
oft auch Seymour nicht weiter.

... So etwas [nämlich Hitech-Produkte] geht nur noch im Rahmen
großindustrieller Fertigung und damit auf der Grundlage der
Lohnarbeit.

... Die Tausende von Produkten und Dienstleistungen, die tatsächlich
oder angeblich unser Leben erleichtern und bereichern, haben sich
allmählich unter dem ständigen Zwang zur Profitmaximierung und
Produktivitätssteigerung herausgebildet, und wenn man ein Kernelement
dieser Megamaschine (die Lohnarbeit) herausbricht, läuft das nicht
einfach so weiter wie bisher. Annette Schlemm schreibt sehr richtig
von "individueller Selbstentfaltung als Motor" (für ihre
Gesellschaftsutopie ohne Lohnarbeit). Aber wenn dieser Motor
anspringt, entstehen eben auch ganz andere Produktlinien, und ich
glaube nicht, daß der Computer noch dazugehört.

[Im weiteren zählt er heutige (üble) Produktionsverhältnisse auf und
fragt, ob die ArbeiterInnen dies ohne Lohn tun würden. Weiter führt er
an, daß die von ihm skizzierte Bastelkultur höchst uneffizient wäre
und sehr viele Arbeitskräfte binden würde.]

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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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