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[ox] Arbeitszeitverkürzung, war TELEPOLIS: Mobbing wegen missliebiger Internetseite



Stefa Merten schreibt:
Na, das ist schon ein klassischer Fall genau des Typs Pseudonyme, die
ich meinte - sicher nicht zufällig just aus jenem politischen
Versteck, das ein Faible dafür hat.

Das ist jetzt eine lange Diskussion, ob die Angst von Menschen, für Ihre
politischen Statements negative Konsequenzen in ihrem Privatleben in Kauf
nehmen zu müssen berechtigt ist. Der zitierte Artikel und Fall scheint
diese Berechtigung zu beweisen. Es sind genug Menschen in der Liste, die
auch hier unter Pseudonym agieren. 
Natürlich weiß ich auch Gründe die dagegen sprechen. Ein ganz großes
essential bei freier Software ist der Aufbau von Glaubhaftigkeit,
Verläßlichkeit und Vertrauen. Das ist bei der "Einheit der Person" besser
gewährleistet. Auf der anderen Seite kann ich mir vorstellen, daß man auch
ein Pseudonym mit seriösem Inhalt füllen kann.

Es besteht aber m.E. kein Problem darin, das Pseudonym in seiner Vita
zu nennen und ihn ansonsten mit einem glaubhafteren Namen anzukündigen

Das halte ich für etwas sehr gekünstelt. Ich finde es schon klasse, wenn
Leute, die jahrelang unter Pseudonymen publiziert haben, auch öffentlich
auftreten. Sie stehen dafür ein, was sie geschrieben haben und beginnen
den Dialog.

- - wenn in seinem Beitrag denn wirklich der Bezug zum
Oekonux-Themenkreis erkennbar wird - was mir noch nicht so klar
scheint.

Ich danke Dir und allen, die im Konferenzmotto und im Call for
Contribution mein Anliegen aufgenommen haben, zu einer oder sogar zur 
zentralen Frage der Konferenz die Frage nach dem "Reichtum" zu machen. Ich
habe eben vorgeschlagen, diesen Begriff zu operationalisieren. Der
Reichtum der Gesellschaften, in welchen die [Produktionsweise freier
Software] herrscht, drückt sich eben auch durch eine drastische
Verringerung desssen aus, was einmal als "gesellschaftlich notwendige
Arbeitszeit" bezeichnet wurde - ungeachtet dessen daß das Maß verrückt
wird. Wenn Du so willst, bleibt das der zentrale Legitimationspunkt und
Knackpunkt der Ökonomie, und es bleibt der allergrößte Skandal und Grund
für die Transformation, daß die Kapitalwirtschaft die Frage von John
Stuart Mill nicht wirklich beantwortet hat, "ob alle bisher gemachten
mechanischen Erfindungen die Tagesmühe irgendeines menschlichen Wesens
erleichtert haben". 

Natürlich sind die Antworten von D.Dante schematisch und blechern,
natürlich hat er von Produktivkraftkritik wenig Ahnung, und dennoch rührt
er meines Erachtens mit abstrakt richtigen Argumenten an einem zentralen
Tabu unserer Gesellschaft, und deswegen handelt er sich auch wütende
Feindschaft ein. Wenn Robert Kurz schreibt, daß Staatsversagen und
Marktversagen so weit gediehen sind, daß diese Ökonomie mehr verbraucht
als sie hergibt, wenn ihre absurden Funktionsprinzipien sozusagen den
letzten Kitt aus den Fenstern des Lebens fressen und sich dabei
ausgerechnet durch Sparsamkeit legitimieren (das war übrigens der Vorbote
des Endes des Realen Sozialismus!!!!) dann ist es richtig zu zeigen daß
das alte Maß des gesellschaftlichen  Reichtums - die Arbeitszeit - aus den
Fugen geraten ist: sich an sich selbst dementiert. Daß dies ein Urteil für
eine Neuorganisation der Gesellschaftlichen Produktion ist - genauso wie
es richtig ist, diese Neuorganisation wo immer es geht praktisch in die
Wege zu leiten. D. Dante steht da für mich eher symbolisch für das Thema,
dem wir uns zuwenden. Es ist sozusagen eine Provokation über Reichtum
nachzudenken. Es ist aber auch eine Provokation, vielleicht dieses Maß zu
überwinden im Sinn von Aufhebung - aus dem "5 Stunden sind genug!" von
D.Dante kann man ja noch unschwer den Standpunkt rauslesen, den auch
irgendwie der Kapitalist hat. Also die Reduktion von notwendiger Arbeit,
damit irgendein abstraktes "Mehr" rauskommt. 

So gelesen - und das unterschlage ich nicht - , eint ja die
Arbeitsfetischisten von den Rationalisierern bis zur extremen Linken eine
seltsame Verachtung der Arbeit. Sie betrachten nur mehr die Quantität,
nicht die Qualität. Das ist der Punkt, wo das Maß verrückt wird und an dem
ich sehr zu Bennis Mißvergnügen gesagt habe, wir (also die die das nicht
mitmachen)  trennen eigentlich gar nicht mehr zwischen Arbeit und
Freizeit. Es ist für unsereins befriedigend und lohnend, ständig
weiterzudenken an den Möglichkeiten, die allgemeine Arbeit bietet: "
"Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im
Wirkungskreise eines elektrischen Stroms oder über Erzeugung von
Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut."
(MEW 23/407). Es ist einfach unbeschränkt lohnend, geistige Produktion zu
vergesellschaften, und durch diese lohnende Natur löst sich auch der
Widerspruch des alten Kommunismus, eine Vergesellschaftung des Mangels zu
sein. Oekonuxig ist es IMHO nicht, nur mehr 5 Stunden zu denken und
ansonsten zu prassen. Das ist eher ein verrücktes Ideal das selbst noch
von der bürgerlichen Gesellschaft geboren wurde. Dennoch ist es
vergleichsweise harmlos und kann ernst genommen diese Gesellschaft
ziemlich in Verlegenheit bringen ;-) ...denn das soll doch zumindest AUCH
möglich sein!

Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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