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Message 01716 [Homepage] [Navigation]
Thread: choxT01716 Message: 1/2 L0 [In date index] [In thread index]
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[chox] Die dritte Revolution





Wasserstoff wird die Welt antreiben / Von Jeremy Rifkin
	 
	

Es dauert nur noch zwölf bis achtzehn Monate, dann beginnt eine neue Ära der 
kommerziellen Energienutzung, die die Welt verändern wird. Wir müssen uns 
darauf vorbereiten, das Potenzial der neuen Technik auszunutzen. Die Gründe 
für den Umstieg sind offensichtlich.

Wir sind zurzeit Augenzeugen der globalen Erwärmung. Die Ölpreise liegen bei 
67 Dollar pro Barrel Rohöl, und die globale Wirtschaft wird gebremst, weil 
Produzenten wie Konsumenten den Gürtel in Erwartung noch höherer 
Energiepreise in den kommenden Monaten und Jahren enger schnallen. Die 
Menschheit muss dringend einen Ausweg aus der Öl-Ära finden, um die Zukunft 
der Zivilisation zu sichern. Trotzdem setzen die großen Energie- und 
Stromkonzerne auf ihr hergebrachtes Wirtschaftsmodell; nachhaltig genutzten 
alternativen Energieformen widmen sie nur kraftlose Worte und schmale 
Forschungs- und Entwicklungsbudgets. Schlimmer noch: Viele Politiker 
orientieren sich an der Vergangenheit, sie sprechen von einer Renaissance der 
Kernkraft und setzen verstärkt auf Kohle, Ölsände sowie Schweröl - drei 
schmutzige Energiequellen, die das Treibhausgas Kohlendioxid freisetzen.

Während aber die Politik-Junkies ratlos sind und Experten die Hände ringen, 
bahnt sich auf dem Weltmarkt eine Revolution in der kommerziellen 
Energieerzeugung an - und fast niemand weiß etwas darüber außer ein paar 
Insidern. Lasst uns also tragbare Kartuschen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen 
willkommen heißen. Sie werden unsere Vorstellung von Energienutzung umwälzen, 
das Netz des Handels sowie die politischen und sozialen Beziehungen der 
Menschen, genauso wie es die mit Kohle gespeiste Dampfmaschine im 19. 
Jahrhundert getan hat und der mit Benzin betriebene Verbrennungsmotor im 20. 
Jahrhundert.

Firmen wie Hitachi, Toshiba, Samsung, Canon, Sanyo, Sony, Panasonic, NEC, 
Mitsubishi, Fujitsu, Sharp und Olympus liefern sich einen harten Wettkampf, 
kleine Wasserstoff-Brennstoffzellen auf den Markt zu bringen, um die 
traditionellen Batterien und Akkus zu ersetzen. Elektronische Geräte wie 
Laptop-Computer, Organizer, Handys, Kameras für Digitalbilder und Videos, 
MP3-Spieler oder tragbare Spielkonsolen würden daraus ihre Energie beziehen. 
Astronauten gewinnen auf diese Weise seit 30 Jahren Strom für ihre 
Raumschiffe. Der große Vorteil der Wasserstoff-Brennstoffzellen ist, dass sie 
keine Abgase erzeugen. Die einzigen Nebenprodukte der Stromerzeugung sind 
Wärme und Wasser. Für Astronauten sind die Zellen daher auch die Hauptquelle 
für Trinkwasser.

Vom Misthaufen in den Laptop


Die erste Generation der Energie-Kartuschen nutzt vor allem Methanol als 
Brennstoff. Diesem Alkohol wird der Wasserstoff entzogen, um die Zelle zu 
betreiben und Strom zu gewinnen. Dabei wird das Treibhausgas Kohlendioxid 
freigesetzt, aber das ist nur ein Problem, wenn wie bisher das meiste 
Methanol mithilfe von Öl oder Kohle gewonnen wird. Technische Fortschritte 
aber machen erneuerbare Quellen für Methanol zu einer wirtschaftlichen 
Alternative, dann wäre der Einsatz von Methanol klimaneutral. Der Alkohol 
wird zunehmend aus Methangas gewonnen, das in Mülldeponien entsteht, aus 
Schweinemist, Zuckerrüben, Reisstroh oder sogar Treibholz. Wasserstoff 
schwebt nämlich nicht in der Luft, er muss aus anderen Materialien gewonnen 
werden. Sich dabei auf fossile Brennstoffe zu verlassen, verlängert nur die 
Abhängigkeit vom Öl. Wasserstoff hingegen direkt aus Biomasse zu gewinnen, 
oder erneuerbare Energieformen - Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft sowie 
Erdwärme - zu nutzen, um Strom zu gewinnen und damit Wasserstoff aus Wasser 
zu erzeugen, ist der Anfang einer grünen Wasserstoff-Ära.

Die ersten Kartuschen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen werden im Jahr 2007 in 
den Läden stehen. Sie werden Laptop-Computern Energie für Tage liefern, wo 
bisherige Batterien nur wenige Stunden durchhalten. Tragbare Brennstoffzellen 
hätten genug Energie, um Handy-Dauertelefonate von 20 Stunden zu führen. 
IPods könnten mit einer Wasserstoff-Kartusche 80 Stunden lang Musik 
abspielen. Eine solche Zelle hätte 20 bis 30 mal so viel Energie wie eine 
Batterie und würde wahrscheinlich zwei bis drei Dollar (1,70 Euro bis 2,50 
Euro) kosten, sobald sie weltweit im Handel wäre. Kein Wunder, dass die 
großen Elektronikkonzerne begierig sind, als Erste damit auf dem Markt zu 
sein. Das wirtschaftliche Potenzial ist enorm.

Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen sind der Durchbruch, den eine zunehmend 
vernetzte Generation von Nutzern digitaler Technik braucht, um weiterhin 
autonom und mobil zu bleiben. Daher stößt die Verbindung von tragbarer 
Elektronik und Wasserstoff-Technologie eine Tür auf, die zu lange 
verschlossen war. Sie leitet die dritte industrielle Revolution ein, deren 
wirtschaftliche Effekte sich in der gesamten Ökonomie noch bis weit in die 
zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts und darüber hinaus entfalten werden.

Elektrofahrräder für Millionen


Was kommt danach? Achten Sie auf Wasserstoff-getriebene Fahrräder und 
dreirädrige Last-Rikschas mit Elektromotoren! Die deutsche Firma Masterflex 
hat bereits die erste Generation solcher Gefährte entwickelt und will in 
diesem Jahr mit Straßentests beginnen. Die Reichweite soll bis zu 250 
Kilometer betragen - weit mehr als bei Fahrrädern mit Elektrohilfsmotor und 
wieder-aufladbaren Batterien. Wenn sie 25 Kilometer pro Stunde schnell sind, 
werden die Wasserstoff-betriebenen Zwei- und Dreiräder zu einer preiswerten 
und abgasfreien Alternative für Menschen auf der ganzen Welt. Die 
amerikanische Firma Manhattan Scientifics bereitet ihre Fahrzeuge bereits für 
den asiatischen Markt vor, wo Fahrräder und Motorroller das wichtigste 
Transportmittel für Millionen Menschen sind. In absehbarer Zukunft ist zu 
erwarten, dass Fahrrad-Läden in China Wasserstoff als Treibstoff anbieten.

Auch die großen Autofirmen entwickeln Wasserstoff-Autos, -Busse und 
-Lastwagen. Sie werden zurzeit in Europa, Nordamerika und Japan im 
Straßenverkehr getestet. Toyota, Honda und General Motors haben schon 
angekündigt, dass die ersten kommerziell kalkulierten Fahrzeuge in kleinen 
Serien 2010 bis 2012 in den Autohäusern stehen. (BMW hingegen plant schon 
vorher ein Fahrzeug der 7er-Serie anzubieten, dessen Verbrennungsmotor mit 
Wasserstoff betrieben wird, Red.).

Stationäre Brennstoffzellen werden außerdem zunehmend als Reserveaggregate 
genutzt, um Zeiten zu überbrücken, in denen der Stromverbrauch besonders hoch 
ist oder in denen Elektrizität aus dem Netz besonders teuer ist. Sie dienen 
auch als Vorbereitung für den Notfall. Als im Jahr 2003 große Stromausfälle 
den Nordosten und mittleren Westen der USA trafen und die New Yorker Skyline 
verlosch, da hatte ein neues Hochhaus am Times Square Strom für Licht und 
Bürotechnik, weil es ein Minikraftwerk mit Brennstoffzellen-Technik enthielt.

Wir stehen also an der Schwelle einer dritten industriellen Revolution und 
einer neuen Ära der Energieverwendung. Wasserstoff ist unsere gemeinsame 
Zukunft. Die Frage ist nur noch, ob sie rechtzeitig beginnt, damit wir den 
Planeten retten, die anderen Wesen auf ihm schützen und unsere Spezies 
erhalten können.

Der Autor ist Gründer der Foundation on Economic Trends und publiziert seit 
langem über den Einfluss von Technik auf die Gesellschaft. Im Campus-Verlag 
erschien von ihm 2002 das Buch "Die H2-Revolution: Mit Neuer Energie für eine 
Gerechte Weltwirtschaft". Deutsche Bearbeitung: Christopher Schrader

(SZ vom 7.3.2006)

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