Re: [ox] Re: Umsonstlaeden
- From: UlrichLeicht t-online.de (Ulrich Leicht)
- Date: Fri, 15 Feb 2002 12:09:46 +0100
[1 <text/plain; ISO-8859-1 (8bit)>]
Stefan Meretz wrote:
H.R. wrote:
Stefan Merten schrieb:
Dein Gedankenexperiment hat mich auch nochmal auf einen Punkt
gestoßen, auf den ich auch früher hätte kommen können: Die
Umsonstläden setzen auf der Distributionsebene an. Zumindest was ich
mir unter GPL-Gesellschaft vorstelle, setzt aber in erster Linie auf
der Produktionsebene an. Ist eigentlich auch klar, daß auf der
Distributionsebene Knappheit nicht überwunden werden kann.
Genau!
Hey, wieso "genau"? Damit verstösst die GPL-Gesellschaft gegen die
Ausführungen von Robert Kurz, der meinte, das man die Gesellschaft von
der Konsumtion her aufrollen solle (in: Antiökonomie und Antipolitik):
Dein Einwand scheint auf den ersten Blick natürlich angebracht, und
außerdem darf die GPL-Gesellschaft natürlich gegen Kurz verstoßen so
viel und so lange sie will. Da GPL, weil ohnehin nur eine Etappe
"genaral public licensed" auf dem Weg zu "genaral public" sein kann,
aber noch nicht das Ende der Geschichte ist, gerät sie vermutlich mit
Kurz' Emazipationsvorstellungen, der die Aufhebung dann doch jenseits
eines umgedrehten "licensed" denkt und ansiedelt, dann doch überkreuz..
"Für eine emanzipatorische Bewegung, die sich der Notwendigkeit bewußt
ist, aus Keimformen heraus die gesellschaftliche Identität von
Produktion und Konsumtion auf einer höheren Entwicklungsstufe
wiederherzustellen, folgt daraus, daß sie in genau umgekehrter
Reihenfolge von den Dienstleistungen und den direkt in die Konsumtion
eingehenden Endprodukten ausgehend dem Markt seine historische Beute
wieder entreissen muss, um von diesen Endpunkten aus die gesamte
Reproduktion aufzurollen und emanzipatorisch umzuformen, bis sie bei
den Grundstoffen anlangt und das warenproduzierende System ausgehoben
ist."
Genauer hingeschaut sagt er im Text drum herum noch ein wenig mehr und
präziser: Die Schnittstellen von Produktion und Konsumtion werden wichtig.
"(76) Die Organisation einer emanzipatorischen Bewegung kann daher weder
allein von den Strukturen der kapitalistischen Arbeitsteilung
(Betrieben) noch allein von einer territorialen Basis (Wohngebieten)
ausgehen, sondern sie muß bereits die (anti-)ökonomische Keimform einer
alternativen Reproduktion enthalten. Eine solche emanzipatorische, das
Privateigentum an den Produktionsmitteln überwindende Keimform
"mikroelektronischer Naturalwirtschaft" ist aber nicht an beliebigen
Punkten der (zunächst in kapitalistischer Form vorgefundenen) Struktur
der Reproduktion darstellbar, sondern nur an den Endpunkten: dort, wo
die Produktion in die Konsumtion übergeht. Denn nur an diesen Endpunkten
ist die Konstitution eines sozialen Raums der Kooperation möglich, deren
Tätigkeiten nicht wieder auf den Markt zurückführen, sondern in ihren
Resultaten von den Beteiligten selber konsumiert werden.
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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=76&xid=741925092&lang=de#76>
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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?action=hideall&xid=741925092&lang=de>
(77) Die ökonomische Aufspaltung (sogar der Individuen selber) in ein
Produzenten- und ein Konsumenten-Interesse ist ein basales Merkmal des
warenproduzierenden Systems und des dazugehörigen Privateigentums an
Produktionsmitteln; die soziale und kommunikative, institutionelle
Identität von Produzenten und Konsumenten wird daher zur conditio sine
qua non für eine Aufhebung der Wertform. Unmittelbar ist diese Identität
als gesamtgesellschaftliche natürlich nicht möglich, aber vermittelt
durch Institutionen direkter gesellschaftlicher Kommunikation ist sie
durchaus denkbar: die "Direktheit" bezieht sich hier auf das Medium
selbst, die Sprache und die "Diskussion über" alle Angelegenheiten der
Reproduktion; im Unterschied zu einem indirekten, abstrakten,
fetischistischen, subjekt- und sprachlosen Medium, wie es der Wert
darstellt. Diese völlig andere Art der Vermittlung muß jedoch selber
erst vermittelt, geübt, ausprobiert, erweitert und verfeinert werden
usw., und deshalb bedarf es auch der Keimformen, die dort ansetzen, wo
das Verhältnis von Produktion und Konsumtion greifbar wird ohne
dazwischengeschobene Instanzen. Dieses Problem wird sich für jede
emanzipatorische soziale Bewegung stellen, egal in welcher Größenordnung
und in welchem Stadium der Krise kapitalistischer Reproduktion sie
operiert.
[Absatz kommentieren] kommentieren"
<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=77&xid=741925092&lang=de#77>
Und im Anschluß an Dein Zitat
(79) Für eine emanzipatorische Bewegung, ... warenproduzierende System
aufgehoben ist.
geht es direkt weiter:
Damit im Einklang steht es, das emanzipatorische Potential der
Mikroelektronik zunächst durch die Anwendung zu nutzen und nicht mit der
Produktion der Chips beginnen zu wollen. Wenn man die basalen terms des
Marxschen Reproduktionsschemas verwendet, läßt sich diese Vorgehensweise
ökonomisch auf den Nenner bringen, daß nicht mit der Abteilung I
(Produktion von Produktionsmitteln), sondern mit der Abteilung II
(Produktion von Konsumtionsmitteln) sowie mit Dienstleistungen begonnen
wird, um soziale Terrains kooperativer Tätigkeit von der Warenform zu
entkoppeln und nicht mehr in den Markt zurückkehren zu lassen.
...
89) Es ist natürlich notwendig, genauer zu klären, welche Bereiche für
eine solche neue Form der Transformation zuerst in Frage kommen. Die
theoretische Bestimmung, daß diese Entkoppelung an den Endpunkten des
Übergangs von der Produktion in die Konsumtion ansetzen muß, liefert nur
einen allgemeinen Begriff, der selber wieder zu konkretisieren ist. Zur
Abteilung II gehört z.B. auch die Produktion von Fernsehgeräten, und zu
den Dienstleistungs-Unternehmen gehören auch Banken. Es ist klar, daß
die Entkoppelung nicht ausgerechnet in diesen Bereichen ansetzen kann.
Vielmehr muß es sich um Sektoren handeln, die in der unmittelbaren
Reichweite von sozialen Initiativen liegen, damit überhaupt ein Anfang
gemacht werden kann. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen
sollte dabei nicht allzu tiefgestaffelt und in die kapitalistische
Arbeitsteilung verwoben sein; sie sollte außerdem einen lebensweltlichen
Bezug haben und eine fühlbare Umstrukturierung des Alltags bewirken.
Erst in dem Maße, wie auf diese Weise genügend sozialökonomisches
Terrain gewonnen, Erfahrung gesammelt und ein know-how entwickelt wurde,
können die Felder der autonomen Reproduktion erweitert werden.
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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=89&xid=741925092&lang=de#89>
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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?action=hideall&xid=741925092&lang=de>
(90) Die Initiativen für entkoppelte Sektoren der Reproduktion können
durchaus Kooperativen oder Genossenschaften genannt werden; nur daß es
sich eben nicht um warenproduzierende Unternehmen, sondern um autonome
Bereiche mit einer sozialen Identität von Produktion und Konsumtion
handeln würde." usw., usw.
(Zitate zu finden unter:
http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?xid=741925092&lang=de)
Was Kurz damals noch nicht kannte, aber inzwischen ein wenig
kennengelernt und auch verstanden hat, wie wir auf unserem workshop
miterleben konnten, daß es sich bei der "freien software" unter anderem
handelt: um " emanzipatorisches Potential", " autonome Bereiche mit
einer sozialen Identität von Produktion und Konsumtion ", um eine
Keimform der " Entkoppelung an den Endpunkten des Übergangs von der
Produktion in die Konsumtion" , "eines sozialen Raums der Kooperation",
in dem es bereits ansatzweise gelungen ist, " soziale Terrains
kooperativer Tätigkeit von der Warenform zu entkoppeln und nicht mehr in
den Markt zurückkehren zu lassen".
Ciao,
Stefan
Ciao
Uli
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