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[chox] TELEPOLIS: Freie Buecher



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Freie Bücher

Janko Röttgers   18.06.2004 

Creative Commons-Lizenzen in der Praxis 

Vor wenigen Tagen sind erstmals zwei Telepolis-Bücher unter Creative 
Commons-Lizenzen veröffentlicht worden (  Telepolis-Bücher zum 
kostenlosen Herunterladen [1]). In den Telepolis- und  heise 
newsticker [2]-Foren hat dies bereits für angeregte Diskussionen 
gesorgt. Ein guter Grund, sich mal selbst als Autor eines dieser Bücher 
zu Wort zu melden. 

"Hier sind Leute mit kommunistischer missionarischer Einstellung am 
Werk die (wieder einmal) in ideologischer Verblendung offen Enteignung 
propagieren", bemerkte ein Leser des heise-Newstickers, als er von den 
Buch-Downloads erfuhr - was das Industrial Technology and 
Witchcraft-Weblog zur grandiosen Überschrift  Kommunistische Missionare 
verschenken Bücher [3] verleitete. Tja, so kann's gehen. Da entscheidet 
sich ein Verlag gemeinsam mit seinen Autoren zu einem kleinen 
E-Book-Experiment, und schon verschlägt es einen an die Speerspitze der 
weltrevolutionären Bewegung. 

Dabei war die Veröffentlichung der beiden PDFs durchaus auch monetär 
motiviert. Autoren wie Verlage wollen zuallererst einmal, dass ihre 
Werke gekauft werden. Ähnliche Versuche in den USA haben in den letzten 
Monaten gezeigt, dass sich Bücher mit freier Online-Ausgabe oft 
deutlich besser verkaufen. So konnte der kanadische Science 
Fiction-Autor Cory Doctorow mehr als 10 000 Exemplare seines Erstlings 
"Down and out in the magic kingdom" verkaufen, nachdem er es als 
Creative Commons-lizenziertes PDF ins Netz  gestellt [4] hatte (  Aus 
dem Leben der Stämme [5]). Die durchschnittlichen Verkaufszahlen für 
Newcomer in diesem Genre liegen in den USA bei 3.000-5.000 Exemplaren. 
Lawrence Lessig berichtet, der Verkauf seines ebenfalls kostenlos im 
Netz erhältlichen Buchs  Free culture [6] sei viel besser als bei 
seinen vorher nur in Papierform veröffentlichten Werke. 

Mit freien PDFs gegen Oliver Kahn 

Für derartige Erfolge gibt es viele gute Gründe. Zum einen haben 
Autoren wie Verlage mit einem immer gleichförmigeren Einzelhandel zu 
kämpfen. Große Buchketten bieten Paletten von Bestsellern an, 
reduzieren aber gleichzeitig die Handelsfläche für Fachbücher und 
Belletristik mit geringerer Auflage. Der kleine Buchladen um die Ecke 
muss in vielen Fällen mitziehen, um überleben zu können. Die Folge: 
Harry Potter, Oliver Kahn, Hillary und Bill Clinton überall. Dazu 
Kochbücher, Lebensberater und Esoterik. Wer in solch einer Welt als 
Autor noch gelesen werden will, muss sich etwas einfallen lassen. Zwar 
dienen sich Amazon & Co. als Alternative an - doch das risikolose 
Durchblättern eines Werks, das Hier-und-Dort-Mal-Reinlesen ist in 
Online-Shops nicht möglich. 

Wohl aber mit einem PDF, das kostenlos aus dem Netz geladen werden 
kann. In digitaler Form kann das Buch direkt von Leser zu Leser 
weitergegeben werden - eine wandernde Kaufempfehlung sozusagen. Bisher 
scheint es zudem noch so zu sein, dass die meisten Menschen ein 
gedrucktes Buch der digitalen Ausgabe vorziehen. Zwar lesen wir alle 
Tag für Tag oftmals mehrere Stunden Texte am Bildschirm - doch für ein 
längeres Werk wollen wir uns aufs Sofa verziehen und Papier wälzen. 
Bisher, wohlgemerkt. Möglicherweise ändert sich dies in den nächsten 
Jahren. Vielleicht werden wir neue Ausgabegeräte nutzen. Vielleicht 
gewöhnen wir uns auch einfach komplett an den LCD-Bildschirm und werfen 
all unsere sentimentale Papier-Streichel-Romantik über Bord. Die 
Lizenzierung der beiden Telepolis-Bücher ist nicht zuletzt ein 
Experiment, um die Grenzen und Möglichkeiten solcher Promotion-Aspekte 
herauszufinden. 

Freiheit und Freibier 

Geholfen hat dabei die Veröffentlichung der deutschen Creative 
Commons-Lizenzen Anfang Juni (  Creative Commons Launch in 
Deutschland [7]). Creative Commons schafft durch verbindliche 
rechtliche Lizenzen ein Rahmenwerk, auf das sich Autoren und Verleger 
einigen können. In den heise-Foren wurde die konkret gewählte Lizenz 
jedoch teilweise heftigst kritisiert. Sie entspreche nicht dem Geist 
der freien Software-Lizenzen, hieß es dort. Nun ist von der Freiheit 
bis zum Freier so manches frei und freier in der deutschen Sprache. Im 
englischen Sprachraum gibt es ähnliche Bedeutungs-Überlappungen, 
weshalb dort Richard Stallman von der  Free Software Foundation [8] die 
Redewendung "Free as in speech, not in beer" eingeführt hat. Freibier 
und freie Meinungsäußerung mag es eben beide umsonst geben, doch als 
Grundrecht lässt sich nur eins von beiden ernsthaft einfordern. 

Übertragen auf Software und andere unter freien Lizenzen im Netz 
veröffentlichte Inhalte bedeutet dies: Freie Software räumt dem Nutzer 
bestimmte, von der jeweiligen Lizenz abhängige Rechte ein. Kostenlose 
Software garantiert dagegen nicht mehr Freiheiten als kommerziell 
verbreitete Software. Nur ist sie eben günstiger. Die beiden jetzt als 
PDFs angebotenen Telepolis-Bücher erlauben - wie auch die meiste freie 
Software - beides. Erweiterte Nutzungsrechte und kostenlose Downloads. 
Freiheit und Bier sozusagen. Konkret erlaubt die gewählte Creative 
Commons-Lizenz, die elektronischen Buchausgaben in einem 
nicht-kommerziellen Kontext weiter zu verbreiten. Nicht mehr, aber eben 
auch nicht weniger. 

Freie Kopien für offene Archive 

Das Recht zur freien Verbreitung sollte allerdings nicht unterschätzt 
werden. Natürlich konnte ein Autor schon vor Creative Commons seine 
Werke kostenlos ins Netz stellen. Doch die jetzt in deutscher Sprache 
vorliegenden Lizenzen nehmen Urheber auch gegenüber ihrem Publikum in 
die Pflicht. Wer ohne derartige Lizenzen ein PDF im Netz zum Download 
anbietet, kann dieses jederzeit wieder entfernen. Er könnte sogar 
andere Webhoster dazu zwingen, die Datei aus ihrem Angebot zu nehmen - 
schließlich ist er ja der Urheber. 

Creative Commons schiebt solchen Praktiken einen Riegel vor. Wenn sich 
morgen einer von uns Autoren oder der Verlag überlegen sollte, die 
betreffenden Bücher nicht mehr im Netz haben zu wollen, könnten wir die 
von uns gehosteten PDFs entfernen. Mehr nicht. Die Lizenzen der bereits 
verbreiteten Dateien würden weiter ihre Gültigkeit behalten. Die 
Dateien dürften damit auch weiter über nicht-kommerzielle Webseiten, 
Tauschbörsen und dergleichen mehr angeboten werden. Dies schafft für 
Nutzer Rechtssicherheit und bereichert die Gesellschaft um Kulturgüter, 
die ihr nicht mehr weggenommen werden können. 

Gerade im digitalen Raum machen solche Lizenzierungen Sinn. Aus dem 
klassischen Buchmarkt kennen wir ähnliche Regelungen, die dort sogar 
Eingang in die Urheberrechte gefunden haben. Sobald ein Druckwerk auf 
dem deutschen Markt erscheint, darf es von einer öffentlichen 
Bibliothek erworben und zur kostenfreien Ausleihe angeboten werden. 
Kein Autor und kein Verlag kann eine Bibliothek daran hindern - selbst, 
wenn ihnen ihre Werke eines Tages nicht mehr genehm sind. Im Netz ist 
eine derartige offene Verfügbarkeit von Wissen zunehmend durch Digital 
Rights Management sowie passwortgeschützte Archive und Datenbanken 
beschränkt. Creative Commons-Lizenzierungen helfen dabei, diesen 
offenen Zugang wieder herzustellen. Nicht umsonst  finden sich [9] die 
beiden  Bücher [10] auch beim Internet Archive, der weltgrößten 
digitalen Medien-Bibliothek. 

Braucht man jedoch solche digitalen Archive überhaupt, wenn die 
Papierausgaben sich eh irgendwann in Stadtbüchereien und 
Unibibliotheken finden werden? Digitalisierte Bücher erlauben viel 
weitreichendere Zugriffsmöglichkeiten als die Leihbücherei um die Ecke. 
Und das nicht nur, weil dort das betreffende Buch vielleicht grad 
ausgeliehen ist. Digitale Bücher lassen sich durchsuchen und 
indizieren. Sobald ein PDF im Netz steht, wird es von Google und 
anderen Suchmaschinen erfasst und damit Teil eines weltweit 
durchsuchbaren Wissenspools. Der eingangs bereits angeführte Cory 
Doctorow hat einmal gesagt, dass Besitzer der Papierausgabe eines Buchs 
bald das Gefühl haben werden, nur die Hälfte eines Buchs ihr eigen zu 
nennen. Creative Commons-lizenzierte Bücher sind ein guter Weg, den 
Lesern Zugriff auf die zweite Hälfte zu geben. 

Janko Röttgers ist Autor des Telepolis-Buchs  Mix, Burn & R.I.P. - Das 
Ende der Musikindustrie [11] (  Download). Armin Medoschs 
Telepolis-Buch  Freie Netze - Geschichte, Politik und Kultur offener 
WLAN-Netze [12] gibt es ebenfalls kostenlos als  PDF. 

Links 

[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/17630/1.html
[2] http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?list=1&forum_id=57448
[3] 
http://www.industrial-technology-and-witchcraft.de/index.php?id=P5943
[4] http://craphound.com/down/
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/17244/1.html
[6] http://www.free-culture.cc
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wos/17648/1.html
[8] http://www.gnu.org
[9] 
http://www.archive.org/texts/texts-details-db.php?collection=opensource&;
collectionid=mixburnrip
[10] 
http://www.archive.org/texts/texts-details-db.php?collection=opensource&;
collectionid=freienetze
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/html/buch_10.html
[12] http://www.heise.de/tp/deutsch/html/buch_11.html

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/special/copy/17672/1.html 

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