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[ox-de] Manifest: Gemeingüter stärken. Jetzt!



URL: http://www.keimform.de/2009/07/09/manifest-gemeingueter-staerken-jetzt/

Das folgende Manifest ist Ergebnis eines anderthalbjährigen Prozesses, in
dem sich Dutzende von Beteiligten aus Politik, Gewerkschaften,
Wissenschaft, der Freien-Kultur- und -Software-Bewegung, der
Umweltbewegung, der Wirtschaft sowie Kunst und Kultur mit den Gemeingütern
und ihrer Bedeutung für die Menschheit auseinandergesetzt haben. Es ist im
Rahmen des ~Interdisziplinären Politischen Salon "Zeit für Allmende"
<http://commonsblog.wordpress.com/politischer-salon/> entstanden, der an
der Heinrich-Böll-Stiftung <WPde> angesiedelt war.

Auch das im Frühjahr verabschiedete ~"Manifest zur Wiedergewinnung der
Gemeingüter"
<http://www.keimform.de/2009/03/17/manifest-zur-wiedergewinnung-der-gemeingueter/>
des Weltsozialforum macht sich für die Gemeingüter stark. Das Potsdamer
Gemeingütermanifest geht darüber hinaus, indem es detaillierter und meiner
Meinung nach sehr prägnant herausarbeitet

- warum Gemeingüter gerade in Krisenzeiten einerseits besonders wichtig und
  andererseits besonders bedroht sind,
- wie vielfältig die gemeingüterorientierten Communities und Bewegungen
  sind -- und wie viel sie doch gemeinsam haben,
- was Gemeingüter ausmacht und wie eine gemeingütergerechte Gesellschaft
  aussehen könnte.

An dem Text haben mehrere Dutzend Menschen mitgewirkt (siehe die
Unterzeichnerliste), teils in einem intensiven zweitätigen Diskussions- und
Arbeitssalon in Potsdam und teils per E-Mail. Ein besonderer Dank gebührt
aber Silke Helfrich vom Commonsblog <http://commonsblog.wordpress.com/>,
die nicht nur den Politischen Salon initiiert hat, sondern auch die
Koordination des gesamten Prozesses und die Schlussredaktion des Texts
übernommen hat. Ohne Silke hätte es dieses Manifest nie gegeben.

Es folgt der komplette Text des Manifests, das ~im Commonsblog
<http://commonsblog.wordpress.com/2009/07/08/streiten-fur-gemeinguter-jetzt/>
auch als ~schön layoutetes 4-seitiges PDF
<http://commonsblog.files.wordpress.com/2009/07/gemeinguetermanifest.pdf>
verfügbar ist.

GEMEINGÜTER STÄRKEN. JETZT!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

  | "Gemeingüter sind Räume, in denen wir frei sind."
  | Yochai Benkler

Wie die Krise das Netz unserer Gemeingüter sichtbar macht
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Die Explosion von Wissen, Technologie und Produktivität ermöglichte in den
vergangenen zweihundert Jahren eine nie gesehene Mehrung privaten
Reichtums. Dies hat unsere Lebensqualität in vielerlei Hinsicht verbessert.
Doch zugleich haben wir zugelassen, dass die Quellen versiegen und der
gesellschaftliche Reichtum schwindet. Das führen uns die vielfach
miteinander verbundenen Krisen vor Augen. Die Krise der Finanzen, der
Wirtschaft, der Ernährung, der Energie und der ökologischen
Lebensgrundlagen. Sie schärfen das Bewusstsein für die Existenz und die
Bedeutung der Gemeingüter. Natürliche Gemeingüter sind notwendig für unser
Überleben, soziale Gemeingüter sichern den Zusammenhalt und kulturelle
Gemeingüter sind Bedingung für unsere individuelle Entfaltung. Es ist an
der Zeit, unseren Enthusiasmus und unsere Kreativität, unsere Mittel und
Talente auf die Mehrung des gemeinschaftlichen Reichtums zu konzentrieren.
Wir müssen die Strukturen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Blick
auf dieses Ziel verändern.

**Mehr gesellschaftlicher Wohlstand statt mehr Bruttoinlandsprodukt!** Wenn
die Wachstumskurve knickt und das Bruttoinlandsprodukt sinkt, erscheint uns
dies bedrohlich. Doch die Erscheinung trügt. Das Bruttoinlandsprodukt
bildet lediglich Produktionszahlen und Geldflüsse ab, egal ob diese mit der
Herstellung von Dingen verbunden sind, die wir zum Leben brauchen oder mit
der Zerstörung derselben. Gesellschaftlicher Wohlstand wird dadurch nicht
erfasst. Eine Minderung des Bruttoinlandsprodukts ist nicht unbedingt mit
einer Minderung des wirklichen Reichtums einer Gesellschaft verbunden. Dies
zu erkennen, weitet den Blick.

**Gemeingüter bieten Wege aus der Krise, aber sie haben keine systematische
Anwaltschaft.** Es gibt in unserer Sprache nicht einmal einen machtvollen
Begriff für sie. Diese Wortmeldung ist unser Beitrag, den Gemeingütern eine
Stimme zu geben.

Was Gemeingüter ausmacht und warum sie wesentlich sind
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

**Gemeingüter (Commons, Allmende) sind vielfältig. Sie sind Grundbestand
und Voraussetzung unseres gemeinschaftlichen Reichtums.** Dazu gehören
Wissen und Wasser, Saatgut und Software, Kulturtechniken und die
Atmosphäre. Gemeingüter sind unabdingbar, doch sie sind kein Ding, denn sie
sind mit uns in vielfältiger Art und Weise verbunden. Sie bilden das Netz
einer freien Gesellschaft.

**Gemeingüter gehören keinem Einzelnen, aber auch nicht niemandem.** Sie
werden in unterschiedlichen Gemeinschaften, von der Familie bis zur
Weltgesellschaft, geschaffen, erhalten, gepflegt und immer wieder neu
definiert. Wenn dies nicht geschieht, verkümmern sie. Mit ihnen schwindet
unsere Lebenssicherung. Gemeingüter sind Bedingung dafür, dass Menschen
leben und sich entfalten können. Die Vielfalt der Gemeingüter bedeutet
Zukunft.

**Gemeingüter sind Grundlage jeden Wirtschaftens.** Sie müssen deshalb auch
Ergebnis unseres Tuns sein. Wir müssen Gemeingüter ständig reproduzieren,
denn wir verwenden überliefertes Wissen und verfügbare Rohstoffe zur
Herstellung von Konsumgütern, für Kultur und Bildung. Unser Sozialwesen
bettet den Wirtschaftsprozess in das gesellschaftliche Zusammenleben ein.
Raubbau an den Ressourcen, Scheitern von Bildung, fehlende Kreativität oder
dauerhaft gefährdete soziale Bindungen beeinträchtigen das Gesamte. Ohne
vitale Gemeingüter, ist keine Produktion möglich. Unternehmen können ohne
Gemeingüter kein Geld verdienen.

**Gemeingüter werden oft verdrängt -- erst aus dem Leben selbst, dann aus
unserem Bewusstsein.** Ein Grund für diese Erosion ist das Beanspruchen
eines grenzenlosen Verfügungsrechts Einzelner über die Dinge. Doch wo faire
Nutzungsrechte von Wasser und Saatgut im ökonomischen Kalkül oder durch
staatliche Willkür beschnitten werden, wo Raubbau unser natürliches Erbe
zerstört, wo Bresche um Bresche in öffentliche Räume geschlagen wird, wo
Patentierung von Software Kreativität und Wirtschaft beschränkt, wo
verlässliche Netze fehlen, da nehmen Abhängigkeit und Unsicherheit zu.

Es gibt etwas Neues. Eine gesellschaftliche Bewegung!
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Es ist eine Bewegung, die Aufhebenswertes erinnert. Eine Bewegung, die
würdevolles Leben erkämpft und Neues schafft. Eine Bewegung, die den
Horizont dessen zeichnet, was in einer Kultur der Gemeingüter möglich ist.

**Gemeingüter werden wiederentdeckt und verteidigt.** Menschen in aller
Welt wehren sich gegen die Risse im Netz, das sie trägt: Gegen Staudamm-
und Bergbauprojekte, die Leben und Land zerstören. Gegen ein Wirtschaften,
das dem Klimawandel Vorschub leistet. Gegen das Zwängen von Bildungsund
Gesundheitseinrichtungen in profitorientiertes Denken. Gegen die
Manipulation unseres Erbguts und die überzogene Einschränkung unseres
Zugangs zu Wissen und Kultur. Die Menschen beanspruchen das, was ihnen
zusteht: sei es als Bürgerinitiative für die Rückgewinnung der kommunalen
Wasserversorgung, als indigene Gemeinschaft im Amazonasbecken oder als
weltumspannende Bewegung für Klimagerechtigkeit und ein freies Internet.

**Gemeingüter werden neu geschaffen und aufgebaut.** Unzählige Menschen
schaffen Neues für alle und beziehungsreiche Orte für sich. Sie investieren
Energie in interkulturelle Gärten, betreiben nachhaltigen und ökologischen
Landbau oder entwerfen intergenerationelle Wohn- und Arbeitsprojekte. Sie
erstellen freie Software und freies Wissen, schaffen freie Filme, Musik und
Bilder. So entsteht ein für alle verfügbarer Schatz an freier Kultur.
Gepflegt und erweitert von vielen, unverzichtbar wie die Wikipedia.
Wissenschaftler und Aktivistinnen, Bürger und Politikerinnen entwickeln
neue Ideen für eine robuste Sphäre der Gemeingüter -- überall.

**Gemeingüter werden gepflegt und kultiviert.** Menschen unterhalten
Nachbarschaftseinrichtungen in ihrem Stadtteil, betreuen Spielplätze,
gründen Bürgerstiftungen, überliefern und erweitern Kulturen, Geschichten
und Erinnerungen. Sie engagieren sich für das Gemeinwohl und nehmen den
Staat in die Pflicht. Dafür bekommen sie etwas zurück, denn in einer Kultur
der Gemeingüter leben, heißt geben und nehmen. Das begründet Rechte und
Pflichten zugleich. Der Einsatz für unseren gemeinschaftlichen Reichtum
wird getragen von der Erkenntnis, dass die gegenwärtige Form des
Wirtschaftens unsere Lebensgrundlagen gefährdet. Dieser Einsatz entspricht
dem Wunsch nach Kreativität und Inspiration, nach Selbstentfaltung in
sozialen Beziehungen, nach Achtsamkeit und gegenseitiger Anerkennung. Es
geht um Einfaches: Um das Bedürfnis voneinander zu lernen und die Dinge
vortrefflich um ihrer selbst Willen zu gestalten.

**Gemeingüter inspirieren und verbinden.** Sie zu berücksichtigen erfordert
einen grundsätzlich anderen Ansatz im Erkennen und Handeln. Gemeingüter
beruhen auf Gemeinschaften, die sich kümmern, eigene Regeln setzen, ihre
Fertigkeiten und Wertvorstellungen ausbilden. In diesen immer neuen,
durchaus konfliktreichen Prozessen entsteht Einbindung in das jeweils
Größere. In einer Kultur der Gemeingüter ist Einschluss wichtiger als
Ausschluss, Zusammenarbeit wichtiger als Konkurrenz, Autonomie wichtiger
als Kontrolle. Aus der Absage an Monopolisierung von Informationen,
Reichtum und Macht entsteht Vielfalt immer wieder neu. Natur erscheint
nicht als allseits verfügbares Eigentum, sondern als gemeinsame
Lebensgrundlage.

**In einer Kultur der Gemeingüter leben meint:** Gegenseitige Verantwortung
anstatt Herrschaftsethik, Fairness und Gerechtigkeit anstatt einseitige
Nutzenoptimierung, wechselseitige Abstimmung anstatt Alleingang.

**Es geht um die großen Gerechtigkeitsfragen unserer Zeit.** Niemand darf
den Gemeingütern mehr entnehmen, als er an sie zurück gibt. Das gilt für
Marktteilnehmer wie für den Staat. Wer die Gemeingüter füllt, anstatt nur
aus ihnen zu schöpfen, verdient Prestige und gesellschaftliche Anerkennung.
Das Handeln der Wirtschaft, des Staates und des einzelnen Menschen den
Gemeingütern zu verpflichten, muss zur Grundlage wirtschaftlichen,
politischen und persönlichen Erfolgs werden.

Weder Niemandsland noch schrankenloses Eigentum
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

**Für Gemeingüter ist nicht allein die Rechtsform des Eigentums
entscheidend.** Entscheidend ist, ob und wie gemeinschaftsorientierte
Nutzungsrechte an Gemeingütern durchgesetzt und gesichert werden. "Eigentum
verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit
dienen" (Art 14 Abs. 2 GG). Diese im Grundgesetz verankerte Einschränkung
benennt die Grenzen der Verfügbarkeit des Einzelnen an unserem
gemeinschaftlichen Reichtum. Denn jede individuelle Nutzung beinhaltet auch
die Nutzung dessen, was uns gemeinsam zugehörig ist. Mit meinem
Mobiltelefon funke ich durch das elektromagnetische Spektrum. Mein Auto
belastet unsere Luft. Ein markanter Einfall kennzeichnet mein Werk, doch
ich schöpfe es auch aus dem öffentlichen Wissensfundus. Die Nutzungsrechte
der Allgemeinheit sind Stoppschilder für individuelle Nutzungsrechte.

**Exklusive, andere ausschließende private Eigentumsrechte an Gemeingütern
kann es daher nicht geben.** Egal, ob die entsprechenden Dinge materieller
oder immaterieller Natur sind; ob sie der natürlichen, kulturellen oder
sozialen Sphäre zugehören. Um Übernutzung und Unternutzung -- die
dramatische Plünderung der Fischbestände oder das Verwaisen von Werken --
zu vermeiden, ist jegliche Eigentumsform mehr denn je an zwei Bedingungen
zu messen:

- Zum einen muss bei jeder Nutzung gewährleistet sein, dass Gemeingüter
  nicht in ihrem Bestand zerstört oder verbraucht werden.
- Zum anderen muss gewährleistet sein, dass niemand, der
  anspruchsberechtigt oder auf die jeweiligen Gemeingüter angewiesen ist,
  von Zugang und Nutzung ausgeschlossen wird.

Zugang und Nutzung sind deshalb so zu gestalten, dass Gemeingüter bewahrt
und gepflegt, sowie weiterentwickelt werden können. **Dies sind die
Prinzipien der gerechten Teilhabe und der Nachhaltigkeit.**

**Was öffentlich war oder öffentlich finanziert ist, muss öffentlich
zugänglich bleiben.** Nur so kann etwa die vom Gemeinwesen getragene
Forschung allen dienen. Es gibt keinen überzeugenden Grund, Verleger oder
Pharmakonzerne mit exzessiven und exklusiven Verwertungsrechten an
öffentlichen Forschungsergebnissen auszustatten. Dennoch geschieht es. Das
Ergebnis: der Allgemeinheit nahezu unzugängliche wissenschaftliche
Zeitschriften und überteuerte Preise für lebenswichtige Medikamente. Die
Alternativen entstehen aus der Bewegung für Gemeingüter. Das belegen
zahlreiche Projekte für gerechtere Lizenz- und Anreizmodelle in
Wissenschaft und Kultur.

**Die Besinnung auf Gemeingüter zwingt zu einer grundsätzlichen
Neuausrichtung des herrschenden Eigentumsbegriffs.** Die
verwertungsorientierte Verfügung über Gemeingüter hat gravierende Nachteile
für die Mehrheit der heute und morgen lebenden Menschen. Das zeigen der
Klimawandel und der erschöpfende Verbrauch natürlicher Ressourcen ebenso
wie die Finanzwirtschaft, deren Profitstreben sich verselbständigt hat.
Unsere Lebensqualität wird aber auch dadurch eingeschränkt, dass Wissen
exzessiv kommerzialisiert und künstlich verknappt wird. So erstarren unsere
Kulturgüter zur Ware und Werbung besetzt den öffentlichen Raum.

**Gemeingüter sind Grundlage des Lebens im doppelten Sinne. Ohne natürliche
Gemeingüter kein Überleben. Ohne kulturelle Gemeingüter kein Mensch-Sein.**
Alle sind von den hier aufgeworfenen Fragen unmittelbar berührt. Die
Unternehmen brauchen Gemeingüter, um in Zukunft noch Geld zu verdienen. Wir
alle brauchen sie zum (Über-)Leben. Das ist eine wesentliche Erkenntnis,
sie begründet, warum bei Gemeingütern die Nutzungsrechte der Allgemeinheit
immer höher zu bewerten sind als die Nutzungsrechte privater Unternehmen.
Hier hat der Staat eine Schutzpflicht, aus der er nicht entlassen werden
darf. Doch dies bedeutet nicht, dass der Staat immer der beste Treuhänder
für die Interessen der betroffenen Menschen ist. Die Herausforderung
besteht darin, ergänzende Institutionen und Organisationsformen sowie
innovative Zugangs- und Nutzungsregeln für Gemeingüter durchzusetzen --
nicht nur, aber auch jenseits von Markt oder Staat: "Zum Wohle der
Allgemeinheit".

Für eine Gesellschaft, in der Gemeingüter gedeihen
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

**So verschieden die Gemeingüter und die Menschen, so verschieden die
Organisationsformen der Nutzergemeinschaften.** Sie begegnen uns überall:
selbstorganisiert und vielgesichtig. Als Vereine, private Agenturen,
Netzwerke, Kooperativen, Genossenschaften und treuhänderische
Organisationen. Als überschaubare Hofgemeinschaft oder internationale Freie
Software Bewegung. Ihre Regeln und ihre Ethik erwachsen aus den
Bedürfnissen und den Organisationsprozessen der jeweils Betroffenen. Wer
einem Gemeingut direkt verbunden ist, sollte an der Aushandlung und
Umsetzung dieser Regeln beteiligt werden.

**Vertretungen der Gemeingüter haben nicht ein Zentrum, sondern viele
Zentren.** Wir brauchen sie lokal, regional und global. Konflikte können in
übersichtlichen Gemeinschaften und Gemeingütersystemen direkt geklärt
werden. Doch für globale Gemeingüter können sie eine fast unlösbare
Herausforderung darstellen, denn wo kommt die "Weltgemeinschaft" wirklich
zusammen? Wie soll sie sich auf die nachhaltige Nutzung ihrer
gemeinschaftlichen Ressourcen einigen? Je komplexer das System, umso
notwendiger ein institutioneller, transparenter Rahmen für den sorgsamen
Umgang mit Gemeingütern. Wo der Staat dies leistet und Gemeingüter schützt,
wird staatliches Handeln von der Gesellschaft getragen werden.

**Gemeingüter brauchen mehr als nur Regeln.** Wir müssen uns bewusst
machen, dass Regeln die Kunst ihrer sachgerechten Anwendung voraussetzen.
Gemeingüter werden getragen von einem spezifischen Ethos sowie vom Willen
zum Erwerb und zur Weitergabe unzähliger Fertigkeiten. Diese besondere
Kundigkeit braucht einen angemessenen Platz in unserer Gesellschaft. Eine
Kultur der Gemeingüter beinhaltet deshalb die öffentliche Wertschätzung und
die aktive finanzielle und institutionelle Förderung jener Ansätze und
Projekte, die Wissen und Werte für eine lebendige Gemeingütersphäre
vermitteln.

**Konflikte sind Teil der Vielfalt und ständigen Reproduktion der
Gemeingüter.** Ergänzend zu rechtsstaatlichen Verfahren setzt
Konfliktschlichtung hier institutionelle Neuerungen voraus; Zukunftsräte
und Mediationsstellen, interdisziplinäre Netzwerke und Treuhänder. Sie alle
entstehen nach Bedürfnis- und Konfliktlage immer wieder neu. Gemeinsam ist
ihnen, dass sie in erster Linie eines leisten müssen: den Gemeingütern eine
starke Stimme verleihen!

**Sich der Gemeingüter besinnen heißt:** unsere Lebensbedingungen bewusst
zu machen und auf allen Ebenen zu erforschen, wieviel Produktivität und
Reichtum wir aus den Gemeingütern schöpfen. Es erfordert ein grundständiges
Nachdenken über die Verfasstheit der Gesellschaft. Es heißt, in Freiheit
und selbstbestimmt unseren gemeinschaftlichen Reichtum nutzen, teilen und
mehren. Das ist viel Arbeit, doch zugleich eine große Bereicherung.

**Unsere Gesellschaft braucht eine große Debatte und eine allgegenwärtige
Bewegung für Gemeingüter. Jetzt!**

  | *Dr. Frank Augsten* (Bündnis 90/Die Grünen, Landessprecher Thüringen)
  | *Petra Buhr* (Wissenallmende-Report.de)
  | *Dr. Hans-Joachim Döring* (Beauftragter der EKM für Entwicklung und
    Umwelt)
  | *Prof. Dr. Ulrich Duchrow* (Theologie, Universität Heidelberg)
  | *Fritjof Finkbeiner* (Global Marshall Plan Initiative)
  | *Lili Fuhr* (Heinrich-Böll-Stiftung)
  | *Andrea Goetzke* (newthinking communications)
  | *Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald* (Schweisfurth-Stiftung)
  | *Jörg Haas* (Klimaschutzexperte)
  | *Benedikt Härlin* (Zukunftsstiftung Landwirtschaft)
  | *Hermann Graf Hatzfeldt*
  | *Silke Helfrich* (Bildungsreferentin, Publizistin)
  | *Kathrin Henneberger* (Grüne Jugend)
  | *Gregor Kaiser* (Sozialwissenschaftler, Forstwirt)
  | *Dr. Wolfgang Kessler* (Chefredakteur Publik Forum)
  | *Prof. Dr. Rainer Kuhlen* (Informationswissenschaft, Universität
    Konstanz)
  | *Julio Lambing* (e-5 European Business Council for Sustainable Energy)
  | *Berthold Lange* (Freiburger Kantstiftung)
  | *Prof. Dr. Bernd Lutterbeck* (Technische Universität Berlin)
  | *Annette Mühlberg* (Netzwerk Neue Medien, nnm)
  | *Rainer Rehak* (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie)
  | *Prof. Dr. Wolfgang Sachs* (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und
    Energie)
  | *Jill Scherneck* (Heinrich-Böll-Stiftung)
  | *Christoph Schlee* (Netzwerk Grundeinkommen)
  | *Dr. Christian Siefkes* (Softwareentwickler, Autor)
  | *Malte Spitz* (Mitglied des Bundesvorstandes Bündnis 90/Die Grünen)
  | *Prof. Dr. Ulrich Steinvorth* (Philosoph, Universität Bilkent)
  | *Dr. Antje Tönnis* (GLS Treuhand)
  | *Barbara Unmüssig* (Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung)

Das Thesenpapier entstand in kollektiver Autorenschaft im Rahmen des
Interdisziplinären Politischen Salons der Heinrich-Böll-Stiftung "Zeit für
Allmende" 2[PHONE NUMBER REMOVED].

Dieses Werk wird unter den Bedingungen der ~"Creative Commons
Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen Deutschland" Lizenz
<http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/> (abgekürzt "CC-BY-SA")
in der Version 3.0 veröffentlicht. Die Vervielfältigung, Verlinkung und
schöpferische Fortentwicklung dieses Dokuments ist ausdrücklich erwünscht.

Kontakt: Silke Helfrich, E-Mail: Silke.Helfrich gmx.de


Herzliche Grüße
	Christian

-- 
|-------- Dr. Christian Siefkes --------- christian siefkes.net ---------
|   Homepage: http://www.siefkes.net/   |   Blog: http://www.keimform.de/
|   Better Bayesian Analysis:           |   Peer Production Everywhere:
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Der Erzfeind der Freiheit ist die Angst.
        -- Alexander S. Neill



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