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Message 01569 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT01569 Message: 1/1 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] Ein Ihnen empfohlener Artikel aus der jungen Welt vom 10.01.2006



LiebeR Ox-Chat,
dieser Artikel aus der jungen Welt vom 10.01.2006 wird Ihnen empfohlen von Stefan Meretz.

Der Absender schickt Ihnen ausserdem folgende Nachricht:

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Helmut Dunkhase war auf der [ox1] in Dortmund...

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Planwirtschaft ? auf der Hoehe der Zeit

Der Einsatz moderner Computertechnologie und Steuerungsverfahren eroeffnet neue Moeglichkeiten fuer sozialistische Planung

                                           Helmut Dunkhase / Dieter Feuerstein

Markt und Plan bilden einen Antagonismus. Zum Markt gehoeren untrennbar privat und unabhaengig voneinander produzierende Produzenten, deren Zusammenhang durch den Tausch gestiftet wird. Der Tausch ist verbunden mit einem Besitzerwechsel, und in seiner Realisierung nehmen die Produkte die Form einer Ware an. Die gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeitquanten fuer die Produkte bestimmen sich im nachhinein, gewaltsam. Das besorgt das hinter dem Ruecken der Agierenden wirkende Wertgesetz.



Die komplementaere Aussage dazu: Zum Plan gehoeren untrennbar abhaengig voneinander produzierende Produzenten, deren Zusammenhang durch Kooperation gestiftet wird. Die Kooperation ist nicht mit einem Besitzerwechsel verbunden, und in Kooperation erzeugte Produkte nehmen nicht die Form einer Ware an. Die gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeitquanten stehen von vornherein fest.





Planung im Realsozialismus



Mit den ersten Fuenfjahrplaenen und dem Pioniergeist der Stalinzeit wurden gewaltige Erfolge erzielt. Doch mit zunehmender Differenzierung der Volkswirtschaft reichte eine vom Bruttooutput ausgehende Planung nicht mehr aus. Es musste nach Wegen gesucht werden, die eine rationellere Verteilung der Ressourcen und eine objektive Bewertung oekonomischer Vorgaenge gewaehrleisteten. Bahnbrechend in dieser Hinsicht waren die Arbeiten des Mathematikers Leonid Witaljewitsch Kantorowitsch, die 1938 ihren Ausgang nahmen mit der praktischen Problemstellung, das beste Produktionsprogramm fuer die Auslastung von Schaelmaschinen einer Leningrader Furnierholzfabrik zu finden und einen neuen Zweig der Mathematik begruendeten: die lineare Optimierung. Damit war der Typus einer Aufgabe gegeben, die "selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Loesung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind". (MEW 13, S. 9) Die wissenschaftliche Behandlung der Frage, wie "optimaler Gebrauch von oekonomischen Ressourcen"1 gemacht wird, stellt sich in einer Produktionsweise, in der der Blick immer auf das Ganze der Volkswirtschaft gerichtet ist, eher, dringlicher und vor allem umfassender als in einer Gesellschaft, in der das Verfolgen partikularer Interessen im Mittelpunkt steht. Waehrend die sowjetische Wissenschaft ? im wahrsten Sinne des Wortes ? auf der Hoehe der Zeit war und Weltmassstaebe setzte, galt dies weniger fuer den politisch-ideologischen Bereich. Neue Planungsideen hatten mit Widerstaenden zu kaempfen, und noch die Kybernetik wurde anfangs als "buergerliche Wissenschaft" denunziert. So kam es, dass in den Elfenbeintuermen der wissenschaftlichen Institute wunderbare Modelle ausgebruetet wurden, waehrend andererseits noch auf dem XXI. Parteitag (1959) die schaedlichen oekonomischen Auswirkungen der weiterhin verbreiteten "Tonnenideologie" offenbar wurden. Loesungsversuche gingen in die falsche Richtung: Die Liberman-Reformen in den 1960er Jahren setzten auf die Autonomie der Einzelbetriebe
 und deren Profite als entscheidende Kennziffer. 



Es gab aber auch objektive Gruende dafuer, dass die wissenschaftliche Beherrschung der Planwirtschaft nur rudimentaer wirksam werden konnte. Lineare Optimierung, die durchgaengig ins Auge gefasste Methode, um zu einer effektiveren Planung zu gelangen, zeitigte sicherlich bedeutende Erfolge bei der Materialausnutzung auf betrieblicher Ebene oder bei bestimmten Aspekten der volkswirtschaftlichen Planung wie der Optimierung von Transportwegen. Aber die Anforderungen an die Industrieplanung einer gesamten Volkswirtschaft kontrastierten nicht nur mit der damals vorhandenen rechentechnischen Basis (und wurden auf dieser Ebene auch nicht ins Auge gefasst), sondern auch mit der durch die Komplexitaet (im praezisen algorithmischen Wortsinn) gesetzten objektiven Grenzen. Hinzu kam noch das Problem des Mangels bzw. der schlechten Qualitaet von Daten.2



Es ist davon auszugehen, dass die beschriebenen Probleme der Planrealisierung die Diskussionen ueber Warenproduktion im Sozialismus/Kommunismus befoerdert haben. Marx hat bekanntlich grosse Muehen darauf verwendet, die historische Begrenztheit der Wertform zu zeigen, und es gibt wohl nur eine einzige Stelle, in der Marx von Wert ? genauer: Wertbestimmung, nicht Wertform! ? im Zusammenhang einer kommunistischen Gesellschaft spricht. (MEW 25, S. 859) Hatte Stalin 1952 noch auf dem Uebergangscharakter der Warenproduktion beharrt und darauf verwiesen, dass ihre Aufhebung eigentlich nur an den unterschiedlichen Eigentumsformen in Industrie und Landwirtschaft hapere3, sprach Ulbricht vom Sozialismus als einer "relativ selbstaendigen sozialoekonomischen Formation", in der "Warenproduktion, Wertgesetz, Preis und Gewinn (...) auf ihrer eigenen Grundlage" wirken.4 Die Notwendigkeit der Warenproduktion im Sozialismus wurde nicht mehr abgeleitet aus der Existenz verschiedener Eigentumsformen, sondern aus dem Stand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, dem Charakter der Arbeit und dem Entwicklungsstand des gesellschaftlichen Bewusstseins.5 Das Wertgesetz wurde quasi offiziell zu einem Gesetz des Sozialismus erklaert.6 Damit geraet man aber in ein Dilemma, wenn man gleichzeitig vom Plan nicht lassen will. Denn das Wirken des Wertgesetzes ist untrennbar verbunden mit der Existenz unabhaengig voneinander produzierender Produzenten, deren Produkte im Tausch auf dem Markt gesellschaftlich bewertet werden, waehrend der Plan im Gegensatz dazu durch Kooperation miteinander verbundene, voneinander abhaengige Produzenten voraussetzt. Je mehr Plan, desto weniger Wertgesetz und umgekehrt. Dieses Dilemma zeigt sich am deutlichsten in der Festlegung von Preisen. Ueber absurde Preisrelationen gab es bekanntlich viele Geschichten zu erzaehlen. Versuche, wie etwa ? im Zusammenhang des "Neuen Oekonomischen Systems" ? einen neuartigen "sozialistischen Preistyp"7 zu definieren, fuehrten nicht weiter. Nachdem zunaechst mehrmals hin- und hergesp
rungen wird in der Versicherung, dass der Preis den Wert zur Grundlage habe, andererseits aber auch planmaessig zustande kaeme, ohne dass in irgendeiner Weise auf den Punkt gebracht wird, wie der Preis denn nun bestimmt wird, wird schliesslich ein "Prozess der Annaeherung des Preises an den Wert" beschrieben, der auf den guten, alten Kostpreis hinauslaeuft ? nur dass man ihn in der Planwirtschaft nicht bestimmen kann! Dieser gedankliche Wirrwarr ist nur als eine Folge des unbegriffenen Antagonismus von Plan und Markt zu erklaeren und trug dazu bei, dass sich so weder die (zerstoererische) Dynamik einer kapitalistischen Marktwirtschaft wiederherstellen noch sich die Vorzuege einer sozialistischen Planwirtschaft entfalten konnten.





Arbeitszeitrechnung



Man muss sich entscheiden: Entweder der Preis wird durch das Wertgesetz bestimmt, dann braucht man unabhaengige Produzenten und einen freien Markt; oder aber ? wenn man sich fuer den Plan entscheidet ? durch direkte Messung des gesellschaftlichen Aufwands. Dazu kommt nur die Arbeitszeitrechnung in Frage. Paul Cockshott und Allin Cottrell haben in ihrem Buch "Alternativen aus dem Rechner. Plaedoyer fuer sozialistische Planung und direkte Demokratie" gezeigt, dass dies heute moeglich ist. Ihr Ansatzpunkt geht auf einen Vorschlag von Marx in der "Kritik des Gothaer Programms" zurueck, wonach der einzelne Arbeiter ueber das Quantum gesellschaftlicher Arbeit, das er verausgabt hat, von der Gesellschaft eine Bescheinigung, eine Arbeitsmarke, erhaelt, die ihn berechtigt, dem gesellschaftlichen Vorrat an Konsumtionsmitteln diejenige Menge zu entnehmen, die gerade dem verausgabten Arbeitsquantum entspricht. Die Summe der ausgegebenen Arbeitsmarken muss der insgesamt verausgabten lebendigen Arbeit entsprechen ? minus der Abzuege fuer Akkumulation, soziale Versorgung, usw. Arbeitsmarken sind kein Geld, sondern eher vergleichbar mit Theaterkarten. Wenn sie benutzt werden, verfallen sie. Sie zirkulieren nicht und koennen nicht so etwas wie Kapital bilden.



Anwendung der Marxschen Arbeitswerttheorie auf den Kommunismus bedeutet, auf der Grundlage der in den Produkten ? wozu auch auch die Qualifikationen der Produzenten gehoeren ? enthaltenen Arbeitszeitquanten die Oekonomie zu vermessen; oder: die oekonomische Verflechtung, die gesellschaftliche Planung insgesamt, Haushaltsbilanzierung und Konsumtion mit Arbeitszeitrechnung zu erfassen. Das Regime der abstrakten Arbeit bleibt in dieser Oekonomie bestehen. Die Wertform der Produkte, der eine warenproduzierende Gesellschaft bedarf, um das "proportionierte Mass" zu finden, in der sich die Produkte austauschen, verschwindet jedoch. Das "proportionierte Mass" wird direkt, durch Berechnung der in den Produkten enthaltenen Arbeitszeitquanten bestimmt.



Das technisch-wissenschaftliche Ruestzeug besteht zum einen in der Input-Output-Analyse. Die Input-Output-Analyse ist eine Methode, die Reproduktion eines oekonomischen Systems zu beschreiben, die von Wassily Leontiew in Vorbereitung des ersten Fuenfjahrplans begruendet wurde. Das sind Tafeln, aus denen die oekonomische Verflechtung hervorgeht. In den Zeilen lassen sich die Outputs ablesen, die eine bestimmte Industrie an andere liefert, und in den Spalten stehen dann entsprechend die Inputs, die eine Industrie von den anderen erhaelt. Wenn die sogenannten technischen Koeffizienten aij, die den Anteil des physischen Inputs von Sektor i in Sektor j am (physischen) Bruttooutput des Sektors j ausdruecken, bekannt sind, koennen die detaillierten Anforderungen an einen konsistenten Plan berechnet werden. Input-Output-Analyse als solche ist also ueberhaupt nichts Neues, neu ist nur die Anwendung auf Arbeitszeiten und die gesamte Volkswirtschaft. 



Zum anderen besteht das technisch-wissenschaftliche Ruestzeug im Einsatz moderner Computertechnologie. Fortschritte in der Hardware der Rechnertechnologie haben Rueckwirkungen auf die Entwicklung wissenschaftlicher Verfahren. Insbesondere entstand mit der Algorithmik ein eigenstaendiger Zweig der Computerwissenschaft. Solange die Berechnung eines Plans Wochen oder Monate dauert, es also um die Bestimmung eines Objekts geht, das fuer laengere Zeit Gueltigkeit besitzt, ist das Herangehen als Optimierungsaufgabe wahrscheinlich zwingend. Das von Cockshott und Cottrell vorgeschlagene Verfahren ist "robuster". Die Arbeitszeitquanten und die detaillierten Anforderungen an einen (nahezu) konsistenten Plan werden durch iterative (d.h. einer sich schrittweise der exakten Loesung annaehernden) Auswertung der Input-Output-Tafeln bestimmt. Dieses Verfahren ist zwar genauso statisch wie die lineare Optimierung; aber dadurch, dass die Rechenzeit fuer einen Plandurchgang nur einige Minuten betraegt, kann praktisch permanent auf Aenderungen reagiert und auf diese Weise die Optimierung "ersetzt" werden. Ferner ist ein Algorithmus vorgesehen, der der Tatsache Rechnung traegt, dass die Beschaffung der fuer die Herstellung des Plangleichgewichts errechneten Groessen des Gesamtoutputs den Zwaengen eines begrenzten Vorrats an Produktionsmitteln und Arbeitszeit unterliegt.8 Diese werden in dem Masse relevant, wie kurzfristig sie auftreten und der Plan damit abgeaendert werden muss. Bei einem hinreichend grossen Zeitrahmen bleibt ? um der Anforderung von z.B. mehr Elektroenergie zu genuegen ? letztlich nur der Zwang des begrenzten Vorrats an Arbeitszeit und nicht erneuerbarer Naturressourcen uebrig. Dramatischer ist der Fall, dass unter einem kurzfristigen Zwang der Planausgleich hergestellt werden muss. Dafuer wird die Technik kuenstlicher neuronaler Netze angewandt. Ein Nervensystem ist wesentlich zusammengesetzt aus Nervenzellen (den Neuronen), deren Dendriten Eingangsinformationen aufnehmen (Input), den Axonen, die Ausgangssignale a
n andere Zellen weiterreichen (Output) und den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen den Neuronen, in denen die Informationen gespeichert werden. Damit liegt die Analogie zu einer Input-Output-Tabelle auf der Hand, wenn man noch dazu in Erinnerung bringt, dass die technischen Koeffizienten ein Verhaeltnis zwischen je zwei Industrien ausdruecken. "Lernziel" ist dabei das Erreichen maximaler Harmonie, ausgedrueckt durch eine "Harmoniefunktion", die mathematisch ausdrueckt, dass die Harmonie nur wenig ansteigt, wenn die Outputgroesse des Endprodukts ueber das Planziel hinaus anwaechst, jedoch stark abfaellt, wenn das Planziel unterboten wird.



Damit entfallen heute die Einwaende, die Kantorowitsch seinerzeit gegen die Input-Output-Analyse erhob.9 Auch kann von fehlenden Daten nicht mehr die Rede sein. Sie sind in den einzelnen Unternehmen vorhanden. Schon die Organisation der Inputeinkaeufe liefern ein Spiegelbild der benutzten Technologien. Software des Herstellers SAP fuer alle Bereiche von Produktion bis Kundenbetreuung ist heute in Gross- und Mittelbetrieben weit verbreitet, und die Produktkodierung ist so weit voran geschritten, dass jede Schraube eines Flugzeugs auf ihre Herkunft zurueckverfolgt werden kann.





Nutzwertanalyse 



Eine wichtige Rolle im Vorfeld der detaillierten Reproduktionsberechnung koennte auch die viel zu wenig beachtete, von Christof Zangemeister begruendete "Nutzwertanalyse" spielen.10 Dieser sah die Schwaechen bisheriger Steuerungs- und Planungsverfahren im wesentlichen in ihrer eindimensionalen Betrachtungsweise und der Reduktion auf "objektive" Parameter. Die Entwicklung und Anwendung von Verfahren mit grossen, ja sogar beliebig umfangreichen Dimensionen geht einher mit der Entwicklung der digitalen Revolution. Mit heutiger Rechengeschwindigkeit bestehen praktisch keine Beschraenkungen mehr; mit der Folge, dass komplexe Projektentscheidungen ? vornehmlich im technisch-wissenschaftlichen Umfeld mit mehrdimensionalen Planungsverfahren realisiert werden.



Konnten frueher bei Projektalternativen nur ueber den Parameter "Kosten" mit der Einheit Geld Aussagen getroffen werden, stehen in multidimensionalen Verfahren nahezu alle physikalischen Parameter (z.B. Zeit, Gewicht, Volumen, usw.) zur Verfuegung. Diese werden in ein sogenanntes Zielsystem eingebunden und gewichtet. Bei einer Entscheidung, welche Wohnung wir mieten wollen, gehen wir aehnlich vor: Neben dem Mietpreis haben Parameter wie Wohnflaeche oder die Zeit, die wir brauchen, um zur Bushaltestelle zu kommen, ebenso Entscheidungscharakter wie Laermemission und Sonneneinstrahlwinkel. Machen wir uns einmal grundsaetzlich klar, dass wir zwar alle gerne viel Platz haetten, andererseits mit zunehmender Wohnflaeche auch die Zeit zum Putzen und die Menge des Heizoels zunimmt, stellen wir schnell fest, dass unser Zielerreichungsgrad im Hinblick auf den Parameter Wohnflaeche zunaechst steigt, irgendwo sein Maximum erreicht und dann wieder sinkt. Bei der Entfernung zum Arbeitsplatz verhaelt es sich nicht anders. Wer moechte schon aus der Wohnungstuer fallend gleich an der Drehbank stehen? Bei diesem Beispiel wird schnell deutlich, dass wir es hier zwar mit objektiven Groessen zu tun haben, die aber individuell sehr unterschiedlich gewichtet sind. Reden bei der Wohnungswahl noch Partner/in, Schwiegervater und Kinder mit, wird unser kleines Beispiel schon komplexer, denn jeder Mitentscheider hat sein eigenes, subjektives Zielsystem.



Wer letztlich wieviel zu sagen hat, muss deutlich benannt werden, geht mathematisch ueber Gewichtungskoeffizienten in die Gesamtberechnung ein und bietet somit die Voraussetzung fuer eine demokratische Gestaltung dieser Alternativentscheidung. Immer dann, wenn nicht gerade der Schwiegervater mit giftigem Blick und einer Anspielung auf sein Testament die Sache bestimmt, sind solche transparenten Planungsverfahren ihrem Wesen nach demokratisch.



Zu einer klaren Aussage darueber, in welchem Mass sich die Lebensqualitaet unserer Beispielfamilie je nach Alternativwohnung verbessert, kommen wir erst dann, wenn wir unser Zielsystem auf den Ist-Zustand in gleicher Weise anwenden, die Zielerreichungsgrade berechnen und vergleichen. 





* * *



Cockshott  ? er gehoert am 14. Januar 2006 zu den Referenten der Rosa-Luxemburg-Konferenz ? und Cottrell sehen es als Tragik an, dass in der Sowjetunion in der Zeit nach dem Krieg, als es neben Skepsis und Widerstaenden auch eine Offenheit gegenueber Bemuehungen gab, mit den fortgeschrittensten wissenschaftlichen Methoden den Planungsprozess zu vertiefen, die technischen Moeglichkeiten tatsaechlich sehr begrenzt waren, und als diese technischen Moeglichkeiten heranreiften, die Reise immer mehr in Richtung Markt ging und schliesslich kein Interesse mehr an einer gesamtgesellschaftlichen, detaillierten Planung da war. 



Heute duerfte klar sein, dass nicht nur der Weg in Richtung Markt falsch war, sondern auch, dass es nicht die theoretische Unmoeglichkeit einer effektiven Planwirtschaft, sondern "nur" eine Handvoll Shareholder ist, die uns daran hindert, ein gesichertes und befreites Leben fuer alle zu fuehren, die Verwirklichung des historisch Moeglichen also eine praktische Frage ist. Die Chavez-Regierung in Venezuela hat das erkannt: Das Ministerium fuer Schwerindustrie ist dabei, das Buch von Cockshott und Cottrell ins Spanische zu uebersetzen, und fuer die dafuer erforderlichen Softwareimplementationen wird ein weltweites Open-Source-Projekt ins Leben gerufen. Es lohnt sich also ? auch und gerade bei uns ? fuer politische Machtverhaeltnisse zu kaempfen, die Konzepte wie die hier dargelegten umzusetzen erlauben. 



* Helmut Dunkhase ist Herausgeber des Buches von W. Paul Cockshott und Allin Cottrell: "Alternativen aus dem Rechner. Plaedoyer fuer sozialistische Planwirtschaft und direkte Demokratie", PapyRossa Verlag Koeln, 2006, 18 Euro, ISBN 3-89438-345-3 (erscheint zur Rosa-Luxemburg-Konferenz am 14.1.2006). Weiteres Material: www.helmutdunkhase.de



* Dieter Feuerstein arbeitet als Ingenieur fuer Luft- und Raumfahrttechnik in Muenchen





1 Leonid W. Kantorowitsch, The Best Use of Economic Resources, Oxford (Pergamon Press), 1965, ist die Zusammenfassung der Arbeiten des Autors auf diesem Gebiet seit ihrem Beginn 1938 an der Leningrader Universitaet



2 ebd. S.139



3 Stalin, Oekonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Berlin/DDR (Dietz Verlag), 1952, S.17



4 Walter Ulbricht, Zum oekonomischen System des Sozialismus in der DDR, Bd.2, Berlin 1968, S.530



5 Politische Oekonomie des Sozialismus und ihre Anwendung in der DDR, Berlin 1969, S.264



6 ebd. S. 390 



7 Ebd. S. 391



8 Paul Cockshott, Application of Artificial Intelligence Techniques to Economic Planning, in: Future Computing Systems, Bd. 2, 1990, S.429-443



9 Kantorowitsch bemaengelte, dass die Bewertung der Produkte nicht befriedigend geloest wird (die Berechnung der Arbeitsinhalte der Produkte stand nicht zur Debatte), die Aggregation der Tafeln zu grob sei, um befriedigende Loesungen zu finden und Planbeschraenkungen nicht in Betracht gezogen werden koennten (vgl. The Best Use of Economic Resources, a.a.O., S.281)



10 Christof Zangemeister, Nutzwertanalyse in der Systemtechnik, Muenchen (Wittmannsche Buchhandlung) 1970


Den Artikel finden Sie unter:
http://www.jungewelt.de/2006/01-10/003.php

(c) Junge Welt 2006
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