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Re: [ox] Re: Umsonstlaeden



[1  <text/plain; ISO-8859-1 (8bit)>]
Stefan Meretz wrote:

H.R. wrote:

Stefan Merten schrieb:

Dein Gedankenexperiment hat mich auch nochmal auf einen Punkt
gestoßen, auf den ich auch früher hätte kommen können: Die
Umsonstläden setzen auf der Distributionsebene an. Zumindest was ich
mir unter GPL-Gesellschaft vorstelle, setzt aber in erster Linie auf
der Produktionsebene an. Ist eigentlich auch klar, daß auf der
Distributionsebene Knappheit nicht überwunden werden kann.


Genau!



Hey, wieso "genau"? Damit verstösst die GPL-Gesellschaft gegen die 
Ausführungen von Robert Kurz, der meinte, das man die Gesellschaft von 
der Konsumtion her aufrollen solle (in: Antiökonomie und Antipolitik): 

Dein Einwand scheint auf den ersten Blick natürlich angebracht, und 
außerdem darf die GPL-Gesellschaft natürlich gegen Kurz verstoßen so 
viel und so lange sie will. Da GPL, weil ohnehin nur eine Etappe 
"genaral public licensed" auf dem Weg zu "genaral public" sein kann, 
aber noch nicht das Ende der Geschichte ist, gerät sie  vermutlich mit 
Kurz' Emazipationsvorstellungen, der die Aufhebung dann doch jenseits 
eines umgedrehten "licensed" denkt und ansiedelt, dann doch überkreuz..

"Für eine emanzipatorische Bewegung, die sich der Notwendigkeit bewußt 
ist, aus Keimformen heraus die gesellschaftliche Identität von 
Produktion und Konsumtion auf einer höheren Entwicklungsstufe 
wiederherzustellen, folgt daraus, daß sie in genau umgekehrter 
Reihenfolge von den Dienstleistungen und den direkt in die Konsumtion 
eingehenden Endprodukten ausgehend dem Markt seine historische Beute 
wieder entreissen muss, um von diesen Endpunkten aus die gesamte 
Reproduktion aufzurollen und emanzipatorisch umzuformen, bis sie bei 
den Grundstoffen anlangt und das warenproduzierende System ausgehoben 
ist." 

Genauer hingeschaut sagt er im Text drum herum noch ein wenig mehr und 
präziser: Die Schnittstellen von Produktion und Konsumtion werden wichtig.

"(76) Die Organisation einer emanzipatorischen Bewegung kann daher weder 
allein von den Strukturen der kapitalistischen Arbeitsteilung 
(Betrieben) noch allein von einer territorialen Basis (Wohngebieten) 
ausgehen, sondern sie muß bereits die (anti-)ökonomische Keimform einer 
alternativen Reproduktion enthalten. Eine solche emanzipatorische, das 
Privateigentum an den Produktionsmitteln überwindende Keimform 
"mikroelektronischer Naturalwirtschaft" ist aber nicht an beliebigen 
Punkten der (zunächst in kapitalistischer Form vorgefundenen) Struktur 
der Reproduktion darstellbar, sondern nur an den Endpunkten: dort, wo 
die Produktion in die Konsumtion übergeht. Denn nur an diesen Endpunkten 
ist die Konstitution eines sozialen Raums der Kooperation möglich, deren 
Tätigkeiten nicht wieder auf den Markt zurückführen, sondern in ihren 
Resultaten von den Beteiligten selber konsumiert werden.
[Absatz kommentieren] kommentieren 
<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=76&xid=741925092&lang=de#76> 


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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?action=hideall&xid=741925092&lang=de> 
(77) Die ökonomische Aufspaltung (sogar der Individuen selber) in ein 
Produzenten- und ein Konsumenten-Interesse ist ein basales Merkmal des 
warenproduzierenden Systems und des dazugehörigen Privateigentums an 
Produktionsmitteln; die soziale und kommunikative, institutionelle 
Identität von Produzenten und Konsumenten wird daher zur conditio sine 
qua non für eine Aufhebung der Wertform. Unmittelbar ist diese Identität 
als gesamtgesellschaftliche natürlich nicht möglich, aber vermittelt 
durch Institutionen direkter gesellschaftlicher Kommunikation ist sie 
durchaus denkbar: die "Direktheit" bezieht sich hier auf das Medium 
selbst, die Sprache und die "Diskussion über" alle Angelegenheiten der 
Reproduktion; im Unterschied zu einem indirekten, abstrakten, 
fetischistischen, subjekt- und sprachlosen Medium, wie es der Wert 
darstellt. Diese völlig andere Art der Vermittlung muß jedoch selber 
erst vermittelt, geübt, ausprobiert, erweitert und verfeinert werden 
usw., und deshalb bedarf es auch der Keimformen, die dort ansetzen, wo 
das Verhältnis von Produktion und Konsumtion greifbar wird ohne 
dazwischengeschobene Instanzen. Dieses Problem wird sich für jede 
emanzipatorische soziale Bewegung stellen, egal in welcher Größenordnung 
und in welchem Stadium der Krise kapitalistischer Reproduktion sie 
operiert.
[Absatz kommentieren] kommentieren" 
<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=77&xid=741925092&lang=de#77> 


Und im Anschluß an Dein Zitat

(79) Für eine emanzipatorische Bewegung,  ... warenproduzierende System 
aufgehoben ist.

geht es direkt weiter:

Damit im Einklang steht es, das emanzipatorische Potential der 
Mikroelektronik zunächst durch die Anwendung zu nutzen und nicht mit der 
Produktion der Chips beginnen zu wollen. Wenn man die basalen terms des 
Marxschen Reproduktionsschemas verwendet, läßt sich diese Vorgehensweise 
ökonomisch auf den Nenner bringen, daß nicht mit der Abteilung I 
(Produktion von Produktionsmitteln), sondern mit der Abteilung II 
(Produktion von Konsumtionsmitteln) sowie mit Dienstleistungen begonnen 
wird, um soziale Terrains kooperativer Tätigkeit von der Warenform zu 
entkoppeln und nicht mehr in den Markt zurückkehren zu lassen.
...
89) Es ist natürlich notwendig, genauer zu klären, welche Bereiche für 
eine solche neue Form der Transformation zuerst in Frage kommen. Die 
theoretische Bestimmung, daß diese Entkoppelung an den Endpunkten des 
Übergangs von der Produktion in die Konsumtion ansetzen muß, liefert nur 
einen allgemeinen Begriff, der selber wieder zu konkretisieren ist. Zur 
Abteilung II gehört z.B. auch die Produktion von Fernsehgeräten, und zu 
den Dienstleistungs-Unternehmen gehören auch Banken. Es ist klar, daß 
die Entkoppelung nicht ausgerechnet in diesen Bereichen ansetzen kann. 
Vielmehr muß es sich um Sektoren handeln, die in der unmittelbaren 
Reichweite von sozialen Initiativen liegen, damit überhaupt ein Anfang 
gemacht werden kann. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen 
sollte dabei nicht allzu tiefgestaffelt und in die kapitalistische 
Arbeitsteilung verwoben sein; sie sollte außerdem einen lebensweltlichen 
Bezug haben und eine fühlbare Umstrukturierung des Alltags bewirken. 
Erst in dem Maße, wie auf diese Weise genügend sozialökonomisches 
Terrain gewonnen, Erfahrung gesammelt und ein know-how entwickelt wurde, 
können die Felder der autonomen Reproduktion erweitert werden.
[Absatz kommentieren] kommentieren 
<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?par=89&xid=741925092&lang=de#89> 


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<http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?action=hideall&xid=741925092&lang=de> 
(90) Die Initiativen für entkoppelte Sektoren der Reproduktion können 
durchaus Kooperativen oder Genossenschaften genannt werden; nur daß es 
sich eben nicht um warenproduzierende Unternehmen, sondern um autonome 
Bereiche mit einer sozialen Identität von Produktion und Konsumtion 
handeln würde." usw., usw.   
(Zitate zu finden unter: 
http://www.opentheory.org/keimformen/text.phtml?xid=741925092&lang=de)

Was Kurz damals noch nicht kannte, aber inzwischen ein wenig 
kennengelernt und auch verstanden hat, wie wir auf unserem workshop 
miterleben konnten, daß es sich bei der "freien software" unter anderem 
handelt: um " emanzipatorisches Potential", " autonome Bereiche mit 
einer sozialen Identität von Produktion und Konsumtion ", um eine 
Keimform der " Entkoppelung an den Endpunkten des Übergangs von der 
Produktion in die Konsumtion" ,  "eines sozialen Raums der Kooperation", 
in dem es bereits ansatzweise gelungen ist, " soziale Terrains 
kooperativer Tätigkeit von der Warenform zu entkoppeln und nicht mehr in 
den Markt zurückkehren zu lassen".

Ciao,

Stefan 

Ciao
Uli
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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