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[ox] heise online: Streit um Softwarepatente in der EU wird hitzig



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "Benni <benni obda.de>" gesandt.
Wir weisen darauf hin, dass die Absenderangabe nicht verifiziert
ist. Sollten Sie Zweifel an der Authentizität des Absenders haben,
ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
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Streit um Softwarepatente in der EU wird hitzig



 Am Montagabend platzte Arlene McCarthy[1], Berichterstatterin für die
zunehmend umstrittene Richtlinie der EU[2] über die Patentierbarkeit von
computergestützten Erfindungen im Europaparlament, der Kragen: Nachdem die
Abstimmung über den Entwurf in Straßburg kurzfristig auf die letzte
Sitzungswoche im September verschoben worden war[3], beklagte sie in einer
heise online vorliegenden Erklärung an ihre britischen
Labour-Parteigenossen das "Bombardement an Desinformation" gegen die neuen
Regelungen zur Patentierbarkeit von Software. Als Verursacher der
"Falschmeldungen" galten ihr anscheinend vor allem Gruppen aus dem
Open-Source-Umfeld und mittelständische Unternehmen, die ihre Server
vergangene Woche "wegen Softwarepatenten" vorübergehend "geschlossen" und
auch in Brüssel vor Ort gegen die Richtlinie demonstriert hatten[4]. 

 "Dies ist eine unehrliche und destruktive Kampagne, die Verwirrung über
die Ziele des Parlaments stiften will", empörte sich die Vertreterin der
Sozialisten. Die unerwarteten Lobbyisten und Demonstranten würden
Abgeordnete mit nachweislich inkorrekten Behauptungen zuknallen und
konzertierte Anrufe in den Büros der Volksvertreter anberaumen. Sollten sie
sich durchsetzen, wäre dies die "Todesglocke für unsere klügsten und besten
europäischen Erfinder, während die USA und Japan Lizenzgebühren von
europäischen Firmen für die Verwendung ihrer Patente verlangen." Die
Zukunft der gesamten europäischen Wirtschaft stehe auf dem Spiel.

 Die im dramatischen Ton gehaltene Pressemitteilung, die bisher nicht
offiziell veröffentlicht wurde, ist das jüngste Beispiel dafür, dass die
Nerven im sich nun über anderthalb Jahre hinziehenden Streit[5] um die
Richtlinie in Brüssel und Straßburg blank liegen. Anscheinend hatte dort
niemand damit gerechnet, dass sich die Befürworter der freien Software zu
einer ernst zu nehmenden Lobbygröße auf dem europäischen Parkett entwickeln
und Unterstützung aus der Wirtschaft von kleinen und mittleren
Codefabrikanten wie dem Berliner Soundspezialisten Magix erhalten
würden[6]. Auch renommierte europäische Wirtschaftswissenschaftler haben
jüngst in einer Erklärung[7] "schwere Bedenken" geäußert. Der offene
Widerstand gegen Softwarepatente war von den Machern der Direktive schlicht
nicht eingeplant worden.

 Die Fronten sind nach wie vor verhärtet. Die Befürworter der Richtlinie
wie McCarthy oder jüngst Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein betonen
immer wieder, dass Software "an sich" nicht patentierfähig werden solle und
nur ihre Verbindung mit der Hardware sowie mit einer "technischen Funktion"
den Monopolschutz genießen könne. Die Opponenten wie Hartmut Pilch vom
Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII[8]) halten
all dies für "leere Worte", die im Widerspruch zum Richtlinientext stünden.
Ihrer Meinung nach enthält das Papier nach wie vor keinen Hebel, mit dem
sich die Patentierung von trivialen Softwarelogiken wie etwa den
umstrittenen, vom Europäischen Patentamt aber anscheinend für schutzwürdig
empfundenen[9] Patenten Amazons oder von Geschäftsprozessen verhindern
lasse.

 In der Endphase vor der Abstimmung sind nun einerseits noch Vorstöße der
Patentlobby aufgetaucht, in denen auch dem "Interoperabilitätsartikel" 6
(a) der Zahn gezogen werden soll. Bislang wird das Schreiben und Verwenden
von Konvertierungsprogrammen zwischen unterschiedlichen Datensystemen nicht
als Verstoß gegen mögliche Patente angesehen. In der auch von McCarthy
unterstützen Neuformulierung[10] wird diese Ausnahmeregelung jedoch ad
absurdum geführt. Andererseits haben kleine Parteien wie die Grünen sowie
liberale und radikale Gruppierungen Änderungsvorschläge ins Parlament
eingebracht. Sie dringen darauf, dass Artikel 2 (b) dahingehend verändert
wird, dass der vielmals beschworene "technische Beitrag" zu einer Erfindung
definiert und beispielsweise mit der "Beziehung zwischen Ursache und
Wirkung in der Nutzung kontrollierbarer Kräfte der Natur" in Verbindung
gebracht werden soll.

 Ob sich bis Ende des Monats noch ein Kompromiss erzielen lässt, scheint
fraglich. Immerhin verweisen deutsche konservative Europa-Parlamentarier,
die bisher mehr oder weniger bedingungslos den Kurs der Kommission
unterstützten, inzwischen auf Anfrage auch auf die kritischen
Änderungsvorschläge hin und sehen Software ausdrücklich nicht als Gebiet
der Technik an. Das britische Außenministerium hat dagegen jüngst einen
Brief an die Abgeordneten der Insel geschickt, in denen es mit
argumentativer Unterstützung des Londoner Patentamts die Gangart McCarthys
unterstützt. Noch in dieser Woche wollen sich nun die Sozialisten im
Parlament intern abstimmen, welchen Kurs sie fahren werden. (Stefan Krempl)
/ (jk[11]/c't)

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 [6] http://www.heise.de/newsticker/data/hod-19.08.03-001/
 [7] http://www.researchineurope.org/policy/patentdirltr.htm
 [8] http://swpat.ffii.org/
 [9] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-28.08.03-002/
 [10] http://swpat.ffii.org/papers/eubsa-swpat0202/itop/
 [11] jk ct.heise.de

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