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Re: [ox-de] Minderheit und Mehrheitshegemonie



Am Donnerstag, 24. August 2006 21:17 schrieb Christoph Reuss:
Schön, dass Jacob das Europa-Magazin entdeckt hat (passt doch irgendwie
garnicht zur SVP..).  Falsch ist allerdings u.a. Jacob's Kommentar...

Dies Magazin kenne ich seit Jahren. Immerhin war ich in meiner Hamburger
Zeit in den entsprechenden Initiativen für mehr Demokratie aktiv.

Und wie in der Schweiz sind in 24 Staaten Referenden
wie in der Schweiz möglich.

Eben nicht wie in der Schweiz, denn hier gibt es _landesweite_ Referenden.
Was auch nötig ist für eine direkte Demokratie, denn gerade die wichtigen
Themen liegen auf der nationalen Ebene.  Aber in USA Fehlanzeige.
Dort bestimmt Dubya's (laut Jacob bedeutungslose) Zentralregierung, ohne
Anfecht-Möglichkeit durch Referenda.  Komisch, die "Kopie" ist besser
als das "Original"...?

Schön - da zitiere ich aus dem Europamagazin - und schon wird ein
Kommentar daraus gemacht. Aber das hat ja bei Dir Tradition.

Allerdings gab es zur Zeit Jeffersons ein Bundesstaaten übergreifendes
Referendum - wie der Artikel des Europamagazins vermerkt. Also nicht
"Aber in USA Fehlanzeige" sondern allenfalls "Aber in USA heute Fehlan-
zeige". Und Du scheinst übersehen zu haben, daß die Initiativen für ein
Referendum in verschiedenen Staaten antreten.

Ist es da so vermessen, von einer längeren direkt-demokratischen
Tradition in den USA als in der Schweiz auszugehen?

Nach Jacob's Äpfel-Birnen-"Vergleicherei" begann diese Tradition in der
Schweiz schon im 13. Jahrhundert.  Tja, das war offenbar von den Indianern
abgekupfert (wozu denn bis 1492 warten?) und von Thomas Jefferson
persönlich vermittelt.

Genau - mit diesem mystischen Wihelm Tell, über dessen Leben sich die
Forschung bis heute streitet (hat er überhaupt gelebt oder ist er eine 
Erfindung der Volksmärchen und Sagen?). Und überhaupt - wer den Mythos
der schweizer Nationalisten in Abrede stellt und die richtigere Bezeichnung
der Demokratie der Schweiz vor 1798 als herrschende Oligarchie(n) einführt,
der vergleicht Äpfel mit Birnen und setzt sich für den schweizer Mythos ein.

So als hätten die gegen die Junker zu Felde ziehenden Bauern Dokumente
geschaffen, die um ein vielfaches revolutionärer und ihrer Zeit vorauseilend
wären als die verbrieften Rechte von Köln oder Lübeck des 13. Jahrhunderts
oder Englands den König beratenden Ständerates. Und als hätten die Bauern
der schweizer Urgemeinden die allgemeinen Menschenrechte eingefordert
und nicht nur ihre eigene Freiheit und die ihrer Nachbarn im Auge gehabt -
d.h., das Previleg der Freiheit für ihre Dörfer eingefordert, von der Macht 
des Adels freigestellt zu sein, ja, wie der Adel Söldner anzuwerben und 
andere Dörfer und Städte zu erobern und die dortigen Menschen zu Fron-
Diensten zu zwingen ( ganz so, wie es die Politik z.B. Lübecks im 13. und
14. Jahrhundert war!). 

Kein Schweizer dieser Zeit sah in einem Bewohner der eroberten Gebiete einen 
Menschen, dem die gleiche Freiheit und die gleichen Rechte zuzuerkennen wären 
wie man selbst als Bewohner eines der Dörfer der Urschweiz praktizierte - wie
ein Lübecker oder Kölner damals seine Rechte und Freiheiten als Stadtbewohner
mit einem Bewohner verpfändeter Gemeinden auf Gotland nicht teilen mochte.
Freiheitsforderungen und gewährte oder erzwungene Rechte gegenüber dem
Adel und/oder den Königen und Kaisern betrafen die eigene sozio-ökonomische
Gruppe, nicht alle Menschen. Sogar die Leveller - die radikalste Gruppe der
Puritaner Englands in der sogenannten puritanischen Revolution - foderten das
allgemeine Wahlrecht - für Land oder Geld Besitzende, keinesfalls jedoch für
Mittellose, Betler und ihre Dienerschaft (seinerzeit 60% der englischen 
Gesamtbevölkerung!). 

Allgemeine Menschenrechte gab es in der Schweiz erst nach 1798 - davor eine
Vielzahl von Aufständen rechtloser Schweizer gegen ihre herrschenden 
schweizer Oligarchien wie z.B. die Urgemeinden.

Jacob
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Kontakt: projekt oekonux.de



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