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Message 01701 [Homepage] [Navigation]
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[chox] Eigene Ideen statt verordneter Arbeit: Wie Künstler aus Wien Arbeitslosen in Leipzig helfen





Eigene Ideen statt verordneter Arbeit: Wie Künstler aus Wien Arbeitslosen in 
Leipzig helfen
	 
	

Das Wiener Kollektiv WochenKlausur will mit Kunst die Gesellschaft verändern. 
Die Gruppe hat es sich zur Aufgabe gemacht, kleine, aber konkrete Vorschläge 
zu entwickeln, mit denen soziale Probleme gelöst werden können. Anfang des 
Jahres war die WochenKlausur im Rahmen des Projekts "Shrinking Cities" in 
Leipzig zu Gast und setzte sich dort mit den Themen Arbeitslosigkeit und 
Ein-Euro-Jobs auseinander. Wolfgang Zinggl, Erfinder der WochenKlausur und 
Abgeordneter der Grünen im österreichischen Parlament, erklärt, was es mit 
dem Projekt auf sich hat und warum Ein-Euro-Jobs Freude machen können.

Was genau habt Ihr in Leipzig gemacht?

Wir wollten die Lage der Arbeitslosen nach der Hartz-IV-Reform verbessern: Das 
Problem an den Ein-Euro-Jobs ist, dass sich niemand die Arbeit aussuchen 
kann, sondern dass sie zugewiesen wird. Sie hat deshalb auch selten etwas mit 
den Interessen der Menschen oder ihrer Ausbildung zu tun. Das ist fast wie 
Zwangsarbeit: Viele haben einfach keine Lust, solche Jobs zu machen. Das 
führt dazu, dass sie zu spät kommen oder nach einer Woche ganz daheim bleiben 
und schon verlieren sie die Sozialhilfe-Berechtigung. Unsere Intention war, 
das zu ändern. Sie sollten Einfluss auf die Art ihrer Arbeit nehmen können 
und versuchen, etwas zu machen, das ihnen Freude macht. Dann ist die 
Motivation größer und vielleicht können sie eine selbstständige Tätigkeit 
daraus entwickeln.

Liegt die mangelnde Motivation nicht auch daran, dass man eben nur einen Euro 
pro Stunde verdient?

Merkwürdigerweise haben sehr viele Menschen gar nichts gegen die 
Ein-Euro-Jobs. Lieber verdienen sie 400 Euro zusätzlich und müssen dafür 20 
Stunden arbeiten, als untätig zu Hause zu sitzen. Allerdings nur wenn das 
eine Arbeit ist, die Spaß macht.

Wie habt Ihr diese Situation in den sechs Wochen Eurer Klausur geändert?

Wir haben die Arbeitslosen, die mit uns zusammengearbeitet haben, gefragt, was 
sie gerne machen würden und haben gemeinsam aus ihren Ideen verschiedene 
Projekte entwickelt. Für diese Projekte haben wir wiederum Trägervereine 
gesucht, die berechtigt sind, Ein-Euro-Jobber zu beschäftigen. Die Vereine 
fanden die Ideen gut und fordern jetzt unsere Ein-Euro-Jobber bei der Stadt 
an und beschäftigen sie.

Was für Ein-Euro-Jobs sind durch Eure Arbeit in Leipzig entstanden?

Vier Projekte beginnen im März. Drei erwerbslose Künstler haben sich 
zusammengeschlossen und möchten im Leipziger Osten eine Stadtteilgalerie 
eröffnen und den Menschen dort künstlerisches Arbeiten nahe bringen, den 
Stadtteil beleben.

Drei junge Punks wollen einen autonomen Veranstaltungsort mit dem Namen 
Les-café aufbauen und dort nicht-kommerzielle Konzerte und Lesungen 
organisieren.

Das dritte Projekt heißt "Außenstelle Literatur" und da sind eine 
Schriftstellerin, ein Übersetzer und zwei Leute, die gar nichts mit Literatur 
zu tun haben dabei. Am Stadtrand sollen Lesungen organisiert werden und was 
gelesen wird, bestimmen die zwei, die am wenigsten mit Literatur am Hut 
haben.

Das vierte Projekt ist die "Alltagshilfe für Senioren". Da ist dann zum 
Beispiel einer mit dabei, der sich mit Computern auskennt. Und wenn alte 
Menschen ein Problem mit ihrem Computer haben, kommt er und hilft.

Das hört sich alles so problemlos an. Ging das alles so einfach?

Wenn zwanzig Leute zusammen sitzen, kommen erst mal abstruse Ideen. Zum 
Beispiel: "Ich möchte gar nichts machen." Das ist natürlich schwierig. Oder: 
"Ich möchte im Minensuchdienst arbeiten." Auch schwierig, da Leipzig nicht so 
stark vermint ist. Der Antragsteller hatte eine Dokumentation gesehen und 
wollte unbedingt Ähnliches machen. Einige konnten wir nicht unterstützen, 
weil sich einfach keine Gruppe zusammen gefunden hat. Manchmal ging es aber 
auch ganz schnell, wie bei dem Stadtteil-Galerie-Projekt. Unsere Aufgabe war 
es, die Projekte auf den richtigen Weg zu bringen.

Wie haben die Arbeitslosen zu Euch gefunden?

Teilweise über Mundpropaganda, aber dann auch über Flugblätter, Inserate in 
Zeitungen und mündliche Vorsprache bei diversen Arbeitsloseninitiativen. Am 
Anfang war das eher mühsam, aber gegen Ende konnten wir uns der Leute gar 
nicht mehr erwehren. Da waren sie plötzlich alle da. Vom Fernmeldetechniker 
bis zu Studierenden, die bald fertig sind und ahnen, dass sie keinen Job 
finden werden. Oder ausgebildete Maler, mit denen wir dann auch gleich das 
erste Modellprojekt entwickelt haben.

Normalerweise sind Ein-Euro-Jobs befristet. Wie kann man dann eine Galerie 
oder ein Café aufbauen?

Das war die große Frage. Bei der Außenstelle Literatur hat der 
Schriftstellerverband zum Beispiel gesagt, "Wir schauen uns das einmal an und 
wenn es gut geht, stellen wir die Leute ein." Ein wichtiger Teil unserer 
Arbeit war, eine Trägerorganisation zu finden, die das gesamte Modell 
fortsetzt, wenn wir nicht mehr in Leipzig sind. Das macht jetzt der 
"Arbeitslosenverband Leipzig". Wenn Leute zu ihm kommen und nach 
Ein-Euro-Jobs fragen, versucht er, Leute mit gleichen Interessen 
zusammenzubringen. Wir haben das Verfahren umgedreht: Nicht mehr die Träger 
fragen bei der Stadt nach Ein-Euro-Jobbern an, sondern Arbeitslose schließen 
sich zusammen und erfinden ihren Ein-Euro-Job selbst.



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