Message 06131 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT06000 Message: 17/33 L9 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: Re(2): [ox] Kriterien fuer interessante/emanzipatorische Technologie



On Saturday 28 December 2002 20:57, Franz J. Nahrada wrote:
Stefan Meretz schreibt:
Sorry, dass ich diesmal Wasser in den Wein giessen muss.

Ach, das ist besser als jede Zustimmung, es schärft das Argument
und bringt uns auf den Punkt, wo wir uns von verqueren
Mißverständnissen zu einer soliden Arbeitsgrundlage hinhanteln.

Prima, dann schaun wir mal.

On Saturday 28 December 2002 14:49, Franz J. Nahrada wrote:
Irgendwie gibt es kein Denken und keine Begriffe, die beides
zusammenbekommen: die Mittel und die Menschen, die sie herstellen und
nutzen. Es steht nebeneinander: die Technik und die Organisation; die
Technik und die sozialen Verhältnisse. Das ist theoretisch völlig
inadäquat.

Great! Das ist eigentlich auch mein Anliegen, beides nicht unvermitelt
nebeneinander stehenzulassen. Oder noch radikaler: jede soziale
Organisationsform existiert durch räumliche und technische Strukturen
hindurch. das ist, wenn man so will, der Fehler aller Soziologie, daß
sie eine Gesellschaftlichkeit postuliert, zu der die Materie und die
Gestaltung dann erst hinzutreten. Demgegenüber halte ich sehr viel von
Ansätzen, die soziale Organisationsform anhand der Artefakte zu
dechiffrieren.

...und vice versa. Aber mich stört, dass es immer noch ein "nebeneinander" 
ist. Produzieren heisst, sich zu vergegenständlichen (das "sich" meint 
hier kein isoliertes "sich", sondern den gesellschaftlichen Menschen). 
Das ist mein Ausgangspunkt.

Wenn Du sagst, daß es kein Denken und keine Begriffe gibt, die
beides zusammenbekommen, dann erschrecke ich ein wenig. (Ich hab
auch gesagt, wir haben keine Theorie vom guten Produzieren, aber
in Wirklichkeit gibts natürlich jede Menge Material und Ansätze dazu,
die freilich extrem unpopulär sind heutzutage, vielleicht auch mit-
unter veraltet.) Aber ich nehms mal positiv: daß Du dich auch
drum bemühst wie soziales und technik zusammengeht und den Mangel
an theoretischer Verbindung feststellst.

Ja.

Ich krame in meiner Erinnerung....ja, ich hab vielleicht schon mal
gesagt, ein examplarisch gutes Buch was die Vermittlung sozialer
Organisationsformen mit technologischen und materiellen Manifestationen
betrifft (eines der wenigen guten soziologischen Bücher das ich in
meinem Leben gelesen habe) ist Christa Müllers Buch über Bogentreich.
www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3593361213/
http://www.leaderplus.de/veroeffentlichungen/fachgebiete/kulmbach/ax_1.htm

Der Klappentext und auch der Kommentar animieren mich nicht gerade...

Ich denke auch das Maschineriekapitel im "Kapital" ist ein exzellentes
Beispiel, wie sich an technologischen Qualitäten ein soziales
Herrschafts- verhältnis dechiffrieren läßt.

Ja, darauf beziehe ich mich ja auch immer wieder, weil ich einfach nix 
besseres kenne:
http://www.kritische-informatik.de/?algorevl.htm
http://www.kritische-informatik.de/?pksubjl.htm
http://www.kritische-informatik.de/?selbstl.htm
http://www.kritische-informatik.de/?paq_fsl.htm
http://www.kritische-informatik.de/?wissenl.htm

Oder Foucaults
Untersuchungen über das Gefängnis etc. etc.  -- da ließe sich in Ruhe
wohl vieles finden....

Die Ruhe hatte ich nicht, die Lektüre habe ich abgebrochen.

Das entscheidend Neue bei der FS sind doch nicht die Technolgien,
erstmal wurde bereits Bekanntes nachgebaut. Das Neue war die Art und
Weise der Produktion: Selbstentfaltung in Selbstorganisation.
Theoretischer formuliert: Es entstand historisch erstmalig keimförmig
ein qualitativ neues Verhältnis zwischen Mittel und Mensch - statt
entfremdeter Eigenlogik des Mittels als Ware ("produzier mich als
Ware, verkauf mich ..."), selbstbestimmt festgelegte,
bedürfnisgetriebene und damit auch durchsichtige
Zweck-Mittel-Beziehung zwischen Mensch und Mittel.

"Es entstand...." ... - aber wieso? Spielt ja doch die technik mit.

Spielt mit, ja, aber es war nicht das Neue, es war unspezifische Grundlage 
für die historische Erfindung einer neuen Produktionsweise.

Das ist komplett anders bei der industriellen Revolution: Da ging die 
Revolution von der Werkzeugmaschine (eben vom Mittel) aus - und nicht von 
der Energieerzeugung ("Dampfmaschine" - so ein Unsinn). Das hat Marx 
erkannt, und das war genial. Und alles, was danach kam, hat es es wieder 
versaut. Selbst im ML wurde und wird von der Dampfmaschine fabuliert.

Und entsprechend behaupte ich für den heutigen qualitativen Umbruch, in 
dem wir uns befinden: Es ist nicht das Mittel, die Technologie etc., 
sondern der sich selbstentfaltende gesellschaftliche Mensch, von dem die 
Revolution ausgeht. Natürlich ist die Technologie und Wissenschaft die 
Grundlage - so wie bei Marx die ortsunabhängige Verfügbarkeit von Energie 
eine Grundlage war. Aber so wie es (theoretisch) falsch war, der 
Energiemaschine die revolutionäre Rolle zuzuschreiben, so ist es IMHO 
irrig in der Werkzeugmaschinerie rumzusuchen, ob da was Emanzipatorisches 
drinsteckt.

Ich beklage den begrifflichen Mangel, das Mensch-Mittel-Verhältnis adäquat 
abbilden zu können (und arbeite selbst dran). Erst wenn man das 
Verhältnis als solches auf den Begriff bringt, kann man auch von 
bestimmendem Moment in diesem Verhältnis sprechen, ohne es als Verhältnis 
auseinanderzureissen. Und darum geht's mir: Es ist ein Verhältnis (den 
Aspekt der äußeren Natur lasse ich mal weg, der ja "nicht ganz unwichtig" 
für unseren Stoffwechsel ist), und in diesem Verhältnis ist bezüglich des 
Umbruches die Seite des gesellschaftlichen Menschen, das "Soziale", das 
Bestimmende - und also nicht die Mittelseite.

Darüber läßt sich lange streiten, ob es nicht genau umgekehrt war, daß
eben Software als Anhängsel der Hardware zunächst einmal im Bereich der
Wissenschaft kooperativ organisiert war.

Ja, soziologisch-deskriptiv läßt sich da lange streiten. Begrifflich ist 
das jedoch - mit Marx - klärbar, behaupte ich.

Aber vielleicht sollte einfach jeder von seiner Erfahrung reden.
Für mich war der entscheidende
Schritt die Entwicklung von benutzerprogrammierbarer Software,
die uns damals auf die Idee brachte, Code auszutauschen. Wir waren
in den 80er Jahren damit konfrontiert, daß es für den Apple Macintosh
eben nur eine bestimmte Menge an Standardsoftware gab, und plötzlich
war da Stackware, die sich mühelos verbreiten, kopieren und umbauen
ließ. Da wurde natürlich auch Bekanntes nachgebaut, aber manche
begannen eben auch genau das zu vergegenständlichen, was sie sich an
Technologie gewünscht, aber nie bekommen hätten.

Der Warenstandpunkt trat erst später hinzu, und erwies sich für dieses
Vorhaben letztlich als zerstörerisch, destruktiv und tödlich. Ich
erinnere mich noch an die wunderbare Vielfalt frei ausgetauschter
Buttons, Icons, Skripte, die dann mit dem Aufwerfen der Frage nach dem
geistigen Eigentum rapide zum Stillstand gebracht wurde. Das war 1988
und ich habe heute oft ein deja vu. Die GPL und solche Dinge gabs dort
wo ich meine Lektionen erhielt und erste Gehversuche machte, natürlich
nicht, das ist ein historischer Fortschritt. (eine dialektische
Meisterleistung des Weltgeistes ;-), das spielt schon mit)

Ganz im Gegensatz zu Dir glaub ich daß die Technologie spontan aus sich
ein Bedürfnis nach adäquaten sozialen Organisationsformen (User und
Developer Groups) hervorgebracht hat. Es war irgendwie spannend, von
der Uni zu kommen und zu sehen, wie die schlichte Wahrnehmung von
technischen Möglichkeiten die gröbsten Individualisten zu den User
meetings trieb, wie sie Freude am Zusammenarbeiten und an sozialer
Organisation ganz ohne Einführungsschulung und Indoktrination
entwickelten! Klar: als der Warencharakter dominant wurde, wars damit
vorbei, aber das wissen wir ja alle. Und die Produktivität sank um den
Faktor 10, das würde ich glatt in einer Studie beweisen können!
Letztlich starb sogar die technische Basis, weil sie eben für den
Warencharakter nicht tauglich genug war. Sogar heute gibts noch Leute,
die sich dafür einsetzen daß Apple das Ding wieder ins Laufen bringt.
(www.ihug.org)

Deine Beschreibung sehe ich nicht im Gegensatz zu meinen Überlegungen. Im 
Gegenteil: Du illustrierst, was ich behaupte. Wir überlegen doch jetzt 
und hier vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen und der FS, was man tun 
kann. Und ich sage da doch "nur": Denkt an den Warencharakter, an die 
durch die Wertform bestimmte Form der Vergesellschaftung.

Ich denke daß ich nicht ganz mitkann mit Deiner creatio ex nihilo einer
unentfremdeten Mensch - Mittelbeziehung.

Hä? Wo siehst du die?

Diese Beziehung ist so uralt,
daß ich meinerseits nichts neues entdecken kann. Ich glaube zwar auch
an die Keimformhypothese, aber sie entspringt für mich eben ganz klar
einer sehr traditionellen Dialektik von Produktivkraft und Produktions-
verhältnissen und dem üblichen historischen Transformationsschema, das
verlangt, daß sich neue Produktionsverhältnisse zuerst irgendwie in die
alte Scheiße einschichten

Da sind wir nicht so weit auseinander - mit dem einen, wichtigen 
Unterschied: Den Begriff der Produktionsverhältnisse im klassischen 
simplifizierten Verständnis von Eigentumverhältnissen halte ich 
begrifflich für ungeeignet, ja fehlleitend. An seine "Stelle" setze ich 
den umfassenderen, IMHO adäquateren Begriff der Vergesellschaftungsform. 
Da bekommt man das nämlich in den Blick, was dir bei einer technologisch 
verengten Sichtweise immer wegrutscht: die auf der Waren/Wertform 
basierende Vergesellschaftung. Und sie stellt perspektivisch die IMHO 
richtige Frage: Wie kann nur eine nichtwertförmige Vergesellschaftung 
aussehen? Das ist für mich übersetzt die Oekonuxfrage.

(da bin ich auch nicht mit Ernst Lohoffs Charakterisierung
des Absolutismus einverstanden, das ist sehr wohl noch genuin feudaler
Vergesellschaftungsmodus, der aber mit neuen Vergesellschaftungsformen
seine alten Spiele erfolgreicher zu spielen versucht.).

Mich hat aber schon gewundert, dass du den Artikel sonst gut fandest.

Nun erst, auf Grundlage dieser neuen (weil wertfreien)
Mensch-Mittel-Beziehung, können auch neue Mittel produziert werden,
also Mittel in denen nicht mehr der Verwertungszweck
vergegenständlicht wurde, sondern menschliche Bedürfnisse. Jede/r
kann ja mal überlegen, wo sowas der Fall sein könnte - es ist nicht
viel, weil es sich immer noch einpasst (und einpassen muss!) in die
dominante Verwertungslogik in gegenständlicher Form.

Das versucht ihr jetzt umzudrehen!

Jetzt wird mir endlich klar, warum ich so viele Probleme mit Deinen
theoretischen Darlegungen hatte. Ich kann Dir den Vorwurf des
Idealismus nicht ersparen. Wenns nicht die Technik ist, die die
Keimform auslöst, dann muß es wohl ein aus irgendeiner Ecke
emanierendes neues Denken sein? Entschuldige die Polemik, aber
wir müssen mal die Dinge auf den Punkt bringen.

Nein, kein Problem, lass uns das auf den Punkt bringen. Du behauptest, die 
Technik würde die Keimform auslösen? Während du mir unterstellst, ich 
würde ein "neues Denken" am Werke sehen wollen? Beides halte ich für 
falsch - der Idealismus liegt da ganz bei dir (auch das nimmst du mir 
nicht übel, gell!?). Hier bringst du in klarer Form auf den Punkt, was 
ich oben so beklagt habe: Das Auseinanderreissen von sozialer Form und 
ihren Vergegenständlichungen.

Zu der einen Seite des Auseinandergerissenen, "Technik schafft Keimform", 
verweise ich auf die Polemik z.B. von Ernst Lohoff in seinem Artikel oder 
von Christian Fuchs, der zurecht gegen technologischen Determinismus 
argumentiert. Das Drama fängt schon damit an, das "Produktivkraft" als 
bloße "Technik etc." vereinseitigt wird, und weggelassen wird, dass es 
sich bei dieser Kraft um keine eines Dings, einer Maschine oder so, 
sondern um die des _Menschen_ handelt. Deswegen heisst es bei Marx ja 
auch immer "Produktivkraft der Arbeit".

Zu anderen Seite, "Neues Denken schafft Keimform", kann ich zustimmen, 
dass, wo das so platt und also isoliert vertreten wird, - etwa in Teilen 
der Alternativszenerie - der Idealismusvorwurf zutrifft. In meiner 
Begrifflichkeit des Verhältnisses von Produktivkraftentwicklung und 
Vergesellschaftungsform, behaupte ich, ist das schwerlich denkbar. Es 
muss schon ein entsprechend präformierter idealistischer Blcik vorliegen, 
der das bei mir entnehmen will.

Immerhin gibst Du zu, daß es den Konnex zwischen Maschinen und
Technologie andererseits und sozialen Organisationsweisen andererseits
gibt. Aber Deine Beispiele widerlegen mich (oder "uns", es scheint daß
Du auch mit StMn ähnliche Debatten hattest) nicht:

Das mit dem "uns" etc. nehme ich zurück, ist eh immer doof, solche 
Identitäten sprachlich zu schaffen. Ferner widerlegt ein Beispiel nichts. 
Es illustriert nur etwas, und dieses ist für mich hier der von mir 
vermute und von dir nun hier bestätigte "Technik-macht-Keimform"-Glauben.

Was willst Du denn, wahrscheinlich waren sie immer schon voll
schlechten Gewissens über die Arbeit in kleinen Kollektiven, wo doch
Lenin die raffinierte Bestialität des Taylorismus und Fordismus in
höchsten Tönen als die Spitze der Produktivkraftentwicklung abgefeiert
hatte!

Nimms ernst, sie waren nachholende Modernisierer, das war ihr
politisches Programm, und das ist doch ein Super-Indiz wie sehr die
Krisis - Analyse ins Schwarze trifft!

Ja, das ist klar. Das war aber nicht mein Punkt.

Das mit der Neutralität der Technik ist der Schein dem die Anhänger der
Modernisierung natürlich aufgesessen sind. Aber Stefan Mns Frage ging
gerade (danke!) über die Neutralität der Technik hinaus!

Eben. Das ist ja das, was ich kritisiere, oder vorsichtiger: zu bedenken 
gebe. Damals wurde von der Technik "als-solcher" Wunder erhofft (in der 
Annahme, sie sei ansonsten neutral). Das gleiche nehme ich jetzt auch bei 
dir wahr (und bei SMn), nur dass es diesmal nicht um das Wunder der 
Produktivitätssteigerung, sondern um das Wunder der Emanzipation geht.

Du siehst die Vermittlung ja auch:
Technik ist nicht neutral, die ganze Warenlogik steckt da drin. Und
es ist kein Zufall, dass der partielle "Ausbruch" aus dieser Logik im 
Bereich
der Software passierte: nicht nur wegen der digitalen Form des
Produkts, sondern auch wegen des universellen Charakters des
Produktionsmittels: es ist noch am relativ wenigsten auf den
Warencharakter festgelegt (da sei bald TCPA davor...).

jetzt landest Du aber selbst bei der Qualität der Technik, die den
Ausbruch aus der Warenlogik möglich macht.

Das war keine besondere Qualität der Technik, sondern eher eine 
"Nicht-Qualität".

Deine Gegenüberstellung ist aber nicht ganz präzise,  denn der Witz ist
genau die Kombination von Produkt und Produktionsmittel. Dadurch
daß das Produkt in digitaler Form eben zum Ausgangspunkt der
Modifikation wird, daß es sofort wieder zum Produktionsmittel
werden kann (Software), wird diese ungeheure Möglichkeit einer
die Warengesellschaft übetreffenden Produktionsweise Realität.

Nein, nicht dadurch, sondern dadurch, dass die Besonderheit der auf 
Grundlage der Universaltechnik möglichen Produktionsweise nichtwertförmig 
organisiert werden konnte. Der Computer ist zwar Grundlage, aber 
_unspezifische_ Grundlage im Mensch-Mittel-Verhältnis.

Nachhaltigkeit ist keine dingliche Eigenschaft, sondern ein soziale.
Ein Solarauto kann niemals eine "an-sich" emanzipatorische
Technologie sein. Die Frage ist schon daneben. Das interessante des
Laborversuchs "OSCar" war doch die Ausweitung des Prinzips der FS auf
einen "stofflichen Bereich" (und nicht das Auto selbst), also das,
was wir so als "Vergemeinerung" diskutieren. Nun ist das gescheitert,
aber wie Benja schon meinte: shit happens, es ist eher der
Normalfall. Warum es scheiterte, wäre trotzdem mal rauszufinden. Ich
vermute, nicht aus "spezifisch sachlichen" Gründen (keiner wollte es
materialisieren oder sowas), sondern aus sozialen.

(...)
Du hast recht, daß die Folgerung verkehrt ist, die Nachhaltigkeit
sozusagen zum technischen Ziel zu machen, ohne daß man an der
Gesellschaft was ändern müßte.

Die Forderung nach Nachhaltigkeit heute erscheint mir wie eine Absurdität. 
Diese Gesellschaft ist nicht grundsätzlich änderfähig, sie ist in ihrer 
Form niemals nachhaltig. Sie ist nur aufhebbar, zu ersetzen durch eine 
Gesellschaft(sform), in der Nachhaltigkeit überhaupt erst angehbar ist.

Aber noch schlimer und brutalst antikritisch ist die beliebte idee:
daß die nachhaltigkeit gleich noch zur sozialen Eigenschaft verlängert
wird, wo dann absoluter Strukturkonservativismus draus wird.
(NAchhaltige Gewinne etc). Nein, nachhaltigkeit wird polemisch
eingefordert, weil es an dem Umgang mit den stofflichen Produktions-
voraussetzungen und am Charakter der Produkte deutlich wird, daß
dieser Gesellschaft grosso modo schädliche Wirkungen entspringen.
"Grosso Modo" heißt daß eben historische Fortschritte nur mehr
nach rückwärts stattfinden.

Eben.

Eure Coolness gegenüber dem OsCar Disaster kann ich nicht nach-
vollziehen, denn immerhin ist es das Hauptanliegen unserer Debatte
herauszufinden wie so was wie eine "Verallgemeinerung" des Prinzips
der FS stattfinden kann. Wenn der "Normalfall" das Scheitern ist:
sollten wir dann den Laden hier nicht besser dichtmachen? Oder sollten
wir nicht interessiert sein, Fehler und Mängel rücksichtslos
anzugreifen (NICHT PERSONEN!) und wie weiland Adam Smith zu zeigen, wo
es lang geht, mit erfolgreichen Beispielen?

Ich habe da keine Coolness, aber kann auch keine Antwort liefern. Und ich 
halte es auch nicht für Scheitern, wenn ein Weg, der nicht sinnvoll war, 
eingestellt wird: im Gegenteil - dann ist es ein Erfolg. Nur so kann eine 
freie Gesellschaft funktionieren. Als "Scheitern" erscheint es heute vor 
den Kriterien der technologischen Rationalität, das Scheiternskriterium 
ist eines dieser Gesellschaft. - Na klar bin ich für erfolgreiche 
Beispiele, aber bitte Erfolg im emanzipatorischen Sinne und nicht in der 
Tatsache, dass sich auch Autokonzerne für OSCar interessierten.

Andernthreads habe ich gestern versucht, an Greffraths Artikel zu
erinnern, der schön zeigt, wie das "empowerment" in Abhängigkeit
umschlägt.

Was der Greffrath nicht weiss, du doch aber, ist die Tatsache, dass in
der Warenform sich die Dinge immer gegen uns verselbstständigen. Der
Zauberlehrling ist doch hier kein Geheimnis mehr...

Greffrath zeigt eben wesentlich mehr, er zeigt wie sich in der
Subsumtion der Qualifikationen und der Kultur unter die Warenform ein
epochaler Verfall von Lebensqualität und Existenzmöglichkeiten breit
macht, gerade unter dem Mantel unglaublich verlockender Angebote und
Versprechen. Die Basis für eine Rebellion gegen die Globalisierung
umfaßt eigentlich jeden Menschen, der noch eine Zukunft im Leben haben
will.

Ja.

Also ist eben neben der kurzfristigen Möglichkeit etwas zu tun, was
man vorher nicht konnte, auch ein Rattenschwanz von Folgewirkungen
mitzubedenken.

Es ist vor allem zu denken, dass du es nicht bloß als Eigenschaften
der Dinge betrachten kannst, die irgendwelche "Folgewirkungen" haben.

Ist es eine Eigenschaft der Fabrik von Bhopal, daß Giftgas austritt?
ist es eine Eigenschaft von AKWs, mit garantierter Wahrscheinlichkeit
ihre Umwelt zu verstrahlen?
Daß bestimmter Schrott produziert wird, bringt mit Sicherheit
Folgewirkungen hervor.
"Nicht bloß" heißt eben, daß die Dinge so und nicht anders produziert
werden, weil sie einer bestimmten gesellschaftsform entspringen.

Eben. Es ist _nicht_ eine Eigenschaft der bloßen Dinge, sondern genauer 
der so produzierten Dinge.

Assoziierte Arbeit beginnt sich erstmals ein Selbstbewußtsein zu
bilden, daß sie Gestaltungsfragen in der hand hat. Dabei ist es
enorm wichtig, wieder/erstmals einen Begriff von Qualität zu kriegen.

Es gibt aber keinen ontologischen Qualitätsbegriff. Qualität ist immer nur 
sich historisch verändernde Qualität bzgl. historisch verändernder 
Bedürfnisse, die in je historisch spezifischen Vergesellschaftsformen 
hervorgebracht und befriedigt werden.

Ich behaupte sogar, es ist heute der Dreh- und Angelpunkt jeder
radikalen Gesellschaftskritik!!!

Es ist ein Zugang, so wie es tausend Zugänge gibt, die sagen: Ich will den 
Scheiss nicht mehr. Es ist aber dann auch nur Kritik. Es sagt noch nichts 
über die Aufhebung, die du IMHO nicht über die Qualität der Dinge 
definieren kannst (a la "emanzipatorische Technologie").

Das geht auch logisch gar nicht. Abstrakt gibt es die Einsicht schon:
BWL vs. VWL. Aber gedacht werden kann es wieder nur in der Warenform
- siehe zum Beispiel der Handel mit Emissionen.

Eben. Wann hat sich die VWL jemals mit Qualitäten beschäftigt?
BWL **UND** VWL müssen abdanken zugunsten einer rationellen Ökonomie!!

Die Ökonomie muss abdanken zugunsten eines guten Lebens für alle. So 
schlicht.

Oh nein, bitte nicht. Jede Ökonomie ist, weil sie sich stets als
verselbstständigtes System gegen uns wendet, potenziell destruktiv.
Wieweit die Destruktion greift, hängt kein bisschen von irgendwelchen
"Qualitätskriterien" oder sonstigen moralischen Maßstäben ab, sondern
einzig von der Verwertungsfähigkeit. Der betriebswirtschaftlichen
Rationalität ist sui generis kein Riegel vorschiebbar. FS ist eben
gerade keine "Ökonomie".

Mit verlaub:
Warum *muß* Ökonomie ein "verselbständigtes System" sein? bei
Aristoteles war es noch die Wissenschaft vom ganzen Haus, und die
Schacherkunst der Kaufleute heißt traditionell ganz anders - dies
vergessen zu haben ist ein Zeichen dafür, wie verrückt die Welt
geworden ist:

Zur Verrückheit gehört: Sie ist es. Da gibt es kein zurück mehr. Nach 
vorne kann nur heissen: Abschaffung von Ökonomie. Dazu wäre allerdings 
mehr zu sagen...

Ciao,
Stefan

--
    Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
    Internetredaktion
    Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin
-- 
    stefan.meretz verdi.de
    maintaining: http://www.verdi.de
    private stuff: http://www.meretz.de
-- 

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


[English translation]
Thread: oxdeT06000 Message: 17/33 L9 [In index]
Message 06131 [Homepage] [Navigation]