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[chox] Fwd: [H.R.] [ox] United Speichellecker




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Date:  Wed, 13 Nov 2002 10:17:24 [PHONE NUMBER REMOVED]
From:  Horibbeck t-online.de (H.R.)
Subject:  [ox] United Speichellecker
To:  2kr opentheory.org, list48 yahoogroups.de, liste oekonux.de
References:  <8$mZhK3uNgB fau.org>
Message-Id:  <18BteG-1NMJGqC fwd00.sul.t-online.com>

Passend zur United-Speichellecker-Resolution (Irak)
leite ich folgenden Text weiter.

Liebe Leut, 
ich schick dieses Ding an eine ganze Menge meiner Adressen, an Leute, von denen 
ich denke, sie könnten sich für solche Gedanken interessieren, auch wenn sie mir 
vielleicht bis wahrscheinlich nicht zustimmen werden. Für Reaktionen bin ich 
dankbar. Sollte es jemand für Spam halten und sich belästigt fühlen, mög er/sie 
es mir bitte mitteilen - soll nimmer vorkommen.
Liebe Grüße
Lorenz Glatz
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Warum läuft Herr B. Amok?
Gedanken über die Logik von Krieg und Terror und über den Bruch mit ihr
(von Lorenz Glatz) 
Werner Fassbinder hat 1969 den Film "Warum läuft Herr R. Amok?" gedreht. Darin 
erwächst der abschließende Amoklauf aus dem normalen Alltag, aus einem Leben, in 
dem Herr R. gerade deswegen entgleist, weil er es so ernst und wörtlich nimmt. 
Mittlerweile weiß auch der fassungslose Normalverbraucher aus Fernsehen, Radio 
und Zeitung, dass der Amokläufer meist gestern noch ein "Mensch wie du und ich" 
war. Im Selbstmordattentat ist der Amoklauf seit Fassbinder sogar von einem 
individuellen Kurzschluss zur logistisch aufwendigen postpolitischen Kampfform 
avanciert. Mit dem "war on terror" aber drohen nun der ganz und gar 
durchschnittliche Herr B. und seine Gang, die allerdings am Drücker der größten 
Vernichtungsmaschinerie der Weltgeschichte sitzen, mit einem Amoklauf als 
apokalyptische Reiter. 
Was aber ist die Normalität, aus der heraus die USA um sich zu schießen 
beginnen? - Es ist die Normalität der modernen Gesellschaft und ihres Staates, 
die hier in verheerende Schießwut auszurasten sich anschickt. Diese Auffassung 
soll hier kurz erläutert und zur Diskussion gestellt werden.
Der moderne Staat - entstanden aus Rüstung und Krieg
Maximale Expansion der Macht gehörte zu den Charakteristika des neuzeitlichen 
Staats von Anbeginn. Als Feuerwaffenstaat über die Welt gekommen, hatte er 
despotische Zentralisierung von Produktion und Verwaltung sowie die Forcierung 
der Geldwirtschaft als unabdingbare Voraussetzung; denn für Kanonenrüstung und 
Festungsbau brauchte es die Konzentration und Versorgung einer hohen Zahl von 
Arbeitern, große Werkstätten, die Umstellung auf Söldnerheere sowie Geldsteuern 
samt Steuereintreibung und Kredit zur Finanzierung. Die Zwänge der 
Schuldenrückzahlung waren der Beginn eines modernen gesellschaftlichen 
Automatismus - der Ausdehnung der Staatsmacht durch Eroberungen nach außen und 
durch bürokratischen und fiskalischen Zugriff auf die Menschen nach innen. Die 
Bedienung der Kredite war die Peitsche staatlicher Durchdringung der 
Gesellschaft und territorialer Expansion, noch bevor sie zum Motor der 
kapitalistischen Wirtschaftsweise wurde, einer Wirtschaftsweise, die ihrerseits 
vom Geldbedarf der sich formierenden Militär- und Nationalstaaten förmlich 
erzwungen wurde.1 
Anfang und Ende des modernen Völkerrechts
Die Raubkriege des 15. bis 17. Jahrhunderts, die aus dieser Entwicklung eines 
Wettlaufs um Macht und Geld entsprangen, brachten auch neue Regeln des Umgangs 
der Staaten miteinander hervor. Diese Kriege waren der Boden, aus dem das 
moderne Völkerrecht wuchs - ein profanes, keiner allgemein anerkannten 
göttlichen Autorität mehr unterworfenes Recht, das den Verkehr von Räubern 
regelte, die notgedrungen miteinander auskommen mussten, weil sie einander nicht 
vernichten konnten und sich so zu den Prinzipien der staatlichen Souveränität 
und des Einmischungsverbots in die inneren Angelegenheiten des anderen bequemen 
mussten. 
Schwächere konnten jedoch - dieser Herkunft des Rechts entsprechend - in der 
historischen Realität nur dann Rechtspersönlichkeit sein, wenn und solange die 
Starken nicht einig waren, wessen Beute sie werden sollten. Nichtweiße Länder 
blieben sowieso zumindest de facto Freiwild. Nur für die historisch sehr kurze 
Zeit der Entkolonisierung im Schatten des Ost-West-Konflikts konnte sich 
zumindest der Anschein eines die Vereinten Nationen umfassenden allgemeinen 
Völkerrechtsstatus halten. 
Mit dem Scheitern des Versuchs einer nachholenden Modernisierung im Osten und 
Süden des Globus ergab sich durch den Zerfall der Sowjetunion und ihres 
Machtblocks allerdings eine neue Situation: Dass die USA auf diese Weise als 
alleinige Weltmacht übrigblieben, hat dem Völkerrecht die materielle Grundlage 
entzogen, denn kein Land kann sich mehr der "Über-Macht" auf Grund eigener Kraft 
stellen oder durch Lavieren entziehen. Ein Völkerrecht, das nicht auf einem 
grundsätzlichen, materiellen Gleichgewicht seiner Subjekte, d.h. auf ihrem 
gegenseitigen Unvermögen zur straflosen Vernichtung des anderen beruht, wird 
haltlos. Seine so genannte "Weiterentwicklung" führt in die Auflösung seiner 
Prinzipien.
Nunmehr wird auch in Europa weithin der "Unilateralismus" der amerikanischen 
Hypermacht als Aushöhlung des Völkerrechts beklagt. Ganz so neu ist diese 
Aushöhlung jedoch nicht. Sie hat die EU-Staaten bis jetzt bloß nicht allzu sehr 
gestört, konnten sie sich doch selbst als Teil des "Unilateralismus" betrachten. 
Für Russland und die sogenannte Dritte Welt war er durch die Übermacht des 
"Westens" schon seit Ende der Achtzigerjahre eine gegebene Tatsache. Diese Teile 
der angeblichen "Völkergemeinschaft" konnten die Entwicklung bestenfalls mit 
Hilfe der UNO dadurch ein wenig kaschieren, dass sie dem westlichen Vorgehen 
erst nach einigem Hin und Her aber schließlich doch immer zustimmten. 
Hierzulande sprach man allerdings bis vor kurzem stets noch im Brustton der 
falschen Überzeugung von "Völkerfamilie" und "Weiterentwicklung des 
Völkerrechts", wenn der Westen hinter seiner Führungsmacht auf- und 
einmarschierte und ganze Länder niederbombte.
Als es z.B. um die Zerschlagung Jugoslawiens ging, war es der veröffentlichten 
Meinung in Österreich und Deutschland noch ganz recht, dass das völkerrechtliche 
Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten "den Bach hinunter" 
geschickt wurde (so damals voll Genugtuung Heinz Kienzl, SPÖ), im Kosovo-Krieg 
bombardierte auch die europäische NATO ohne UNO-Mandat und gegen jedes 
Völkerrecht "für die Menschenrechte". 
Bei der eigenmächtigen US-Intervention in Afghanistan war die EU aber schon 
leicht irritiert, als die NATO, die doch gleich nach dem 11.9. erstmals den 
Bündnisfall ausgerufen hatte, "außen vor" gelassen wurde. Mit dem durch alle 
UNO-Sicherheitsratdebatten hindurch kaltschnäuzig angedrohten angelsächsischen 
Alleingang gegen Irak wird jetzt aber den Möchtegernen der verblichenen 
Großmächte in Good Old Europe deutlich gemacht, wie sehr das klassische 
Völkerrecht zum kraftlosen Gespenst geworden ist. Mit nationalistischen Tönen (à 
la "Über deutsche Angelegenheiten wird in Berlin entschieden") mag man da noch 
Wahlen gewinnen, danach aber kommt früher oder später der Bußgang nach 
Washington. 
Die Forderung nach Einschaltung des UNO-Sicherheitsrats verkommt immer mehr zu 
einer Ermahnung, doch wenigstens die Etikette zu wahren. Sie wird zu einem 
versagenden Mittel der Zweit- und Drittrangigen, sich zwar den Ansprüchen der 
Supemacht zu fügen, aber nicht vor aller Augen als dienstbeflissene, zumindest 
aber ohnmächtige Vasallen zu erscheinen. Die USA haben den Angriff auf Irak als 
Ziel vorgegeben, ohne sich viel darum zu kümmern, dass auch ihre Begründungen 
dem Völkerrecht Hohn sprechen. Für die anderen Regierungen der Welt geht es 
jedoch nur noch darum, aus ihrer Teilnahme oder Hinnahme das noch irgendwie 
Beste zu machen. Die diplomatischen Auseinandersetzungen samt der öffentlichen 
Debatte darüber haben auch ausschließlich damit und nichts mehr mit den 
Völkerrechtsprinzipien zu tun. Keine der Aftermächte kann und will mehr dem 
Imperator in den Arm fallen, es geht bei aller Rhetorik nur um die Modalitäten 
der Einbindung des "Rests der Welt" in die Aktionen der Vormacht, in Aktionen, 
deren Berechtigung gegen jedes Völkerrecht auch von den Kritikern grundsätzlich 
gar nicht mehr in Frage gestellt wird2. Für deklarierte Gegner der Hypermacht 
ist in der Staatenwelt kein Platz mehr - das ist das neue Prinzip, dem derzeit 
Geltung verschafft wird, ein Vorgang, der vielen Kommentatoren in Zeitungen und 
Magazinen das römische Reich als historische Analogie für die einzigartige 
Machtstellung der USA in den Sinn kommen lässt.
Die USA als Hypermacht: Sackgasse statt Aufbruch
Allerdings steht diese neue Art Imperium nicht am Anfang einer neuen, sondern 
bloß am Ende einer abgelebten Entwicklung, nicht an einem Ausgangspunkt, sondern 
in einer Sackgasse. Zum besseren Verständnis noch einmal ein kurzer Blick in die 
Geschichte: Anders als in vormodernen Lebensweisen spielt in der Neuzeit die 
Wirtschaft eine zunehmend dominierende Rolle in der Gesellschaft. Die vom 
Feuerwaffenstaat erzwungene Ausdehnung der Waren- und Geldwirtschaft hat sich 
als neue vorherrschende Wirtschaftsweise etabliert. Sie hat sich als 
Selbstläufer entpuppt, als Automatismus, der erstmals in der Geschichte 
menschliche Tätigkeit nicht für menschliche Zwecke (auch die Arbeit 
Unterworfener für das Wohlleben der Herrschenden ist ein solcher) einsetzt, 
sondern für den grundsätzlich abstrakten und lebensfremden Zweck der Vermehrung 
investierten Geldes durch Arbeit. Sein Kapital vermehren oder es verlieren, 
"Wachsen oder Weichen" heißt die Devise. Richter und Henker zugleich ist die 
Konkurrenz des Marktes, das (Sich) Verkaufenkönnen oder Liegenbleiben. Daran 
hängen nunmehr Wohl und Wehe immer größerer Teile der Gesellschaft, die aus der 
Not schließlich eine (Arbeits)Tugend gemacht hat. Leben wird zum Nebenprodukt 
der Geldvermehrung, Lebenstätigkeit zur Arbeit, gleichgültig welcher - 
Hauptsache, sie wird bezahlt. 
Der Sturz des "parasitären" Adels, der Reichtum nicht bloß als Investitionsgut 
verwerten, sondern immer auch genießen und verprassen wollte, brachte unter der 
Fahne von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" den endgültigen Durchbruch 
bürgerlichen Profit- und Verwertungsdenkens als gesellschaftliche Maxime. Ihr 
hat sich auch der Staat zu unterwerfen, der zum Rahmen und Garanten der 
Verwertung des von ihm repräsentierten Kapitals mutierte. Der Wachstumszwang der 
kapitalistischen Wirtschaft - ursprünglich eine Folge des Kanonen- und 
Festungsbaus und der damit verbundenen Raubkriege - wurde nunmehr die stärkste 
Antriebskraft zur Formierung und Ausdehnung staatlicher Macht. Auf 
internationaler Ebene setzte dieser Zwang sich um in Eroberungspolitik, in Kampf 
mit anderen staatlichen Kapitalrepräsentanten um den besten "Platz an der 
Sonne". Mit der Unterwerfung der ganzen Welt unter das Diktat der Verwertung 
lief sich die Eroberung von Ländern im vorigen Jahrhundert in zwei Weltgemetzeln 
tot. Übrig blieb das Wachstum des Kapitals -über die Grenzen seiner nationalen 
Zugehörigkeit hinaus zu multinationalen, schließlich transnationalen "global 
players". 
Vor deren Geldmacht, nicht vor den Raketen der NATO musste der Osten 
kapitulieren. Angeblich angetreten, um eine ganz andere, neue Gesellschaft zu 
schaffen, bauten die kommunistischen Parteien entgegen der weit verbreiteten 
Auffassung in Ost und West doch nur eine andere Variante des Gleichen, nämlich 
der Welt der Waren und des Gelds. Sie starteten eine historische Aufholjagd, um 
in der Konkurrenz mit den alten Mächten auf dem alten Boden der Verwertung als 
eigenständige Staaten und Ökonomien zu bestehen. Als jedoch schließlich eine 
neuerliche technische Revolution im Westen, die Computerisierung, auch durch die 
niedrigsten Lohnkosten im Osten nicht mehr aufgewogenen werden konnten, war 
dieser am Ende - gescheitert an den Märkten, nicht geschlagen auf dem 
Schlachtfeld. 
Das, was den sozialistischen Staatskapitalismus ruiniert hat, stellt sich wider 
Erwarten und gegen alle Versprechungen als eine Krankheit zum Tode des 
Gesamtsystems heraus. Denn seit über zwanzig Jahren steigt auch im Westen dank 
der sich ausbreitenden Mikroelektronik in immer mehr Branchen die Produktivität 
schneller als die Möglichkeiten, die überflüssig gewordene Arbeit durch 
forciertes Wachstum wieder profitabel einzusetzen und weitere noch zu schaffen - 
was aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Verzinsung investierten 
Kapitals ist. Aus dem Zusammenbruch der östlichen Konkurrenz ließ sich eine 
kurze Atempause, aber kein anhaltender Aufschwung der Verwertung schmieden. Was 
in den exsozialistischen Ländern noch profitabel ist, reicht bei weitem nicht 
aus, um der grassierenden Spekulations- und Schuldenwirtschaft eine 
realwirtschaftliche Grundlage zu verschaffen, auf der die Spekulation aufgehen 
und die Kredite bezahlt werden könnten. 
Schon in der Neunzigerjahren hat sich daher herausgestellt: Der Westen hat nicht 
gesiegt, er hat den Osten bloß noch überlebt. Seit dem ist ein Großteil Afrikas 
vom Weltmarkt fast verschwunden, Schwellenländer wie die "kleinen Tiger" 
Südostasiens oder jüngst Argentinien und Brasilien sind bloß an die Schwelle des 
Bankrotts gekommen, ja mit Japan findet auch eine Wirtschaftsgroßmacht, von der 
noch vor wenigen Jahren erwartet wurde, sie könnte à la longue selbst die USA 
aufkaufen, nicht und nicht aus Rezession und Krise, seit bald drei Jahren 
zerbröseln auch die Börsen, die Schrumpfung der produktiven Wirtschaftssektoren, 
der Verfall des Lohnniveaus breiter Teile der "Beschäftigten" und die 
anwachsende Arbeitslosigkeit auch in den noch einigermaßen stabilen Ökonomien 
lassen sich selbst mit den kreativsten Tricks und Beschönigungen nicht mehr 
bagatellisieren. 
Die Staatsapparate verlieren vor dem globalisierten Kapital ihre 
Gestaltungsmacht und Regulationsfähigkeit, ihr noch engerer Zugriff auf die 
Menschen organisiert bloß noch den sozialen Abstieg der großen Masse der 
Bevölkerung, sie gehen - hier noch weniger dort schon mehr - in mafiöse 
Strukturen über.3
Die USA sind zur letzten Weltmacht also in einer Situation geworden, wo sie ihre 
historisch unvergleichliche Machtfülle nur noch sehr bedingt für die Interessen 
ihrer Nationalwirtschaft gegen andere einsetzen können, weil die "global 
players" diese Fronten immer mehr auflösen, aber auch die weitere Verwertung des 
transnationalen Kapitals zu sichern ist Washington immer weniger imstande, weil 
die Welt für diesen Heuschreckenschwarm zu klein geworden ist. Was bleibt, ist 
die äußerste Machtentfaltung in einer Welt des Niedergangs, mit dem letztlich 
illusionären Zweck, Sicherheit und Funktion des globalen Verwertungssystems 
gegen dessen Zerfallserscheinungen so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. "Wir 
oder das Chaos" ist die Parole, mit der die letzte Weltmacht die restliche 
Staatenwelt als "Ordnungs"-Kräfte hinter sich zum "Kampf gegen den Terror" 
sammelt, genauer betrachtet: zum Krieg der Perspektivlosen gegen die 
Aussichtslosen.
Am Ende steht die Lust auf Amok und Gewalt
Im Alltagsleben der Menschen führt der skizzierte Zustand der Weltgesellschaft 
bis dato jedoch weniger zur Suche nach einem Ausbruch aus der herrschenden Logik 
als vielmehr zu einer Intensivierung alles Bisherigen im Zeichen immer 
schärferer Konkurrenz: "Retten, was noch zu retten ist" heißt auch das 
kurzsichtige, individuelle Lebensmotto. Die vorherrschenden Gedanken über die 
Zusammenhänge der heutigen Lage hat ein englischer Satiriker treffend so 
zusammengefasst: "Hang the sense of it and just keep yourself occupied! "4 Es 
soll einfach irgendwie weitergehen, solange eins mit Hingabe an die 
Arbeit(suche) und mit Betriebsamkeit, mit Selbstverleugnung und Demut gegenüber 
den Zumutungen, mit Wegschauen und Simulieren noch Normalität produzieren und 
Anstrengung, Versagen und Unbefriedigtsein im Kauf und Konsum der angebotenen 
Placebos, Tranquillizer und Ersatzbefriedigungen ersäufen kann. Kollegen und 
Geschäftspartner statt Freunden, Kontaktschwäche und Vereinsamung, Suff und 
andere Drogen (von Arbeit bis Opium), Aggressivität und Depression als 
Volkskrankheit Nummer eins - alles das sind Phänomene, die zunehmend die 
Lebenswirklichkeit prägen. 
In einem solchen Klima des schrittweisen Realitätsverlusts paart sich die 
Paranoia einer Selbstzweckökonomie, die das Leben der Menschen nicht mehr vom 
Umgang mit der Natur, sondern von gelungener Kapitalverwertung abhängig macht, 
mit der schwindenden Hoffnung darauf, dass eins daraus noch ein Leben machen 
kann. Die Zahl derer nimmt zu, die auf die eine oder andere Weise individuell 
"ausrasten" und "überschnappen", nicht mehr "auf dem Posten bleiben", sondern 
"verrückt" werden. Kollektiv grassiert zugleich die wahnhafte Umdeutung der 
alles durchdringenden Konkurrenz in altväterischen nationalistischen, 
rassistischen, antisemitischen oder religiös verbrämten Fundamentalismus 
verschiedenster Schattierungen, wo dann nicht mehr Marktteilnehmer gegen 
Marktteilnehmer oder Gang gegen Bande kämpfen, sondern wo halluziniert wird, 
dass die Fleißigen und Anständigen gegen die Faulen und Intriganten, die 
Zivilisation gegen die Barbarei, die Ordnung gegen das Chaos, das Gute gegen das 
Böse steht. In diesem Treibhaus der Frustration wuchert die Lust auf Gewalt, das 
Bedürfnis nach dem Befreiungsschlag in der einen oder anderen Form von Amok, der 
von den Tätern nicht mehr als Wahnsinn wahrgenommen wird, sondern als Bestrafung 
und Moral. 
Bald schon wird kein Tag mehr vergehen ohne die Meldung von durchgedrehten 
Leuten, die scheinbar aus dem Nichts heraus um sich zu schießen beginnen, von 
eifersüchtigen Männern, die ihre (Ex-)Familien ausrotten, von entlassenen 
Angestellten, die Chef und Kollegen mit in den Tod nehmen, frustrierten Bürgern, 
die Politiker massakrieren, Halbwüchsigen, die in Schulen Blutbäder anrichten. 
Doch nicht nur im blinden Affekt wird da gehandelt, sondern durchaus auch mit 
kaltem Blut und Überlegung. Das Töten bringt den "Wettbewerb", in dem der Mörder 
im Leben meist sich scheitern fühlt, in dem er nicht mehr weiter kann, auf den 
eigentlichen, pervers befriedigenden Punkt: Tod und Vernichtung der anderen, wer 
und wo sie auch sind, letztlich ohne anderen Grund als den der bloßen 
Konkurrenz, paranoid und selbstzweckhaft, würdig seines Ursprungs aus der 
Gesellschaft des Marktes und des Gelds. - "Ich bin Gott" schrieb der Amokschütze 
von Washington auf der Todeskarte des Tarot. 
Die Gemetzel des 11. September und jüngst auf Bali, die Selbstmordkommandos und 
- -attentäter in Nahost und Russland und die Massaker des damit korrespondierenden 
"war on terror" in Afghanistan, in Russland und demnächst auch in Irak zerstören 
die Weltmacht des Kapitals so wenig wie sie den Terror ausrotten, sie bringen 
bloß den Amok, das Töten als Abreaktion ohne Aussicht auf die Erreichung eines 
Zwecks, auf das Niveau einer historischen Untergangs-Strömung. 
Es ist ein kollektiver, technisierter Amok mit viel Logistik, hartem Training 
und vor allem Selbstbetrug. Als gesellschaftliche Erscheinung beruht er auf 
einer Formierung des Denkens und Empfindens eines Großteils der Menschen und auf 
der Kontrolle, Einschüchterung, Entmutigung und Unterdrückung aller derer, denen 
anderes als Mitmachen zugetraut wird. Die Logik dieses Amoks wird daher in der 
Gesellschaft weithin nicht mehr als Wahnsinn wahrgenommen, sondern als 
staatliche Sicherheitspolitik, als religiöse Notwendigkeit, als Strafgericht. 
Diese Form von Amok ist schon jenseits des Selbstlaufs von Geschäft und Macht, 
er folgt einem automatisierten Kreislauf von Schuld und Sühne, von 
"Gerechtigkeit".
Ein Krieg der USA gegen Irak wird und muss sich daher auch nicht rechnen, weder 
kann es noch eine Kriegskonjunktur geben mangels Masse des Gegners noch rentiert 
sich die militärische Eroberung eines Lands, das sich dem Kapital nicht 
verschlossen hat, sondern mit dessen Entzug bestraft wurde. Auch ein US-Regime 
in Irak wird das Erdöl nicht billiger verkaufen können, als es Saddam Hussein 
unter dem Embargo tut. 
Herr B. halluziniert, er werde mit einem neuen Golfkrieg die "zivilisierte Welt" 
vor dem Terror schützen, doch das könnte im Sinne einer Stabilisierung des 
"Imperiums" nur gelingen, wenn die Ordnungsmacht den Unterworfenen außer 
Bombenruinen und Demütigungen noch irgend eine Aussicht auf einen Anschluss an 
die bröckelnde Glitzerwelt von Arbeit-Geld-Konsum zu bieten hätte. Da diese 
Aussicht nicht besteht, wird jede neue Stufe im "war on terror" vor allem neuen 
Terror, neuen Krieg, Terror, Krieg und schließlich den Tag näher bringen, an dem 
auch die Hypermacht das selbst forcierte Chaos nicht mehr bändigt. 
Der "nationale Befreiungskampf" und der "sozialistische Aufbau" sind 
gescheitert, der Kapitalprozess gerät auch in den marktwirtschaftlichen 
Kernländern ins Stocken. Keine Gewalt der Welt kann daran etwas ändern. Nur mit 
Gewalt, ohne Aussicht auf Arbeit und Profit lassen sich Staaten, die diesen 
Namen noch verdienen, nicht befreien oder gründen, es gibt auch nichts mehr zu 
erobern in der einen Welt des Kapitals. Kampf und Konkurrenz gehen zwar auch am 
Weltende der Profitvermehrung weiter, doch es ist die Zeit von Ragnarök, der 
Götterdämmerung, der gegenseitigen Vernichtung der Götter und Dämonen, der 
grausamen Entscheidungsschlacht, die nur Verlierer kennt. Sie wird heutzutage 
ausgestragen zwischen denen, die bereit sind, den Niedergang ihrer Welt mit dem 
Feuerschein brennender Länder auszuleuchten, und den "Rächern der Enterbten", 
die ihre Aussichtslosigkeit noch mit Mord und Selbstmord krönen. 
Kurswechsel des sinkenden Schiffs?
Der Widerstand gegen diese düstere Entwicklung ist seit den Anschlägen in den 
USA nicht recht vorangekommen. Auch Millionen besorgter und empörter Menschen 
auf den Straßen haben wenig Macht, wenn sie die Lösung der Probleme in der 
Vergangenheit suchen. Unserer Meinung nach krankt der Widerstand am blinden 
Glauben allzu vieler Menschen, dass es doch noch möglich sei, auf der Grundlage 
der herrschenden Ordnung Neues, Besseres zu schaffen. Viele agitieren für einen 
politischen Kurswechsel zu "mehr sozialer Gerechtigkeit", "mehr Ökologie". Sie 
drohen mit der Ersetzung des Kapitäns und seiner Offiziere, doch sie merken 
nicht, dass sie auf der Titanic sind und das Schiff eben absäuft. Wir meinen das 
durchaus auch selbstkritisch, weil auch wir sehr lange so agiert haben, dass wir 
uns für politische Aus- und Abhilfen eingesetzt haben, ohne die Unhaltbarkeit 
der gesellschaftlichen Konstruktion zu beachten, in deren Rahmen wir uns 
bewegen. Alle "politische Arbeit" gegen den Lauf der Dinge hat keine Aussicht 
auf nachhaltigen Erfolg, wenn man - ob "reformistisch", ob "revolutionär" - "den 
Kampf führt" für eine "andere Politik" und damit den Boden von Staat, Nation und 
Klasse nicht verlässt, genau den Boden also, der sich gerade in sozialem 
Niedergang und Amok auflöst. 
Wirtschaftskrisen mit allen ihren Folgeerscheinungen von Armut, Verzweiflung, 
Hunger, Krankheit und frühem Tod bis zu Bandenwesen und Krieg lassen sich auf 
der Grundlage der überreif gewordenen Waren- und Profitgesellschaft durch einen 
Kurs- und Herrschaftswechsel nicht (mehr) beheben, die gesellschaftlichen 
Katastrophen sind vielmehr das notwendige und irreparable Ergebnis der 
etablierten Lebensweise, die "Kollateralschäden" der Geldvermehrung. Die 
Vorstellung von einer prosperierenden "internationalen Gemeinschaft" friedlich 
wirtschaftender, auf dem Weltmarkt Handel treibender Nationalökonomien war wohl 
immer schon und ist heute mehr denn je eine Fata Morgana, der man nie näherkommt 
und die bloß von der realen, aussichtslos gewordenen Wüstenwelt des Kapitals 
ablenkt. 
Der Unmut, der sich gegen die Zumutungen und Katastrophen, wenn Menschen für und 
von Geld leben müssen, ansammelt und der bei den gewaltigen Demonstrationen in 
den Polit- und Wirtschaftsgipfelstädten der letzten Jahre bis zu dem jüngsten 
Aufmarsch in Florenz trotz oft massiver Repression sichtbar geworden ist, droht 
wieder in Resignation umzuschlagen, wenn er sich für einen unmöglich gewordenen 
Kurswechsel der todgeweihten Titanic verbraucht. 
Es geht nicht um Geld, weder um Investitionen, die sich nicht mehr verwerten 
lassen, noch um Staatsschulden, die nie mehr zu bezahlen sind, sondern es geht 
um Land, Gebäude, Geräte und Maschinen, um Kenntnisse und Wissen und um 
Verfügung über unsere Lebenszeit, 
nicht um Arbeitsplätze (die keiner annähme, wenn er anders leben könnte), nicht 
um Konsum und Wachstum, sondern darum, was ein gutes Leben ist und was wir dafür 
brauchen,
nicht um die Chimäre staatlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit, sondern um 
die Selbstorganisation der Menschen und um den Kampf für die dazu nötigen 
Ressourcen,
nicht um "Solidarität mit dem Kampf der unterdrückten Völker", sondern um die 
weltweite Kooperation aller derer, die sich von der Unterdrückung durch Staat 
und Markt frei machen wollen.
Nur im Zusammenhang einer solchen Haltung hat auch Politik als staatsbezogenes 
Handeln noch ihren begrenzten Sinn, als gewissermaßen fremdes Mittel, das sich 
selber überflüssig machen, den Weg frei machen soll für Neues.
Was heißt arbeiten, was Karriere machen heute denn anderes 
als seine Lebensenergie hinzugeben für den Mensch und Natur schädigenden 
Kreislauf von Arbeit und Konsum, 
als sich nach jedem "Fortschritt", nach jeder "Umstrukturierung" und "Reform" 
mit noch weniger Leben bescheiden zu müssen, 
als ohne es recht zu merken mitzutun bei den alltäglichen Grausamkeiten dieser 
Existenz, zumindest wegzuschauen und flach zu denken bei den Greueln und 
Gemetzeln, ohne die es diese Gesellschaft nicht mehr geben wird. 
"Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten" ist die allgemein akzeptierte Parole 
für die Lebensangst, für den (Selbst)Mord auf Raten, auf den unsere 
"Lebens"weise hinausläuft. Und wer keine Arbeit hat, muss tagaus tagein laufen, 
um wieder eine zu bekommen oder versinkt nicht selten in lähmende Depression. - 
"No future" ist die globale Realität, die es zu verdrängen gilt im hektischen 
Getriebe, im Konsum, in der angestrengten Freizeit- und Familienidylle. 
Sich Zeit nehmen fürs Hinschauen, Nachdenken, für Gespräche und Kennenlernen, 
für das Klären der wichtigen Fragen, für gemeinsame Aktion, für dauerhafte 
Kooperation - das kann der Beginn einer Besserung sein, ein Einstieg in die 
Verweigerung des Mittuns, in den Protest, in Widerstand, in den Neubau unseres 
Lebens.
(Lorenz Glatz)
- ----------------------
1 vgl. Robert Kurz, Die Dikatur der abstrakten Zeit, in: Robert Kurz, Ernst 
Lohoff, Norbert Trenkle (Hg.): "Feierabend! Elf Attacken gegen die Arbeit", 
Hamburg 1999. In diesem Aufsatz referiert und zitiert Kurz u.a. wissenschaftiche 
Literatur zum Thema der Entstehung des modernen Staats; der Aufsatz ist über 
www.krisis.org im Internet aufzufinden, wir schicken einen Ausdruck auch gern 
gegen Kostenersatz zu. 
2 Sehr treffend und offen sagt Albert Rohan, pensionierter Generalsekretär des 
österreichischen Außenministeriums und in dieser Funktion hoher beamteter Hüter 
der österreichischen Neutralität, das, was vermutlich die meisten europäischen 
Politiker denken: "Die US-Vorgangsweise ist mit unseren völkerrechtlichen Werten 
schwer vereinbar... Man muss den USA aber zubilligen, dass sie das, was getan 
werden muss, auch tun, ohne Rücksicht auf UNO oder Völkerrecht. Für uns Europäer 
ist da eine gewisse Hemmschwelle gegeben". (Der Standard 14.10.02)
3 Das ist keineswegs bloß eine Folge neoliberaler Dogmatik, auch die (von vielen 
Globalisierungskritikern geforderte und mittlerweile z.B. in den USA, Japan, 
Deutschland, Frankreich und Italien betriebene) Wiederbelebung keynsianistischer 
Staatsintervention und Staatsschuldenpolitik versagt als Heilmittel.
4 in etwa: "Pfeif drauf, was das alles bedeutet, und mach einfach nur weiter!" 
aus dem satirischen Sci-fi-Roman "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy" von 
Douglas Adams.

Initiative Mensch statt Profit 

imsp widerspruch.at
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