[ox-de-raw] keimform.de: RFC*: Universalgut
- From: Stefan Meretz <stefan.meretz hbv.org>
- Date: Mon, 22 Jan 2007 22:06:34 +0100
http://www.keimform.de/2007/01/22/rfc-universalgut/
RFC*: Universalgut
Von StefanMz, 22. Januar 2007, 21:55 Uhr
Ich schreibe gerade an einem Artikel für das nächste Krisis-Heft
[http://www.balzix.de/Voranzeige-krisis-31.html]. In Diskussion mit der
Redaktion bin ich auf ein terminologisches Problem gestoßen: Sind
_Universalgüter_ und _Allgemeingüter_ das selbe? Im folgenden versuche
ich den Begriff des Universalguts entsprechend eines Vorschlags von
Ernst Lohoff zu fassen. Kritik und Hinweise willkommen!
*RFC: Request for comments
Gesellschaftlich genutzte Güter lassen sich hinsichtlich der drei
Dimensionen _stoffliche Beschaffenheit_, _Nutzungsweise_ und
_gesellschaftliche Form_ begrifflich unterscheiden.
Bei der _stofflichen Beschaffenheit_ geht es um den Unterschied von
stofflichen und nicht-stofflichen Gütern. Stoffliche Güter besitzen
eine physische Gestalt, ihre Gebrauchsfähigkeit drückt sich darin aus.
Sie können folglich auch verbraucht oder vernichtet werden, was das
Ende der gebrauchsfähigen physischen Gestalt zur Folge hat.
Nicht-stoffliche Güter besitzen keine physische Gestalt, sie brauchen
gleichwohl einen physischen Träger (bei Dienstleistungen: Erbringer),
um existieren zu können. Nicht-stoffliche Güter können nicht verbraucht
und nur dann vernichtet werden, wenn alle physischen Träger vernichtet
werden.
Bei der _Nutzungsweise_ geht es um den praktischen Vollzug der Nutzung
des Guts und die Konsequenzen. Hierbei sind zwei Aspekte zu
unterscheiden: Ausschließbarkeit und Rivalität. Güter sind in der
Nutzung dann ausschließbar (=exklusiv), wenn die Nutzung nicht allen
möglich ist. Sie ist nicht ausschließbar (=inklusiv), wenn die Nutzung
des Guts potenziell allen offen steht. Güter sind in der Nutzung
rival(isierend), wenn die Nutzung durch die einen die Nutzung durch
andere einschränkt oder verhindert. Sie sind nicht-rival(isierend),
wenn ihre Nutzung keine Nutzungseinschränkung für andere zur Folge hat.
Bei der _gesellschaftlichen Form_ geht es um den Unterschied von Waren
und Nicht-Waren sowie um die Frage, ob es sich bei dem Gut um
Privateigentum, Allgemeineigentum oder um ein freies Gut handelt. Waren
sind solche Güter, die nicht für den eigenen Verbrauch, sondern für den
Tausch zum Zwecke des Verkaufs hergestellt wurden. Nicht-Waren sind
solche Güter, die nicht getauscht, sondern nur weitergegeben, genommen
oder selbst genutzt werden. Das Privateigentum ordnet eine Sache einer
natürlichen oder juristischen Person zu. Allgemeineigentum (früher
auch: Allmende) ist heute in der Regel staatliches Eigentum und als
solches frei zugänglich (öffentliche Güter). Sonderfälle sind nicht
frei zugängliche staatlich verwaltete Privatgüter. Freie Güter
schließlich sind nicht-eigentümliche Güter ohne Zugangsbeschränkung.
Die beschriebenen drei Dimensionen lassen sich nun in verschiedener
Kombination realen Gütern zuordnen. Hier ist nicht der Ort, die
Möglichkeiten durchzugehen. Was hier interessiert, ist die These, dass
Informations-, Wissens- und Kulturgüter mit dem Begriff des
Allgemeinguts nicht ausreichend erfasst sind, da sie sich von
Allgemeingütern derart abheben, dass ein eigener Begriff (hier
vorgeschlagen: »Universalgut«) gerechtfertigt ist.
Welches sind die Eigenschaften von Allgemein- und Universalgütern und
wie unterscheiden sie sich?
_Allgemeingüter_ sind stofflicher Natur. Sie sind entweder rivalisierend
im Gebrauch (etwa: Wasser) oder nicht-rivalisierend (etwa: Deich),
jedoch stets nicht-exklusiv im Zugriff. Nicht-stoffliche Allgemeingüter
werden hingegen als Universalgüter bezeichnet (siehe nächster Absatz).
Stoffliche Allgemeingüter können nicht Waren sein. Öffentliche Güter
sind staatliche erzeugte und unterhaltene Allgemeingüter. Sie können
steuerfinanziert oder mit einer Gebühr belegt sein. Schließlich können
Allgemeingüter freie Güter sein (etwa: Luft).
_Universalgüter_ sind nicht-stofflicher Natur, nicht-exklusiv und
nicht-rivalisierend im Gebrauch, aber paradoxerweise können sie zum
Verkaufsgut werden. Dies ist dann möglich, wenn der Zugriff auf das
eigentlich nicht-exklusive Universalgut eingeschränkt oder verhindert
wird – etwa durch Drohung mit rechtlichen Sanktionen oder dem
Universalgut äußerlich hinzugefügten technische Zugangsbeschränkungen.
Wird der Gebrauch von Allgemeingütern exklusiviert, dann werden daraus
Privatgüter, also Güter im Privateigentum, die Waren sein können. Wird
der Gebrauch von Universalgütern exklusiviert, dann bleibt der
Charakter als Universalgut erhalten. Während also das
Adjektiv “allgemein” bei Allgemeingütern auf ihre nicht einschränkbare
Nutzung abzielt, beschreibt das Adjektiv “universell” bei
Universalgütern die genuinen Eigenschaften des Gutes selbst.
Bei der hier vorliegenden Fassung von Allgemeingut und Universalgut sehe
ich (mindestens) zwei Probleme bzw. offene Fragen:
* Terminologisch: Die Worte Allgemeingut und Universalgut sind
eigentlich Synonyme und als solche nicht wirklich geeignete Träger
der unterschiedlichen Bedeutungen. Gibt es dafür bessere Bezeichner?
* Inhaltlich: Wenn Universalgüter Verkaufgüter sein können, sind sie
deshalb auch Waren?
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