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Re: [ox] Potsdamer Denkschrift 2005




Hallo Franz,

cr schrieb am 28.10.:
Aber man könnte es auch andersrum betrachten:  Sie erleichtert den
Produzenten enorm den Zugang zu Produktionsmitteln und -Vorlagen,
wovon sie früher nichtmal träumen konnten -- d.h. sie vergrössert
die produktive "Macht" der Produzenten enorm.  Und noch besser:
Sie ermöglicht den Produzenten sogar, sich ___über face2face-groups
hinaus___ _selbst_ zu organisieren!  Damit werden aber die
Predators vollends überflüssig -- ihre frühere Selbstrechtfertigung
"jemand muss Euch doch Kredite geben und Euch koordinieren" entfällt!

ich seh mich nicht mehr wirklich raus in diesem thread aber hab jetzt mal
dieses alte posting aufgemacht.

Tja, wer den Thread nicht gelesen hat, sieht sich nicht mehr wirklich raus.
Aber ich versuch's hier mal direkt zu erläutern...


das ist ein interessantes Argument, das so auch gegen Deine Dichotomie
spricht.
das heißt die Dichotomie wurde von bisherigen Gesellschaftsformen zumindest
mit-erzeugt, sie war "indirekt produktiv".

Umgekehrt wird ein Schuh draus: mit bestimmten Strukturen lassen sich
immer produktivere Ausbeutungsverhältnisse erzeugen. Feudalismus siegt
über Sklavenhaltergesellschaft, Kapitalismus siegt über Feudalismus.

Nein, nein.  Die Produzenten hatten bisher nicht die Mittel und die
Solidarität, gegen die gutorganisierte Macht der Predators anzukommen.
"Produktiv" sind die Ausbeutungsverhältnisse nur insofern, als die
Predators die Produzenten instrumentalisieren, um für sie zu arbeiten.
Das heisst aber nicht, dass die resultierende Gesamtheit produktiver
ist, als sie ohne die Predator-Herrschaft wäre -- im Gegenteil: die
Predator-Herrschaft "verheizt" enorme Produktivkraft in Kriegen, Krisen
und Rüstungsindustrie!  Was hätte z.B. Russland und Deutschland im 20.Jh.
werden und leisten können ohne die elenden Kriege und das Wettrüsten?

"Sklavenhaltergesellschaft -> Feudalismus -> Kapitalismus" ist keine
wirkliche Ablösung, sondern eine "Verfeinerung", wobei das "alte" im
"neuen" weiterbesteht: Z.B. Sklaven und Millionenbauern (Feudalismus)
gibt es auch im Kapitalismus noch.


Das ist übrigens ganz etwas anderes als die von Dir immer wiederholte
Behauptung die Ausgebauteten würden die Ausbeutung verlangen.

Das war nicht meine Behauptung, sondern eine Ad-Absurdum-Führung der
Argumentation von Andreas & Co.:  Er behauptete, alle Menschen würden
gleichermassen die Verhältnisse prägen, und den resultierenden Sachzwängen
seien alle Menschen gleichermassen unterworfen.  Die logische Schluss-
folgerung daraus formulierte ich dann mit "Die Ausgebeuteten zwingen die
Ausbeuter zur Ausbeutung!", um Andreas' Annahmen als falsch zu entlarven.


Ein industrieller Kapitalist ist zugleich "Predator" und "Producer".
Da gibt Deine Dichotomie wenig her!

Jeder Mensch hat grundsätzlich beide Komponenten -- fragt sich nur, wie
stark.  Ob ein bestimmter industrieller Kapitalist eher Produzent oder
eher Predator ist, hängt von vielen Faktoren ab, darunter auch, wie
stark die Predators in der Gesellschaft gerade herrschen.  Ich skizziere
mal die beiden "Extreme":
- Predator-Unternehmer: Ein Anwalt, der mit seinem geerbten Vermögen
  Fabriken gekauft hat und die Angestellten und die Umwelt extrem ausbeutet.
  Inhaltlich versteht er nichts von der Produktion, aber durch seine
  Beziehungen zu anderen grossen Predators und seine rücksichtlosen
  Ausbeutungs- und Schwindel-Methoden läuft sein Geschäft im neoliberalen
  Ultrakapitalismus sehr gut.  Er treibt diverse Producer-Unternehmer in
  die Pleite.
- Producer-Unternehmer: Ein Ingenieur, der durch eigene Erfindungen ein
  innovatives und umweltfreundliches Unternehmen aufbauen konnte.  Er
  bezahlt Produzenten gute Löhne und investiert "Gewinne" in weitere
  Innovation und umweltfreundlichere Verfahren. Das funktioniert nur
  in einem Produzenten-System mit solidarischen Produzenten als Kunden.

Marx wirft beide in den selben Topf! -- als böse "Ruling Class"-Kapitalisten.

=====

HGG schrieb:
Christoph Reuss wrote:
Und kontroverse Konflikte? Und Kompromisse? Vielleicht nach dem Motto:
"Du hilfst mir heute, ich helf dir morgen". Aber was, wenn du morgen
sagst "Ich hab es mir anders überlegt"? Kehren wir zum guten alten
"Vertrag per Handschlag" zurück oder sind da vielleicht doch ein paar
Elemente heutigen Vertragsrechts was Bewahrenswertes?

Wer es sich "morgen anders überlegt", um sich einen Vorteil zu
verschaffen, handelt predatorisch.

Vorteil *ist* ein Terminus der "Predators". Insofern antwortest du auf
meine Frage über's Morgen mit Argumenten des Heute.

Die Predator-Werte wird es auch Morgen noch geben.  Die Frage ist nur,
welche Macht sie dann noch haben werden, und ob sie dann noch belohnt werden.

Meinst du nicht, dass es auch in einer Gesellschaft, in der es nicht
mehr um (eigene) "Vorteile" geht, es sein kann, dass es sich jemand
trotzdem "morgen anders überlegt"? Vielleicht sind ja die Umstände
andere - genauer: haben sich die Umstände nicht so entwickelt, wie
er/sie es gedacht hat? Und der/die Andere sagt: "Das hätte dir aber klar
sein müssen." Oder gleich Rausreden: "Das hast du gaaanz falsch
verstanden." Weiter?

Interessenkonflikte wird es immer geben.  Ohne die Machtkonzentration
der "Kriegsgewinnler" (Predators) aber viel weniger stark.  Produzenten
--auch Dritte, aber nicht als "lachende Dritte" wie die Anwälte-- können
Konflikte besser vermitteln, da es ihnen um die Sache geht statt um
Bereicherung und Machtspielchen.

Gruss,
Christoph



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