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Message 00525 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT00525 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] was sagt terror-ted dazu?



Was sagt Terror-Ted dazu?  
 


Es! Das Böse? Das Abstrakte? Die Juden? – soziale Bewegung und ihr
Ressentiment  
Gemeint ist nicht das durchdrehende Zuschauerbefragungssystem aus vergangnen
Zeiten öffentlich-rechtlicher Unterhaltung, sondern ein Mann namens Ted
Honderich. Der ist kanadischer Philosophieprofessor und hat eine
moralphilosophisch verbrämte These in die Welt gesetzt, nach der palästinensischer Terror
moralisch gerechtfertigt sei. Professor Georg Meggle von der Universität Leipzig
und Honderich selbst stellten sie zusammen in aller akademischen
Entspanntheit auf einer Veranstaltung zur Diskussion. Gegen diese Ungeheuerlichkeit
demonstrierten nicht wenige jüngere Menschen mit Zwischenrufen und einem
Transparent: „Toleranz tötet: Keine Diskussion mit Antizionisten!“
Das Bestürzende dieses Tages ist nicht Honderichs Terrormoral, die ist
sowieso indiskutabel, sondern sind Organisator und Publikum des Spektakels. Diese
Studenten und ihr Meggle wissen nicht, wie elend und erbärmlich sie sind, die
einen beklatschen jeden Ordnungsruf jedes pluralistischen Hanswursts, der
andere zeichnet in Kindergartenmanier völlig unsinniges Zeug auf eine Folie
(bspw. eine Mengendarstellung: palästinensischer Terror ist Element von Terror,
Terror ist Teil von Gewalt und Gewalt ist Teil des Prinzips der Humanität).

Überhaupt schießt Georg Meggle, Anführer der akademischen
Volltrottelbrigade, den Vogel ab. Zusammen mit einer herzallerliebst zonig wirkenden
„Monika“, die als Prorektorin vorgestellt wird, allerdings sehr viel mehr
von einer Pionierleiterin hat, rügt er jeden, der für ihn und seinen
verschwurbelten Scheiß nur lautes Lachen übrig hat („Ich habe sie jetzt schon
viermal ermahnt!“). Er schwadroniert von der „Schwerkraft der
schiefen Ebene“ (die es nicht gibt) und davon, dass die Beantwortung einer
Frage mit „ja und nein“ kein Widerspruch sei (scheinbar völlig
unbeleckt von dem Wissen, dass genau so der aussagenlogische Widerspruch
definiert ist). Er scheidet zwischen starkem und schwachem Terrorismus und will
dafür vermutlich anerkennendes Nicken der Protestierenden bekommen. Den Studenten
ist sowieso alles egal: Zu allem, was Meggle sagt, nicken sie beflissen. Sie
wollen ihr Recht, sich allseitig zu informieren, von niemandem eingeschränkt
sehen. Da ist es völlig egal, dass Honderich eine Webseite unterhält, auf
der er seine Terrorapologetik unter die Leute bringt und dass es eine
wochenlange Diskussion um sein Buch gab, in der die Reizwörter Brumlik,
Suhrkamp-Verlag, Habermas (im von Studenten doch so geliebten universitären Betrieb nicht
ganz unbekannt) auftauchten. Sie haben einfach keinen Bock zu lesen, sich
selbst Gedanken zu machen – sie wollen kontrovers unterhalten werden. Nur
konsequent also, dass eine schon ältere Studentin auf Nachfrage eines
Honderich-Gegners den Begriff „Antifaschismus“ folgendermaßen definiert:
Unbedingt mit allen diskutieren, um jeden Preis, zu jeder Zeit, über alles.
Ein Land, das solche Studenten hat, braucht keine Nazis mehr.

Wir ziehen mindestens zwei Lehren: 1. Es gibt eine emanzipatorische
Intellektuellenfeindlichkeit. 2. Die Suche nach dem sozialrevolutionären Subjekt ist
– negativ – ein weiteres Stück vorangebracht worden. Die modernen
Klassenkämpfer von wildcat und Gegenstandpunkt sind vermutlich auch von der
Kritikfraktion jetzt besser zu verstehen als früher. Denn nach dieser
Veranstaltung ist wohl allen einsichtig, wie man darauf kommen kann, in Fabriken und
bei den Inhabern von Prekärjobs würde noch am ehesten emanzipatorisches
Gedankengut zu finden sein.

Merkwürdige Kritiker sind das, man könnte sie kritische Kritiker nennen,
diese Leute vom Bündnis gegen Rechts (BgR). Ihnen sei gesagt, dass man auch
zuwenig Vulgärmaterialismus im Leib haben kann. Wem nicht mehr klar ist, dass
erst Essen und Trinken sein müssen und dann Ideologie und auch deren Kritik
folgen können, muss anfangen, wie ein Inhaber der absoluten Kritik zu plappern,
wie jemand, der durch das Ausspinnen fixer Ideen die Wirklichkeit zu
überrumpeln versucht und auch noch sauer ist, wenn die sich partout nicht nach diesen
Ideen richtet. Auf einer Veranstaltung im Volkshaus müht sich ein
BgR-Vertreter redlich, den drei anderen Leuten auf dem Podium klarzumachen, weshalb man,
um die Sache der Linken voranzubringen, grundsätzlich jede soziale Bewegung
in Deutschland abzulehnen hat. Die sehen das – angekränkelt von allzu
großem Detailwissen über die anstehenden sozialen Grausamkeiten – etwas
anders. Das BgR scheint der Agenda 2010 und den Unverschämtheiten von Hartz
IV gar keine Realität zuzugestehen – Gegenstand erbitterter Diskussionen
ist, wie deutsche Diskurse über die Agenda einzuschätzen sind –
Gegenstand ist nicht mehr der Gegenstand der Diskurse, sondern lediglich diese
selbst. Das angestrengte Brüten über der Frage: „Wer plappert was in
welchem Vokabular?“ erlaubt längst keine Beschäftigung mehr mit so uncoolen
Problemen, wie: „Was bedeutet die Agenda 2010 für meine Reproduktion als
Mensch?“, „Wie werde ich an Kohle kommen und dennoch Zeit für
Ideologiekritik behalten können?“, „Wer könnte mit mir zusammen
dafür sorgen, dass ich auch in Zukunft medizinisch versorgt werde?“. In
Diskussionen kommt überhaupt nicht vor, dass der Ideologiekritiker im deutschen
Sozialstaat durch die Zahlung diverser Leistungen immer noch mehr Zeit für
Ideologiekritik hat, als jeder amerikanischer Gesellschaftskritiker mit vier
Prekärjobs an der Backe. Die Vereinzelung der Reproduktion ist längst als
„Freiheit“ internalisiert – Treffen, Absprachen und gemeinsame
Aktionen finden lediglich zum Thema „Nicht-Identisches“ statt.

Versucht man dennoch, auf diesen ganz praktischen „Vorrang des
Objekts“ zu verweisen, wird man nicht selten abgebügelt, man würde ja
lediglich Krisenverwaltung und ökologisch verträgliche Elendswirtschaft propagieren
– daran schließen sich dann ein paar messianische Bemerkungen über die
unvorstellbaren Schönheiten des Kommunismus an, ehe der ideologiekritische
Genussmensch fix seinen halbkalten Döner runterwürgt, sich wieder an den
Computer setzt und dann eine weitere Nacht lang irgendeinen Text über die Aktualität
des Bilderverbots in die Tastatur hämmert. Es wäre schön, wenn ich vom
Kommunismus dieser Leute verschont bleiben könnte. Danke.


Was sonst noch passierte:

„Der illegale Straßenstrich rund um die Nordstraße – für
Anwohner und Geschäftsleute ist er unerträglich.“ (LVZ, 17.10.03) Der
illegale. Der halblegale rund um die Eros-Center in den beschäftigungsarmen
Landregionen wird schließlich gern genutzt – zwar weniger von Anwohnern (denen
ist der illegale – billigere – lieber, solange er nicht vor der
eigenen Haustür ist), wohl aber von Geschäftsleuten.

„Spritzbestecke in Gärten und auf Fußwegen, täglich kreisende Freier
vor der Haustür, plumpe Anmachen – die Anlieger sind es leid.“
(LVZ, 17.10.03) – sie sind mehr für die halbdumme, aus
RTL-Nachmittagsserien abgeguckte Anmache zu haben.

Im Editorial des letzten Heftes wird für meinen Artikel
„Manisch-depressiv“ ein Ökonomielexikon als Lesehilfe empfohlen. Nicht, dass das
unnütz wäre – nur: Warum kommt niemand auf die Idee, bei den diversen
philosophischen Ausarbeitungen nach Philosophielexika zu verlangen? Könnte es
daran liegen, dass die antideutschen Zivilisationsretter (in Autoren- wie
Leserschaft) eben doch dem Feindbild intellektuellenfeindlicher Dumpfnasen
nahekommen und ganz glücklich mit ihrem Philosophiestudium sind, dass sie zwar mit dem
Nicht-Identischen so souverän hantieren, als würden sie’s täglich zum
Frühstück abfressen, sich mit Kursen und Börsenindizes (ganz zu schweigen vom
antisozialen Kahlschlag in den kommunalen Haushalten) jedoch nicht zu
beschmutzen wünschen?

Noch mehr Tabubrecher: PeTA – einer radikalen Tierrechtsorganisation,
stößt übel auf, dass bei einem suicide bombing in Israel auch ein Esel starb;
kurz danach protestierten PeTA-Leute gegen den Einsatz von Blindenhunden als
Tierausbeutung. Bald wird eine neue PeTA-Kampagne starten, in der auf
Bildern die ohne Zweifel finstere Tierquälerei in landwirtschaftlichen
Großbetrieben und bei Viehtransporten mit dem Leid jüdischer KZ-Opfer assoziiert wird.
Diese Aktion wird u.a. von Blümchen, Thomas D., Esther Schweins, den Toten
Hosen, Reinhard Mey, Nina Hagen und Uwe Ochsenknecht unterstützt – kurz
gesagt von Leuten, die dieses nicht eben sympathische Land mit ihrem Geplapper
und ihrer Singerei noch ekelhafter machen, als es ohnehin ist. Eine die
anfangs mit von der Partie war, ist dann doch noch abgesprungen – sie mag nur
eine bratzendumme Fernsehtante sein, doch ihre menschliche Empfindung hat
sich diese Nina Ruge offensichtlich bewahrt: Sie distanziert sich von diesem
Dreck.

Die Ticketverkäufer sind unterwegs. Je nach der Art der früheren Beziehungen
überziehen sie diejenigen aus der Restlinken mit Liebesentzug und
NS-Vorwürfen, die ihre Formulierungen nicht bis zum letzten Komma abnicken. Es hilft
nichts, gegen den Krieg gewesen zu sein – man muss die Friedensbewegung
schon mitkaufen. Es hilft nichts, die Friedensbewegung kritisiert zu haben
– man muss schon für den Krieg gewesen sein. Die Strategie der
„Vorneverteidigung“ kann durchaus Erfolg haben, wie man am Beispiel der drei
AutorInnen Micha Böhme, Martin Dornis und Kenneth Plasa sieht, die in einer
Sonderbroschüre der Zeitschriften Krisis und Streifzüge namens „Scharfe
Schafe“ klarziehen, wer wirklich Antisemit ist. In der Zeit, in der
die „junge Welt“ einen Palästina-Soliartikel an den anderen reiht,
an deren Ende sie Links zu Barghouti-Unterstützungssites setzt, in der Zeit,
in der Terror-Ted in diesem Blatt (am 1. Oktober) erneut bekräftigt, dass er
„palästinensische(n) Anschläge als moralisches Recht
betrachte(t)“, in dieser Zeit also schreiben die drei von der „Befangenheit der
Antideutschen in antisemitischer Ideologie“: „In gewisser Hinsicht
halten wir auch Teile der Linken für eine solche Bewegung [eine antisemitische
Massenbewegung – Mausebär] prädestiniert gerade auch die
Antideutschen“. Die Belege dafür, warum Kriegsbefürworter, die für ihre
Kriegsbefürwortung kritisiert werden müssen, für eine antisemitische Bewegung
vorherbestimmt sind, bleiben die drei schuldig. Ohne irgendeinen konsistenten
Argumentationsgang wird vor sich hin gemutmaßt, dass es eine Wucht ist.
Übrigens: In diese Zeit fällt auch die Ankündigung eines bekannten
Streifzügeautors, der „jungen Welt“ 50 Euro Soliunterstützung zu spenden.
Vielleicht teilt Pirker die ja redlich zwischen Barghouti und Terror-Ted auf?

Eine Leseempfehlung zum Schluss: Romain Rollands Buch
„Clerambault“ bietet eine gute Hilfe gegen bekenntniswütige Abdreher. Es ist ein Lob
aller Zauderer, all derjenigen, die immer noch Zeit brauchen, obwohl doch
längst alles klar ist, in ihm findet sich aber auch eine genaue Beschreibung aller
150%igen: „Sie hielten sich nicht lange bei vorsichtigen Bedenken und
halben Maßregeln auf, um die Welt glücklich zu machen – auf ihre Art,
wenn nicht auf die seine –, sie diktierten gleich im ersten Anlauf die
Unterdrückung jeder Freiheit, die ihrer Idee von Freiheit entgegengesetzt
wäre.“

Halbe Maßregeln, skrupulöses Abwägen können sie nun gar nicht leiden, unsere
alten Männer, die Entscheidungsträger der jeweilig immer Recht habenden
Partei. Wer ihnen die geforderten Bekenntnisse in vollem Umfang abliefert, erhält
für ihre Retrofahrt in die 70er Jahre ein Ticket der Ersten Klasse. Nur
schade, dass sie an diesem Zug nicht viel Freude haben werden. „Der fährt
an die Wand.“

Mausebär  

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