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[ox] heise online: Münchner Linux-Patentängste: Eigentor oder notwendige Zuspitzung?



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen von "Benni
<benni obda.de>" gesandt. Wir weisen darauf hin, dass die
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Authentizität des Absenders haben, ignorieren Sie diese E-Mail bitte. 
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05.08.2004 09:49

Münchner Linux-Patentängste: Eigentor oder notwendige Zuspitzung?

Die Softwarepatent-Sorgen[1] im Münchner Stadtrat, die zur
Aufschiebung[2] von wesentlichen Teilen des LiMux-Projekts geführt
haben, sind in der Open-Source-Gemeinde heftig umstritten. Pragmatiker
schimpfen inzwischen laut über Skeptiker, die kommende Streitigkeiten
über geschützte Programm-Codes in ihrem Kampf gegen die Einführung
breiter Softwarepatente in der EU instrumentalisieren würden. Während
die eine Seite von einer "Panikreaktion" des Münchner EDV-Amts spricht,
gratuliert ihm die andere zu der "verantwortungsvollen" Entscheidung.
Einig sind sich alle Beteiligten im Lager der freien Software nur, dass
der EU-Rat mit seiner Linie für eine sehr weitgehende Patentierbarkeit
von Computerprogrammen[3] nicht durchkommen darf.

So kritisiert der Linux-Verband (LIVE[4]) den Ausschreibungstopp in
München als eine "Überreaktion auf die aktuelle Patentdebatte". Nähme
man die Befürchtungen der Münchner Grünen ernst, müssten auch die
Anwender proprietärer Software sofort ihren gesamten Betrieb
einstellen. Gleichzeitig begrüßt der LIVE aber die mit dem Schritt
ausgelöste "Zuspitzung der Diskussion". Die Lobbygruppierung hofft,
dass "nun jene Politiker und Großunternehmen endlich Farbe bekennen
müssen, die einerseits Softwarepatente befürworten, andererseits Linux
als Software-Lösung nutzen."

Der Finger richtet sich vor allem auf IBM, auch wenn der Konzern
angesichts jüngster Befürchtungen[5] über eine Patentbedrohung für
Linux zumindest in den USA erklärte, sein Patent-Portfolio nicht gegen
Linux einsetzen zu wollen. Der IT-Riese habe einerseits zwar Linux zu
einem Schwerpunkt seines Software-Angebots gemacht und sich der Stadt
München als Implementierungspartner angeboten, heißt es bei dem
Lobbyverband. Zugleich treibe er aber durch das Engagement seiner
Patent-Abteilung in Wirtschaftsverbänden und der politischen Diskussion
die Softwarepatentierung voran. Auch Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries sei nun gefordert, ihren Zick-Zack-Kurs[6] aufzugeben. Man
könne nicht in Bundesbehörden und im Bundestag freie Software einsetzen
"und zugleich mit Softwarepatenten Linux und die mittelständisch
strukturierte Software-Branche bekämpfen."

Schärfere Worte findet Axel Metzger vom Institut für Rechtsfragen der
Freien und Open Source Software (ifrOSS[7]): Seiner Meinung nach darf
sich die Linux-Community beim Förderverein für eine Freie
Informationelle Infrastruktur (FFII[8]), der mit seiner kurzfristigen
"Patentrecherche Linux-Basisclient München" (PDF[9]) die Alarmstimmung
im Rathaus der bayerischen Landeshauptstadt ausgelöst hat, "für ein
krachendes Eigentor bedanken". Das Papier sei "dünn belegt" und schüre
"völlig unberechtigte Ängste", erklärte er gegenüber heise online. So
befänden sich einige der angeführten Patente wie das
1-Click-Geschenkpatent Amazons noch in der Schwebe -- unter anderem der
FFII selbst habe dagegen einen sehr aussichtsreichen Einspruch beim
zuständigen Europäischen Patentamt eingereicht[10]. Zudem sei aus dem
FFII-Machwerk nicht ersichtlich, ob für München geplante Lösungen
tatsächlich in den Bereich der Patentansprüche fallen würden. Von einem
"unkalkulierbaren Risiko" zu sprechen, wie dies die Münchner Grünen
getan haben, sei daher "unverantwortlich".

Zu guter Letzt, meinte Metzger weiter, sei bislang mit IBM auch ein
Konzern bei den Machbarkeitsstudien dabei gewesen, gegen den sich wohl
kaum ein Inhaber der genannten Patentinhaber auf einen Rechtsstreit
einlassen wolle. Generelle Gefahren sieht der Rechtsexperte aber
kommen: "Die große Zahl von Softwarepatenten der Firma Microsoft gibt
Anlass zu ernster Sorge[11]." Die Redmonder hätten in den vergangenen
Jahren ihre geistigen Eigentumsrechte immer sehr aktiv benutzt, um
Wettbewerber auszuschalten oder klein zu halten.

FFII-Vorstand Hartmut Pilch hält dagegen das Vorgehen der Münchener
Behörden für "wohlbegründet und die davon teilweise ausgelösten
Irritationen und Spekulationen[12] für unverständlich." Es habe bereits
in den letzten Jahren in Schweden und England Fälle[13] gegeben, bei
denen Behörden gegen rechtswidrig erteilte Softwarepatente gerichtlich
vorgehen mussten, um sich den nötigen Freiraum für ihre Arbeit zu
sichern. Jedes Amt müsse solche Risiken kalkulieren und hierfür --
soweit möglich --Versicherungen abschließen. Dies sei in München umso
mehr der Fall, als die Stadtverwaltung auf der Basis freier Software
kleine und mittlere Unternehmen als Lösungslieferanten beauftragen
will. Solche Unternehmen könnten, anders als IBM oder Microsoft, die
Stadtverwaltung nicht vor Patentrisiken schützen. 

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

Münchner Aussetzung der Linux-Migration sorgt für Unruhe[14]
München legt Linux-Projekt wegen der Softwarepatente auf Eis[15]
Versicherung: 283 Patente gefährden Linux[16]
Münchner Grüne sehen Linux-Migration durch Softwarepatente
gefährdet[17]
Ein Interview mit Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und
Ministerialdirektor Elmar Hucko über Softwarepatente, Urheberrecht und
geistiges Eigentum bringt c't in der aktuellen Ausgabe: "Das
Urheberrecht kennt kein Recht auf Privatkopie"[18],  c't 16/2004,
S. 158
Befürchtungen um einen "Patentkrieg" Microsofts gegen Open Source[19]
Patente als potenzielle Waffe Microsofts gegen Open Source[20]
Bitkom gegen Softwarepatent-Umfrage des Wirtschaftsministeriums[21]
Wirbel um Softwarepatent-Umfrage[22]
Gefahr für den IT-Mittelstand[23], Die Softwarepatent-Richtlinie des
EU-Rates erhitzt die Gemüter, c't 13/2004, S. 22
Die Brüsseler Patentschlacht[24], Der Streit um EU-Softwarepatente in
der vorletzten Runde, c't 12/2004, S. 60
Softwarepatentgegner werfen Brüssel Verlogenheit vor[25]
EU-Staaten über Softwarepatente einig[26]
Europaparlament gibt reinen Softwarepatenten einen Korb[27]
 (Stefan Krempl) /
 (jk[28]/c't)

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  [4] http://www.linux-verband.de/
  [5] http://www.heise.de/newsticker/meldung/49672
  [6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/47524
  [7] http://www.ifross.de/
  [8] http://swpat.ffii.org/
  [9] http://www.ffii.org/~blasum/basisclient/swpatmuc.pdf
  [10] http://www.heise.de/newsticker/meldung/43995
  [11] http://www.heise.de/newsticker/meldung/49234
  [12] http://www.heise.de/newsticker/meldung/49759
  [13] http://kwiki.ffii.org/SwpatStatDe
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  [16] http://www.heise.de/newsticker/meldung/49672
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  [18] http://www.heise.de/ct/04/16/158/
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  [23] http://www.heise.de/ct/04/13/022/
  [24] http://www.heise.de/ct/04/12/060/
  [25] http://www.heise.de/newsticker/meldung/47524
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