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Re: [ox] Re: P2P-Steuer fuer's Internet?



Hi Liste und ThomasT!

Last week (9 days ago) Stefan Merten wrote:
Auf der WOS-Liste kam noch ein sehr interessanter Beitrag in diesem
Thread, den ich mit Erlaubnis hier reproduziere. Er berührt einige
Themen, die auf dieser Liste auch schon mal diskutiert wurden und
ergänzt m.E. interessante Aspekte.

Dazu noch ein paar Überlegungen.

Last week (8 days ago) tt wrote:
einige auf dieser liste etwa verfassen laufend texte für
die sie nicht bezahlt werden.

Ja. Es ist pure Geld-Ideologie wenn behauptet wird, dass Menschen
ausschließlich (nützlich) tätig werden, wenn sie dafür "kompensiert"
werden - d.h. wenn sie einen gegenüber der Tätigkeit entfremdeten
Anreiz / Belohnung bekommen.

Die Welt ist voll von Phänomenen, wo Menschen auch durchaus um der
Tätigkeit oder um deren Ergebnis willen sich mit teilweise hohem
Einsatz bemühen.

und ich würde einmal sagen ein grosser teil
der künstler wird für seine arbeit sowieso nicht "bezahlt" und kann sich das
trotzdem irgendwie leisten. (gerade mal 900 menschen können zum beispiel im
musikland grossbritannien von der von ihnen komponierten musik leben)

Eine wichtige Zahl!!

M.a.W.: Die Motivationsfrage muss also irgendwie anders beantwortet
sein als mit Geld. Den großen Ruhm, auf den aktuelle Tätigkeit dann
quasi als Vorschussinvestition gedacht werden müsste, rechnen sich die
meisten wohl auch nicht aus.

der hauptunterschied zwischen gpl-programmier und künstlern ist, dass
letztere zwar in einem diskurszusammenhang stehen, und auch vielleicht
ansatzweise kooperieren, aber doch weitgehend als autonome grösstenteils
konkurrierende künstlersubjekte agieren.

Ein Aspekt, den ich nur unterstützen kann. Ich habe mir mal erklären
lassen, wie stark KünstlerInnen in eine Konkurrenzsituation gedrängt
werden, weil sie eine Ausstellung machen wollen / eine Ausschreibung
gewinnen möchten etc. Der ganze Kunstbetrieb ist auf diese Weise wohl
durchsetzt von Konkurrenzdenken und von daher ist eine
KünstlerInnen-Community wohl nur schwer vorstellbar. Wo ich so
"KünstlerInnen-Community" schreibe, fällt mir auch auf, wie ich in
dieser Allgemeinheit das Wort noch nie gehört habe.

Davon abgesehen hatten wir hier auf der Liste schon die
Spaltungslinien diskutiert, die durch den bürgerlichen
Individualitätsbegriff mit seinem Auswuchs "Genie" nahe gelegt werden.
Wobei irrwitzigerweise Kunstproduktion wohl nicht unerheblich von
Zitaten lebt...

Bei einem guten Teil der Kunst sind aber die Produktionbedingungen
nicht so simpel wie bei Freier Software oder anderen digitalen Gütern.
Die Produktionsmittel bestehen eben z.T. aus Verbrauchsmaterial und
die Veröffentlichungschancen hängen nicht unerheblich ebenfalls an
(knappen) materiellen Ressourcen. Insofern spielt die Materialität
hier schon eine größere Rolle. Gut, für Musik sind die Bedingungen
einigermaßen vergleichbar.

gpl-programmier dagegen arbeiten zwar alle auf ihrer mehr oder weniger
kleinen baustelle, aber doch alle gemeinsam am opus magnus, am grossen,
grossen werkzeugkasten in dem man eines tages für jeden zweck die richtige
zange finden wird.
dort kann sich auch jeder gleich bedienen, und das hat sobald das system
einen gewissen reifegrad erreicht hat, massive auswirkungen auf die
motivation etwas beizutragen.
einerseits entsteht motivation weil man dort etwas zurückzugeben will, wo
man etwas bekommen hat, und andererseits weil man zur avantgarde gehören
möchte die das grossen ewig bestehenden werk aufbaut. denn das ist einfach
cool.

Das ist ein sehr wichtiger Aspekt, den ich auch so klar noch nicht
hatte. Ja, es ist schon irgendwie hipp, Freie Software zu schreiben
oder sich anderweitig daran zu beteiligen ;-) .

Andererseits ist das natürlich kein Motiv für die ganz frühen
EntwicklerInnen - na ja, bei denen dürfte der Glaube an die
Erreichbarkeit des Opus Magnus wohl zumindest teilweise vorausgesetzt
werden können (z.B. RMS).

das passiert auch bei wikipaedia und einen ähnlichen effekt möchte jetzt
auch cc hervorrufen.

Ja.

es wird spannend sein zu beobachten in welchen
bereichen es gelingt derartige phänomene auszulösen, aber es ist eben sehr
fraglich ob sich etwa an der produktionsweise von unterhaltungsfilmen etwas
ändern wird.

Ich finde es auch eine interessante Frage, ob sich daran überhaupt
etwas ändern muss. Was wäre eigentlich genau damit gewonnen? Könnte
diese Kulturform nicht auch einfach aussterben?

Es gibt jedenfalls schon einige ganz witzige Ansätze aus dem
Trickfilmbereich. Hatten wir vor einiger Zeit auch schon mal hier auf
der Liste.

in wirklichkeit muss man viel genauer zwischen werkkategorien, bzw.
produktionsumfeldern unterscheiden, wenn man hier sinnvoll intervenieren
will.

Ja. Theoretisierend würde ich mal sagen, dass eben die
Produktionsmittel und deren (Freie) Verfügbarkeit eine große Rolle
spielen. Für Freie Software sind die (materiellen) Produktionsmittel
leicht privat zu haben und die Materialkosten sind nahe Null. Für
BildhauerInnen sieht das z.B. schon ganz anders aus. Musik ist wie
gesagt Software da ähnlicher.

mir fällt dabei immer das beispiel aus dem open-archive diskurs ein: der
kunsthistoriker der zwei jahre alleine in spanischen bibliotheken zubringt
um als ergebnis eine dreihundertfünfzig seiten arbeit über velazquez als
porträtmaler zu produzieren, hat ein anderes verhältnis zu seinem werk als
der mathematiker der für irgendein kniffliges problem einen möglichen
lösungsweg präsentiert, und sehnsüchtig auf das feedback seiner kollegen
wartet.

Ein anderes Verhältnis zu seinem Werk wohl. Aber ich sehe nicht,
inwieweit sich das auf ihr Bedürfnis nach Verbreitung / Feedback
auswirkt. Vielleicht ist die PeerGroup im ersten Fall ein wenig
winzig. Vielleicht ist das der Unterschied.

Es gibt aber auch das Phänomen, dass sich ProduzentInnen in ihr Werk
quasi verlieben. Dann ist jede Modifikation daran ein Sakrileg. Petra
hat das vor langer Zeit mal auf den Punkt gebracht. Aus meiner
Erfahrung kann ich nur sagen: "Release early - release often" ist das
beste Gegenmittel.

selbst der begriff "die wissenschaft" macht also in unserem zusammenhang nur
bedingt sinn. und für lyriker, werbefilmer, und kartographen ist das alles
noch einmal ganz anders. und es hilft dabei nicht wirklich weiter, dass die
produkte ihrer arbeit jeweils durch nullen und einsen dargestellt werden
können.

Es wäre also zu untersuchen, was genau die Digitalität für eine Rolle
spielt. Unerheblich ist sie jedenfalls nicht. Es ist kein Zufall, dass
Freie Software der reinste Ausdruck dieser Digitalität ist. M.E. ein
wichtiger Aspekt, der unter dem Aspekt der Keimförmigkeit eben diese
Katgeorie der Digitalität als wichtig heraus hebt.

wir werden nicht drum rum kommen, die jeweiligen felder der
wissensproduktion mit den ihnen eigene produktionsbedingungen zu
analysieren, und jeweils adäquate lösungsvorschläge zu erarbeiten, die im
endeffekt eine sinnvolle informelle balance im umfeld digitaler netze
garantieren.

Das möchte ich nochmal unterstreichen.

Wobei ich es aber ein wenig vermessen fände, Lösungsvorschläge
erarbeiten zu wollen. Ich bin sicher, dass die entsprechenden
AkteurInnen das bei Bedarf sehr gut selbst können.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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