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[ox] Fwd: Werthaltigkeit von Informationsguetern



Eine Mail aus einer PM-Konversation, die ich mit Einverständnis von 
StefanMn auf die Hauptliste poste:

----------  Forwarded Message  ----------

Subject: Werthaltigkeit von Informationsguetern (was: Re: [ox] Fwd: 
[krisisinfo] Haina-Seminar: Tischvorlage)
Date: Sun, 31 Aug 2003 20:19:22 [PHONE NUMBER REMOVED]
From: Stefan Merten <smerten oekonux.de>
To: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
Cc: Stefan Merten <smerten oekonux.de>

-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----

Hi Stefan!

Danke für deine Mail. Ich gehe mal inhaltlich darauf ein, wobei ich
nicht mehr genau erinnere, was evt. schon mal von irgendwem gesagt
wurde. Auf der englischen Liste gab es ja die Debatte ja auch mal
wieder mit wieder einem ganz anderen Standpunkt.

Last week (9 days ago) Stefan Meretz wrote:
dann mal unsere Auseinandersetzung (Ernst Lohoff und ich) auf den Punkt
gebracht: Während Ernst Lohoff generell davon ausgeht, dass jegliche
Informationsgüter wertsubstanzlos sind - egal, ob in proprietärer oder
freier Produktion entstanden -, halte ich es für notwendig,
verschiedene Arten von Informationsgütern zu unterschieden und ihren
Herstellkontext zu beachten (vgl.
http://www.opentheory.org/info_kap_2/text.phtml). Ist der
Herstellkontext ein - im Wertschöpfungssinne - "produktiver" und das
Informationsgut quasi wie eine nie verschleißende Maschine Bestandteil
der Produktion, dann ist diese Software auch wie eine Maschine zu
behandeln: Das heißt, sie überträgt den in ihr vergegenständlichten
Wert.

Ja.

Problem ist halt das nie verschleißend. Wenn es wirklich um eine
Übertragung geht, dann muss da auch was weniger werden. Ansonsten ist
es eine nicht versiegende Quelle von Reichtum. Was ja plausibel
klingt.

Wenn die Software aber sui generis "wert(substanz)los" ist (was ja auch
Graham Seaman meint), dann gibt's da nichts zu übertragen.

Ja.

Ich hatte da in einem Gespräch auch noch einen anderen Gedanken
entwickelt: Diese Tendenz gibt es ja in der gesamten Produktion
mittlerweile, dass die Entwicklungskosten inzwischen riesig sind und
nur noch schwer auf die daraus rührenden Produkte umgelegt werden
können. Bei Speicherchips war es z.B. lange so. Aber auch bei der
Vorstellung des neuen VW Golf wurde wieder auf diesen Sachverhalt
hingewiesen.

Ist diese Entwicklungsarbeit nicht ebenfalls wertlos (oder werthaltig)
in diesem Sinne, dass sie sich eben wie Software nicht auf die
Produkte übertragen (oder eben doch)? Anders gewendet: Die in einem
modernen Industrieprodukt tatsächlich konkret vergegenständlichte
Arbeitskraft geht wegen der Automatisierung immer mehr gegen Null,
während die in der Infrastruktur und den Informationsgütern, die auf
ihr laufen, "vergegenständlichte" Arbeitskraft dagegen immer mehr
wird. Das Zurechnungsproblem - wie rechne ich die Entwicklungskosten
einem konkreten Stück Produkt zu? - spielt ja auch in dieser Liga.
Während früher dieses Problem klein war, weil die Kosten eben vor
allem pro Produkt anfielen, ist inzwischen eben die Frage, ob ich als
Erster mit der Entwicklung auf dem Markt bin um noch möglichst hohe
Preise dafür nehmen zu können und damit die Entwicklungskosten wieder
einzuspielen.

Könnte es sein, dass diese innerkapitalistische Entwicklung in eine
qualitative Änderung mündet? Der gern zitierte Grundrisse-Absatz,
wonach die konkrete Arbeit pro Produkt unwichtig wird gegenüber der
Macht der von ihr in Bewegung gesetzten Agentien spiegelt sich ja
genau da wieder. Der Kapitalismus wird also immer unmöglicher, je mehr
sich Produktionskapazität wesentlich nur noch als allgemeine
Infrastruktur darstellt.

Ich bin da unentschieden. Ich habe noch nicht das Kriterium gefunden,
das mich von dem einen oder anderen überzeugt.

Geht mir ähnlich. Aber möglicherweise ist die Frage auch "nur" noch
innerkapitalistisch wichtig.

Die Konsequenzen für die Oekonuxdedatte sind jedoch nicht ohne: Ist
Software sowieso "wertlos", dann gibt's da nichts zu "entwerten". Der
Effekt von FS für das Kapital wäre dann die Befreiung von "faux frais",
also Unkosten, die im Verwertungssinne nichts bringen, sondern nur als
Abzug vom Mehrwert zu Buche schlagen. Dann hätten Sabine Nuss und
Michael Heinrich recht - nur, dass sie nicht in der Lage waren, das
vernünftig auszuargumentieren -, dass FS für den Kapitalismus
ökonomisch eine Entlastungsfunktion hat.

Ja, so herum macht es dann Sinn.

Und btw. ist die krisianische Argumentation der
Zuspitzung der finalen Krise durch Abschmelzen der Wertsubstanz nochmal
qualitativ brisanter.

Das ist wohl die Essenz dessen, was ich oben erwähnt hatte. Allerdings
markiert Freie Software dann auch hier eben nur die Spitze einer
säkularen Entwicklung.

Ist Software nicht sowieso "wertlos", dann gilt weiter meine
Argumentation aus dem "Wertlos-Aufsatz".

Ich hoffe, das war jetzt nicht zu verkürzt.

Nein.

Das wollte ich mal
erklärender, als ich das hier tue, darlegen. Aber ich komme einfach
nicht dazu. Deswegen erstmal nur die Kurzform für dich.

Danke erstmal.

Wenn du willst, kannst du gerne meine (und deine) Mail auf die
Hauptliste tun.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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Version: 2.6.3in
Charset: noconv
Comment: Processed by Mailcrypt 3.5.7, an Emacs/PGP interface

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