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Der Fabber ist ein Fetisch !, war Re: [ox] Die neue Massenbewegung ...



Benni schreibt:
Dabei könnte einem zum Thema Heimwerker einiges einfallen,
was die Schranken kollektiver Eigenarbeit anbelangt. 

Diese Schranken fallen in dem Moment, wo es den Fabber für Heimwerker
gibt. Ist schon in Planung, wie ich hörte ;-)

Ich krieg schön langsam eine echte Krise wenn ich "Fabber" höre. 
Das ist wirklich ein gedanklicher Block, um nicht über reale 
technologische Prozesse und ihre Gestaltung nachdenken zu müssen.

Also hier in Stichworten Alternativen zur Heimwerkermisere,
die nix mit Fabber zu tun haben.

( Und in Klammer sei vermutet: der Fabber ist vielmehr selbst das 
Heimwerkerideal vom universellen individuellen Produktions-
mittel, aber das sollte mal ....die Krisis ausführen ;-): (Titel
für Aufsatz von Ernst Lohoff in Krisis 38 steht schon im Subject
dieser Mail). Das Entlarven des Ideals fällt relativ leicht, ist
fad - trotzdem stehts noch an.)

1.
Man kann sich aber auch vorstellen, daß es anders geht. zum Beispiel so:

Wie es in jedem Haushalt Werkzeugkästen gibt, jedes größere Haus 
seinen Hausverwalter mit handwerklicher Ausstattung, jeder 
landwirtschaftliche oder industrielle Betrieb Werkstatteinrichtungen
zur Wartung der Gerätschaft hat, so sind für jede Routine des Alltags
übergreifende Werkstätten sinnvoll, die die Entwicklung dieser Routine
mit Anpassungen,Prototypen und Kleinserien unterstützen.
Also kann es auch z.B. lokaler Ebene Universalwerkstätten geben,
die Bestandteil der Infastruktur werden. (In Wien gibts übrigens 
urplötzlich eine Art Fahrrad-Kommunismus, also sieht man klar
wie viel der politische Wille zählt. Die Bürger vandalisieren noch,
aber sie könnten sich auch dran gewöhnen)

2.
Prinzip ist also sowas wie kooperative Selbstversorgung auf der Basis
eines öffentlichen Maschinenparks. Maschine heißt aber in dem 
Fall durchaus verschiedenes; Universalmaschinen leiden an der
Funktionalität im einzelnen. An Fabber denke ich dabei nicht,
sondern an CNC-Maschinen für einzelne Werkteile. So etwa wie die OSCAR
Leute gemeint haben, daß ihr Bauplan mit Werkstätten korrespondiert.
Gemeinsam ist den Maschinen die Qualität softwaregesteuert zu sein. 

3.
Ein weiteres Prinzip ist wichtig: die Dinge passen wirklich zusammen;
es gibt nicht hunderttausende Schrauben und Gerätschaften für jede
Digitalkamera und für jede Waschmaschine, sondern es gibt eine
Übergreifende Kultur von Normen und Standards, zumindest im
Open Sorce Produktionssystem.
Eine wünschenswerte Änderung der Gesellschaft ergibt sich nicht 
aus der Summe von Selbsthilfeaktionen. Wichtig sind übergreifende 
Standards auf der Ebene der Werkzeugkomponenten. Erst gute Standards
ermöglichen angepasste Lösungen der Eigenproduktion und Versorgung
für den Einzelnen und kleinere Gruppen. Daher ist die Hauptaufgabe auch
in Bezug auf die materielle Produktion nicht nur die ständige Erweiterung
sondern auch die Abstimmung der Software für Produktionsvorgänge.

Die Werkstatt ist nur Peripheriegerät einer umfassenden Telekooperation,
die auch der Logistik des Güterflusses dient. Wichtig ist dabei der
kooperative Kreislaufschuß, der aber nicht nach dem Tauschprinzip
funktioniert, sondern nach dem Nachhaltigkeitsprinzip: Wir gestalten 
unsere lokalen Lebensumgebungen und unsere globalen Beziehungen so,
daß Selbstentfaltung zu kooperativen Kreisläufen führt. Das Geheimnis
freier Kooperation ist sicher auch, daß man sie unterbrechen kann; 
wesentlicher aber ist die Fähigkeit, überhaupt nachhaltige Kreisläufe
ins Laufen zu bringen.

4.

Das Prinzip ließe sich also so formulieren:

Mit zunehmender Dominanz des konzeptionellen Anteils an der Arbeit
(Automatisierung und Informatisierung)  und zunehmender Möglichkeit 
offener Kommunikation zur Verabredung von Standards transformiert
sich gesellschaftliche Arbeit von konkreter in solche der umfassenden
Konzeption der Produktionsvoraussetzungen selbst. 
Gesellschaftliche Arbeit wird zur politischen Arbeit in eben dem Prozeß,
der konkrete Arbeit als Versorgungsarbeit weitestgehend in Eigenarbeit
überführt. Autarkie ist aspektuelle, prozeßorientierte Autarkie,
nicht die "soziale" der umfassenden Abschottbarkeit von
Lebensgemeinschaften 
untereinander.
Vielmehr ist ein nachhaltiges Arrangement sozialer Lebensgemeinschaften
untereinander zur Sicherung  von Ressourcen gefordert. 

Gefordert ist also nicht nur eine geeignete Auswahl von
Fertigungstechnologie
in Verbindung mit Telekommunikation zur Verknüpfung von Gestaltung und
"Montage",
aber auch ein Verhältnis der Produzenten zueinander, in dem diese
den realen Gewinn an Zeit und Handlungsspielräumen für die
Aufrechterhaltung
und Verbesserung ihres Arangements einsetzen können.

PS1
(Es ist übrigens bezeichnend, daß das Herrn Trampert nicht eingefallen ist)

PS2
(aber auch die Krisis wird uns die Aufgabe der positiven Gestaltung nicht
abnehmen)

(PS3)
Mir gefiel folgendes Zitat aus Stalder/Hirsch, Open Source Intelligence:
"The way we live and the structures in which we live are deeply related. 
The culture of technology increasingly becomes the culture of society.")









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Organisation: projekt oekonux.de


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