DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER

Die hier archivierte Mail kann, muss sich aber nicht auf den Themenkomplex von Oekonux beziehen.

Insbesondere kann nicht geschlossen werden, dass die hier geäußerten Inhalte etwas mit dem Projekt Oekonux oder irgendeiner TeilnehmerIn zu tun haben.

DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER DISCLAIMER

Message 00394 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT00394 Message: 1/2 L0 [In date index] [In thread index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[chox] weiter, weiter, weiter



Weiter, weiter, weiter 
 


„Was ich mache? Immer das Selbe.“
Martin Heidegger an Hannah Arendt


 Elfter September 2001. In den nächsten Tagen sehen sich Sicherheitsleute
wieder und wieder die Aufnahmen der Überwachungskameras an. Und wieder und
wieder passiert Mohammed Atta die Sicherheitsschleuse...
Jeder Tag seither ist dem Anti-Imperialismus ein Freudenfest. Er wiehert vor
Begeisterung: in Fußballstadien, an Kneipentischen und in den Querfrontforen
des Internets, statt sich das Motto seines Helden Atta zu eigen zu machen:
„Das Herz stirbt durch Spaß“.
Noch Wochen später regen sich Journalisten darüber auf, dass ihresgleichen
den Satz „Nichts wird mehr sein wie es war.“ bis zum Überdruss
strapaziert. Die Aufregung ist berechtigt, denn: Alles macht weiter.

Die Sozialdemokraten setzen ihren bewährten Kurs der Einheit von
Wirtschafts- und Sozialpolitik fort. Ideologiekritiker der besonderen Art die sie sind,
nehmen sie sich die Mausebär-Mischung aus Flehen und Meckern (s. „Das
Erste“ in CEE IEH #101) zu Herzen und beseitigen nun aber wirklich auch
noch das allerletzte störende Relikt ihrer Geschichte: Die SPD streicht den
Begriff „demokratischer Sozialismus“ aus ihrem Parteiprogramm.
Selbst Gerhard Schröder sagt mal was Kluges: Seiner Meinung nach lege dieser
Begriff nahe, dass es eine vernünftige „andere wirtschaftliche
Organisationsform“ als die Marktwirtschaft geben könne. Wer klar hat, dass
jegliches „Wirtschaften“ immer schon unmenschliches Herumknausern
bedeutet, rastloses Schuften, exzessive Verausgabung menschlicher Lebenskraft zur
Anhäufung leerer Quantitäten, muss Schröder recht geben. Die SPD ist offenbar
gewillt, den Tatsachen ins Auge zu sehen, denn als „Basis“ ihres
Wirkens erkennt sie ab sofort eine „kapitalistisch verfaßte(n)
Wirtschaftsordnung“ an (FAZ, 14.08.). Berauscht vom eigenen Mut zur Wahrheit
legt Generalsekretär Scholz nach: „Arbeit bleibt im Mittelpunkt für die
Selbstdefinition der Menschen“.

Der Neoliberalismus macht weiter. In den USA gehen die Lichter aus.
Glücklicherweise gibt’s ein paar Wirtschaftsexperten, die die bittere Wahrheit
ausplaudern, dass die exzessive Deregulierung und der unerträglich gewordene
Kostendruck auf den Energieunternehmen, die privat sein müssen, aber nicht
mehr privat sein können, an den Stromausfällen Schuld tragen. Die früher
teilweise in öffentlicher Hand befindlichen Stromversorger wurden durch die
Entregulierung des US-Strommarktes zu Konkurrenten und kooperieren deshalb kaum noch
(Wirtschaftswoche). Ohne die erwähnten „Branchenkenner“ hätten
die „ideologiekritischen“ Plappermäuler und Krisenleugner längst
wieder Oberwasser. Vermutlich hätten sie nur ein paar Tage gebraucht, um der
allzu realitätsverhafteten Linken „nachzuweisen“, dass es die
Stromausfälle nie gegeben hat, bzw. dass sie die normalste Sache der Welt sind.
Oder beides zugleich, wie’s beliebt.
Jedenfalls werden in New York in einem spanischen Restaurant die Vorräte aus
den Kühltruhen, bevor sie verderben, an die Gäste verteilt (Financial
Times). Ganz offiziell weist eine eiscremeherstellende Tochtergesellschaft von
Nestlé ihre im Stau steckenden Fahrer an, das Eis kostenlos abzugeben (FAZ).
Normalerweise ist es im Kapitalismus üblich, unverkäufliche Waren (z. B. Obst)
bis zu ihrer Vernichtung zu bewachen, um die Signalfunktion des Marktes nicht
zu beeinträchtigen. Sind diese Schenkaktionen vielleicht ein erstes Aufblitzen
sinnlicher Vernunft, die über die Warenform hinausweist? Sind solche
Aktivitäten vielleicht geeignet, auch dem US-amerikanischen Normalbürger den
Aberwitz der Wertform (dass ein Eis eben solange kein Eis für ihn ist, wie er nicht
dafür zahlt) nahezubringen?
Sehr bald allerdings könnte nicht einmal mehr etwas zum Verschenken da sein:
Durch die extreme Trockenheit ist Weizen so knapp wie seit 30 Jahren nicht
mehr. Die jüngsten europäischen Ernteausfälle sind in dieser Zahl noch nicht
berücksichtigt.

Palästinensische Extremisten bomben weiter. 21 Tote (unter ihnen sieben
Kinder) sind das Ergebnis der jüngsten Widerstandsaktion gegen
„imperialistische(n) Befriedungsversuche(n)“ (Werner Pirker in der jW). Von dieser
Gestalt ist der Friedenswille der Hamas. Ihre Berliner Propagandazentrale,
die anti-imperialistische Tageszeitung „junge Welt“ mit dem
Chef-Antizionisten Werner Pirker vorneweg kann jubeln – dem
„israelische(n) Apartheid-Projekt“ (Pirker), er meint die Einzäunung der
Autonomiegebiete, ist ein erneuter Schlag versetzt worden. Ganz dogmatisch sei hier
betont: Wer für dieses Blatt schreibt, unterstützt – er mag sich hinterher
sträuben wie er will – linken Antisemitismus. Es ist richtig, zu
vermitteln, also Leuten, die sich auf die Seite des „palästinensischen
Volkes“ stellen, argumentativ klarzumachen, dass ein besseres Leben für die
Palästinenser nur ohne Terror möglich ist. Ideologischen Hetzern wie Pirker
stopft wohl nur ein kompletter kommerzieller Misserfolg oder ein Prozess das
Maul. Das könnten auch Robert Kurz und Franz Schandl so langsam einsehen.

Inline-Skater laufen weiter. Schneller, länger, heftiger schwitzend.
Hausfrauen, verfettete Teenies und vor allem sehnig-zähe Frührentner mit
Mens-Health-Abo drehen im Park Stunde um Stunde ihre Runden. Diese rhythmisch atmenden,
grauhaarigen Kasper in peinlich engen Glitzerhosen, Leute, die im normalen
Leben altersbedingte Probleme mit einfachem Rennen haben und bisher ihre Zeit
damit totschlugen, sich über die nun wirklich schicken Baggys der Skater
lustig zu machen, finden nichts dabei, sich die modernen Rollschuhe
unterzuschnallen und jeden Fahrradfahrer drohend zu mustern, der ihrem unwürdigen Treiben
fassungslos zusieht. Jugendwahnsinnige sind sie, angestrengt Ausgeflippte; in
ein paar Monaten werden sie, die bisher beim Anblick bunthaariger Menschen
von „Arbeitslager“ brabbelten, anfangen, sich die Haare zu färben.
So wie heute Hausfrau und Verkäuferin alles „geil“ finden, werden
Personalchefs schon in Kürze darauf achten, dass der Bewerber auf keinen
Fall mit seiner Naturhaarfarbe vorstellig wird.

Das Leben unterm Wert wird immer ekelhafter. Jede neue
grün-sozialdemokratische Grausamkeit ist nach ihrem Bekanntwerden sofort heftiger Kritik
ausgesetzt, weil sie nicht grausam genug ist. Wir haben einstweilen zu tun, wir
streiten uns über den Subjektbegriff. Auch wir machen weiter.

Mausebär 



--------------------------------------------------------------------------------

-- 
NEU FÜR ALLE - GMX MediaCenter - für Fotos, Musik, Dateien...
Fotoalbum, File Sharing, MMS, Multimedia-Gruß, GMX FotoService

Jetzt kostenlos anmelden unter http://www.gmx.net

+++ GMX - die erste Adresse für Mail, Message, More! +++

_______________________
http://www.oekonux.de/



[English translation]
Thread: choxT00394 Message: 1/2 L0 [In date index] [In thread index]
Message 00394 [Homepage] [Navigation]