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Message 00570 [Homepage] [Navigation]
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[chox] die ungeheure warensammlung als prozessierender widerspruch



Die ungeheure Warensammlung als prozessierender Widerspruch  
 


Zur doppelten Form des Reichtums in der Warengesellschaft und ihren
Konsequenzen

In folgender Kurzfassung meines Referats soll der grundlegende Charakter der
marxschen Kritik an der kapitalistischen Warengesellschaft in knapper Form
dargelegt werden.

Im Untertitel nennt Marx sein zentrales Werk eine „Kritik der
politischen Ökonomie“: Es handelt sich nicht um ein ökonomisches Buch, sondern
vielmehr um eine Kritik an dieser politischen Ökonomie selbst. Die Marxsche
Intention zielt damit auf die Abschaffung ihres Gegenstandes. Sie will die
Ökonomie überwinden. Das Kapital als gesellschaftliches Verhältnis soll still
gelegt werden.

Schaun wir zunächst an, was im weiteren Sinne unter „Ökonomie“
zu verstehen ist: In ihrer klassischen Gestalt (Smith und Ricardo) ist sie
eine den Kapitalismus bejahende Position. Sie stellt sich diesen als eine
Gesellschaft mit prinzipiell harmonischem Charakter vor. Soziale Missstände wurden
zugegeben, aber der noch mangelhaften Entwicklung des Kapitalismus
angelastet. Ökonomie geht von der Güterknappheit als natürlich gegebenem Faktum aus.
Alle wesentlichen Güter (mit Ausnahme vielleicht der Luft) seien knapp und
müssten daher effektiv verteilt und effizient bewirtschaftet werden. Daraus
folgen die Prinzipien der Ökonomie: Das Minimal- und das Maximalprinzip: Nach
diesem soll man aus so wenig wie möglich so viel wie möglich rausholen. Eine
Gesellschaft, in der alle Güter frei sind, kann sie sich nur als
kindlich-märchenhafte Wunschphantasie vom „Schlaraffenland“ vorstellen.

Marx beginnt seine Kritik an dieser Ökonomie mit einer Analyse des
Reichtums. „Auf den ersten Blick erscheint der bürgerliche Reichtum als eine
ungeheure Waarensammlung, die einzelne Waare als sein elementarisches Dasein.
Jede Waare aber stellt sich dar unter dem doppelten Gesichtspunkt von
Tauschwert und Gebrauchswert“ (Marx, MEW 13, S. 15).

In diesen zwei Sätzen konzentriert sich die gesamte Marxsche Ökonomiekritik.
Als Reichtum gelten Marx alle Güter in der kapitalistischen Gesellschaft.
Sie treten nur in dieser einzig und allein als Waren auf. Die Ware selbst ist
also die kleinste Einheit. Sie ist die Zelle der kapitalistischen
Gesellschaft. Jede Ware tritt doppelt auf: Einerseits als Gebrauchswert und andererseits
als tauschbarer Gegenstand im Austauschverhältnis mit anderen Waren. 

Der gesamte Reichtum der kapitalistischen Gesellschaft erscheint daher in
doppelter Form: einerseits als Menge nützlicher Güter und andererseits als
Ansammlung von Tauschwerten. Die Waren selbst werden durch Arbeit geschaffen. Die
in den Waren kristallisierte gesellschaftlich durchschnittlich notwendige
Arbeitszeit bestimmt ihren Wert. Auch die Arbeit tritt unter dem skizzierten
doppelten Aspekt auf: Einerseits als Gebrauchswert schaffende
„konkrete“, andererseits als Tauschwert bildende „abstrakte“ Arbeit.
Einmal als bestimmte Tätigkeit, die ein einzelnes Produkt hervorbringt und
einmal als ständige Vernutzung und Verausgabung menschlicher Arbeitskraft. Als
solche bildet sie Wert.

Diesen Punkt bestimmt Marx selbst als den entscheidenden in seiner Analyse:
„Ursprünglich erschien uns die Ware als ein Zwieschlächtiges,
Gebrauchswerth und Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich zeigen, dass auch die in
der Waare enthaltene Arbeit zwieschlächtig ist. Dieser Punkt, der von mir
zuerst kritisch entwickelt wurde, ist der Springpunkt, um den sich das Verständnis
der politischen Ökonomie dreht“ (Marx K 1, Erstauflage, S. 22).

In diesem Punkt grenzt sich Marx grundsätzlich von den Klassikern der
Wirtschafswissenschaft ab: „Der Charakter dieser ‚labour’ wird
[von Ricardo] nicht weiter untersucht. Wenn zwei Waren Äquivalente sind
(…) so ist auch klar, dass sie der Substanz nach, soweit sie Tauschwerte sind,
gleich sind. Ihre Substanz ist Arbeit. Darum sind die ‘Wert’
(…). Den Charakter dieser Arbeit untersucht Ricardo nicht. Er begreift
daher nicht den Zusammenhang dieser Arbeit mit dem Geld oder, dass sie sich als
Geld darstellen muß. Er begreift daher durchaus nicht den Zusammenhang
zwischen der Bestimmung des Tauschwerts der Ware durch Arbeitszeit (…)“
(Marx, Theorien über den Mehrwert 2, S. 161).

Die vormarxsche Ökonomie fasste als Arbeit nur ihre dinglich-konkrete Seite,
also die materielle Umformung der Umwelt. Sie erfasste nicht, dass die
Menschen, indem sie arbeiten, eine Gesellschaft erzeugen, die bestimmten Gesetzen
unterliegt und die sie nicht bewusst steuern können. Sie können nicht
erkennen, dass die Ware als Ware (und nicht als konkreter nützlicher Gegenstand)
Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses ist, das sich hinter ihren
Rücken vollzieht. Zu dieser Erkenntnis gelangt man erst, wenn die doppelte Form
des Reichtums und die sie bedingende doppelte Form der Arbeit betrachtet wird.

Um zu seiner kritischer Analyse der Arbeit durchzudringen, entwickelte Marx
die so genannten Wertformanalyse – sie kann als das schwierigste
– aber eben auch zentralste Stück des Marxschen Gesamtwerks betrachtet
werden. Der gesellschaftliche Charakter der einzelnen Ware (also ihr zerrissenes,
widersprüchliches Wesen) verschwindet – während es im einfachen
Verhältnis zweier Waren noch deutlich sichtbar ist. Ebenso wird in der komplexen
Warengesellschaft nicht mehr sichtbar, dass eine Ware jeweils eine zerrissene
Einheit von Arbeit als stofflich-materieller Umformung der Umwelt ist, die sich
gleichzeitig als abstrakten Verausgabung gesellschaftlicher Arbeitszeit
erscheint.
In der Wertformanalyse bringt Marx die innere Zerrissenheit des bürgerlichen
Reichtums begrifflich auf den Punkt und entfaltet die darin verborgenen
Probleme. Dazu führt Marx die komplexe Warengesellschaft logisch auf ihre
einfachste Form zurück: die, in der sich zwei einzelne Waren gegeneinander
austauschen. Die eine stellt dann in der anderen ihre abstrakte Seite, ihren
Tauschwert dar und macht sie sich in diesem Verhältnis sich selbst gleich: streng
formuliert: der relative Wert drückt in der Äquivalentform seinen Wert aus. Auf
den Punkt gebracht: »Ich Tomate bin x Gurken wert und drücke in den Gurken
meinen Wert aus. Ich als Tomate bin nur Tomate und nichts als Tomate weil ich
die Gurke ihres Gurkedasein beraube und sie zu nichts als einem Ausdruck meines
Wertseins mache. Ich stelle meine zweite Seite, die gesellschaftliche an der
Gurke dar, um selbst nichts als Tomate sein zu können« – so spricht es
aus einer Ware als relativem Wert. Noch paradoxer spricht es aus der
entgegen gesetzten Äquivalentform: »Ich Gurke drücke den Wert einer Tomate aus. Ich
bin zwar Gurke aber erscheine als Tomate und kann mich auch selbst gar nicht
mehr als Gurke, sondern nur noch als Tomate sehen und denken. Als Ausdruck
des Wertes der Tomate bin ich selbst Tomate.« In der Unterordnung der anderen
Ware bringt die als relativer Wert auftretende Ware ihren ihr anhaftenden,
widersprüchlichen Charakter zum Verschwinden, indem sie ihn einer anderen Ware,
die dann als Äquivalent auftritt, auszudrücken.

In einer komplexen Warengesellschaft wird schließlich eine bestimmte Ware
zum allgemeinen Äquivalent, also zu der Ware, gegen die sich alle anderen Waren
tauschen. Das ist das Geld.
Alle Waren verdoppeln sich in der Warengesellschaft in Ware und Geld:
„Das Produkt wird zur Ware; die Ware wird zum Tauschwert; der Tauschwert der
Ware ist ihre immanente Geldeigenschaft; diese ihre Geldeigenschaft löst sich
von ihr als Geld los, gewinnt eine allgemeine, von allen besonderen Waren
gesonderte soziale Existenz (…). Diese doppelte verschiedene Existenz muß
zum UNTERSCHIED, der Unterschied zum Gegensatz und Widerspruch fortgehen.
Derselbe Widerspruch zwischen der besonderen Natur der Ware als Produkt und
ihrer allgemeinen Natur als Tauschwert (…), der Widerspruch zwischen ihren
besonderen natürlichen Eigenschaften und ihren allgemeinen sozialen
Eigenschaften, enthält von vornherein die Möglichkeit, dass diese beiden getrennten
Existenzformen der Ware nicht gegeneinander kompatibel sind (Grundrisse, S.
65).

An anderer Stelle bei Marx: „Das Geld als heraus gelöste Ware
erscheint (…) als die Gattungsform des Äquivalents für alle anderen Waaren. Es
ist als ob neben und außer Löwen, Tigern, Hasen und allen anderen wirklichen
Thieren (…) auch noch das Thier existierte, die individuelle
Incarnation des gesamten Thierreichs (…). Wie die Leinwand daher einzelnes
Äquivalent wurde, dadurch, dass sich eine andre Waare auf sie als Erscheinungsform
des Werths bezog, so wird sie als allen Waaren gemeinschaftliche
Erscheinungsform des Werths als allgemeines Äquivalent, allgemeiner Werthleib, allgemeine
Materiatur der abstrakten menschlichen Arbeit. Die in ihr materialisirte
besondre Arbeit gilt daher jetzt als allgemeine Verwirklichungsform der
menschlichen Arbeit, als allgemeine Arbeit“ (Erstauflage K1, S. 37).
Mit der Herauslösung des Geldes aus der allgemeinen Warenwelt und seiner
Krönung zur Königin aller Waren wird dieses zu jener Ware, in der sich alle
anderen spiegeln und in der alle anderen ihre Identität bilden. Damit verkehrt
sich das im einfachen und zufälligen Verhältnis zweier Waren zueinander
angenommene Verhältnis: Der Gebrauchswert des relativen Werts wird jetzt zum bloßen
Anhängsel der Äquivalentform, bzw. der in ihr sich darstellenden
Arbeitskraft. Alle Waren spiegeln sich in dieser einen als allgemeinem Ausdruck
menschlicher Arbeit – heißt: Sie alle nehmen ihre Qualität an, sie alle werden
zum bloßen Ausdruck abstrakter allgemeiner menschlicher Arbeit. Ihre eigene
sinnliche Qualität verschwindet in diesem Verhältnis. Sie nehmen alle die
Qualität der in Geld dargestellten, in Zeiteinheiten gemessenen Arbeit an.

Der vorhin anhand des Verhältnisses zwischen Tomate und Gurke erklärte
Prozess verkehrt sich nun wie folgt: Die Tomate tritt jetzt nicht mehr der Gurke
als einzelner Ware, sondern einer Ware als allgemeiner Ware gegenüber, in der
sich alle anderen spiegeln. Damit wird die Äquivalentform zur bestimmenden
und der relative Wert zur untergeordneten: jetzt gilt: »Ich Tomate erscheine
nur noch als allgemeiner Ausdruck abstrakter menschlicher Arbeit. Ich kann mich
selbst nicht mehr als Tomate denken, sondern bin nur noch Ausdruck des
Geldes als allgemeines Äquivalent. Übrigens: Wer sich seinen Geschmackssinn
wenigstens ein bisschen erhalten hat, merkt: Ich schmeckte auch gar nicht mehr nach
Tomate sondern ziemlich neutral, vielleicht ein bisschen wie eine
gestaltlose Gallerte nicht-sinnlicher Arbeitskraft in Zeiteinheiten gemessen.«

Demgegenüber sagt das Geld als allgemeines Äquivalent: »Ich bin wie
„das Gemüse“. Ich bin alle anderen Gemüse zugleich. Und selbst das kann
ich noch toppen: da es mich jetzt als „das Gemüse“ wirklich gibt,
gibt es die anderen Gemüse nur noch als Ausdruck von mir. Es gibt sie nur
noch durch mich. Sie sind von meinem Fleisch und Saft auch wenn dieses recht
dünn und abstrakt ist. Ich bin die real existierende, umherlaufende Abstraktion.
Nicht anders als den einzelnen Gemüsen, geht es jetzt auch unserer Tomate.
Sie ist nur noch wirklich als Ausdruck meiner selbst. Es ist, als hätte König
Midas sie berührt. Nur das sie heute nicht mehr golden ist, sondern
allenfalls noch knistert, bzw. in einem Superrechner aufgelöst in Nullen und Einsen
ihr Dasein fristet. Und die Gurke: ja, die ist jetzt auch nur noch ein Ausdruck
von mir. Aber wenigstens kann sie sich jetzt sagen, dass sie nicht mehr von
der Tomate abhängig ist. Alle sind jetzt nämlich gleich. Und außerdem sind
sie nur durch mich einzigartig und wertvoll – sie alle sind Ausdruck von
mir mir und damit Ausdruck abstrakter vernutzter menschlicher Arbeitszeit«

Dies ist die Crux der doppelten Erscheinung des Reichtums in der
Warengesellschaft: die Arbeit als dinglich-materielle, nützliche Umformung der Umwelt zu
den Zwecken der Menschen wird zum bloßen Ausdruck der allgemeinen und
abstrakten Arbeitskraftvernutzung. Das Wesentliche ist also in der
Warengesellschaft, dass unentwegt Arbeitskraft verausgabt wird. Die Herstellung teilweise
nützlicher Güter wird dabei zur puren Nebensache. Dies schlägt dann auch auf
diese nützlichen Güter selbst zurück.
Mit der Herauslösung des Geldes aus der Warenwelt und seiner
Verselbständigung wird das Geld zum Ausgangspunkt der Produktion. Der Kreislauf der
kapitalistischen Gesellschaft beginnt also nicht, wie es bloß erscheint, nämlich mit
der Ware: also Ware-Geld-Ware (ich habe ein Gut, will aber ein anderes, also
verkaufe ich es für Geld, um mit diesem die von mir ersehnte Ware zu kaufen).
Der Kreislauf beginnt vielmehr mit dem Geld; Geld-Ware-Geld: Ich habe Geld,
tausche es auf dem Markt gegen Waren, um am Ende wieder Geld in der Hand zu
halten. Dieser Prozess kann natürlich nur dann nicht ganz fei von allen
Zwecken sein, wenn ich dabei mehr Geld als am Anfang in der Hand halte. Es muss
sich also eine Vermehrung des Geldes zugetragen haben. Und dies ist auch der
wirkliche Endzweck der Warengesellschaft: Die Verwandlung von Geld in immer mehr
Geld. Produktion erfolgt nicht um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen,
sondern um die Gewinnmaximierung unentwegt voran zu treiben. Aus der doppelten
Form des Reichtums, der der Warengesellschaft wesentlich ist, ergibt sich
also logisch die Verselbständigung des Geldes, die Loslösung der
gesellschaftlichen Entwicklung von den sie betreibenden und die Loslösung der Produktion von
den Bedürfnissen der Menschen.

Indem sich der Reichtum mit der Verselbständigung des Geldes aufspaltet,
trennt er sich von den Menschen. Er befindet sich immer weniger in einer Form,
die von ihnen materiell und sozial angeeignet werden kann. Das betrifft nicht
nur die Darstellung in riesige Mengen akkumulierten Tauschwerts, sondern
vielmehr auch zunehmend den Reichtum in seiner dinglichen Form. Nicht nur, dass
er vielen Menschen aufgrund mangelnden Bedarfs (=Bedürfnis + Kaufkraft!!!)
nicht zugänglich ist. Er befindet sich desweiteren immer mehr in einer
zerstörten und vergifteten Art und Weise vor. In der Geldkrise wird die materielle
Produktion perspektivisch sogar ganz eingestellt bzw. die hergestellten Produkte
verkommen, weil das Geld als Medium ihrer Verteilung nichts mehr
„wert“ ist.

In der Analyse des Warenfetischs treibt Marx die in der Wertformanalyse
begonnene Argumentation fort. Die fetischistische Gesellschaft, die Marx
skizziert, bringt die Logik der Verdopplung des Reichtums vollends auf den Punkt. Der
gesellschaftliche Charakter der Waren wird in dieser Gesellschaft
vollständig verschleiert. „Indem das Geld also allgemeines Äquivalent der
Warengesellschaft wird, wird es zur Darstellungsform des gesellschaftlichen
Verhältnisses: Die wechselseitige und allseitige Abhängigkeit der gegeneinander
gleichgültigen Individuen bildet ihren gesellschaftlichen Zusammenhang. Dieser
gesellschaftliche Zusammenhang ist ausgedrückt im Tauschwert. [Das Individuum]
trägt seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der
Gesellschaft, in der Tasche mit sich…“ (K1, Erstauflage, S. 46). Damit
wird das Geld als Ausdruck des Tauschwerts zur zentralen gesellschaftlichen
Vermittlungsinstanz. Ihm selbst scheint unmittelbare Macht anzuhaften. Marx
spricht vom Fetischismus.
Der Tauschwert verselbständigt sich im Geld und konstituiert hinter dem
Rücken der Menschen das gesellschaftliche Verhältnis, welches sie fortan
beherrscht: „Der gesellschaftliche Charakter der Tätigkeit, wie die
gesellschaftliche Form des Produkts, wie der Anteil des Individuums an der Produktion,
erscheint hier als den Individuen gegenüber Fremdes, Sachliches; nicht als das
Verhalten ihrer gegeneinander, sondern als ihr Unterordnen unter
Verhältnisse, die unabhängig von ihnen bestehen (…). Der allgemeine Austausch der
Tätigkeiten und Produkte, der Lebensbedingung für jedes einzelne Individuum
geworden, ihr wechselseitiger Zusammenhang, erscheint ihnen selbst fremd,
unabhängig, als eine Sache. Im Tauschwert ist die gesellschaftliche Beziehung der
Personen in ein gesellschaftliches Verhalten der Sachen verwandelt; das
persönliche Vermögen ist ein sachliches (…). Die Individuen sind unter die
gesellschaftliche Produktion subsumiert, die als ein Verhängnis außer ihnen
existiert; aber die gesellschaftliche Produktion ist nicht unter die
Individuen subsumiert (Grundrisse, S.75f).
Im Fetisch drückt sich die Konsequenz der Spaltung des Reichtums aus: Es
„(…) wächst die Macht des Geldes, d.h. [es] setzt sich das
Tauschverhältnis als eine den Produzenten gegenüber äußere und von ihnen unabhängige
Macht fest (…). Das Geld bringt diese Gegensätze und Widersprüche nicht
hervor; sondern die Entwicklung dieser Widersprüche und Gegensätze bringt die
scheinbar transzendentale Macht des Geldes hervor“ (Grundrisse, S.
65).

In der Logik des Warenfetischs werden Dinge zu Quasi-Subjekten, die
stellvertretend für die Menschen soziale Verhältnisse eingehen. Die gesellschaftliche
Bewegung der Menschen löst sich von ihnen ab. Sie verselbständigt sich im
Tauschwert und beginnt einer Eigengesetzlichkeit zu folgen. Die real handelnden
Menschen werden dementsprechend zu armseligen Anhängseln ihrer eigenen
gesellschaftlichen Aktionen.
Die in sich zerrissene und gespaltene Warengesellschaft folgt aufgrund
dieses ihres Charakters blind den von den Menschen selbst geschaffenen angeblichen
Naturgesetzen. Aus der Doppelform des Reichtums folgt logisch die ständige
zwanghafte Vermehrung des Geldes um seiner selbst willen. Daraus ergibt sich
die Akkumulation des Kapitals, durch welche auf der einen Seite der
Gesellschaft Reichtum in Form von Geld angehäuft und auf der anderen Seite Menschen
zunehmend ins nackte Elend gestoßen werden. Der Selbstwiderspruch des
bürgerlichen Warenreichtums bringt infolge seiner Zerrissenheit letztendlich die
Zusammenbruchstendenz der kapitalistischen Gesellschaft hervor. Die Auflösung des
in der Doppelform des Reichtums schlummernden und tendenziell vulkanartig
hervorbrechenden Zerstörungspotentials kann nur in einer gesamtgesellschaftlichen
Aneignung des von der Ökonomie zu knappen Gütern deklarierten
gesellschaftlichen Reichtums bestehen. Seine Spaltung ist in einer materiell-sozialen und
sinnlich-rationalen Weise zu beenden: also Produktion von freien Gütern für
die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.

Martin Dornis 


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