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[chox] die Reichen sollen zahlen?



Ja, denn woher haben sie die unermesslichen Mengen von Geld?

p&l, Helmuth

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Von Constanze von Bullion

Berlin, 8. September - Die Angreiferin reist mit dem Fahrrad an, in 
ausgewaschenen Jeans und mit einem Ausdruck im Gesicht, als sei sie unterwegs 
zu einer Party. Es stimmt, was die Leute über Lucy Redler sagen. Dass sie gut 
aussieht. Dass sie reden kann. Dass sie jung ist und nicht blöd. Und trotzdem 
wirkt sie manchmal ein wenig altmodisch und so, als zitiere sie aus einem 
Lehrbuch.

Lucy Redler ist die Spitzenkandidatin der Berliner WASG, der Wahlalternative 
Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Sie ist 27 Jahre alt und macht im Berliner 
Wahlkampf so viel Wirbel wie keine Zweite. Weil sie die Linkspartei von ganz 
links angreift und aus dem Roten Rathaus jagen könnte. Jedenfalls 
theoretisch. Fünf Prozent wurden der WASG Berlin vorhergesagt, und auch wenn 
es inzwischen nur noch drei Prozent werden sollen: Die Protestpartei könnte 
Rot-Rot die ohnehin knappe Mehrheit kosten.

Es ist ein kühler Spätsommerabend in Kreuzberg, die ersten Blätter rieseln 
aufs Trottoir, und Lucy Redler hat nicht viel Zeit. Sie kommt von einem 
Termin, muss gleich zu einer Podiumsdiskussion, jetzt nippt sie vor einem 
Café an einer Schorle und spult Merksätze ab. "Wir sind nicht bereit, diesen 
Sozialabbau mitzutragen", sagt sie. "Die Reichen sollen bezahlen." 
Oder: "Sparpolitik ist Umverteilung von unten nach oben."

Unten, das sind in der Welt der Lucy Redler die Hartz-IV-Opfer, die 
Betrogenen, die ohne Lobby, für die sie kämpft wie eine Jeanne d"Arc der 
Plattenbauten. Jeden Tag steht die Volkswirtin vor Jobcentern, erklärt 
Arbeitslosen im Osten, dass die Linkspartei, die mal PDS hieß, sie verraten 
hat. Auch denen im Westen sagt sie gern, der "neoliberale" Senat verkaufe 
ihre Sozialwohnung, ihre Wasserbetriebe, ihr Elektrizitätswerk, fast alles, 
was das Leben einer Großstadt so speist.

Was Lucy Redler nicht sagt, ist, dass auch Berlins Linkspartei darum kämpft, 
das Tafelsilber des überschuldeten Landes nicht zu verscherbeln, sondern 
Betriebe der "Daseinsvorsorge" zu zwingen, sozial und effektiv zu 
wirtschaften. Solch dröge Details aber können die Kandidatin nicht bremsen. 
Sie spricht schnell, artikuliert scharf, kennt viele Zahlen und weiß genau, 
wo die Bösewichte wohnen.

Oben natürlich, in großen Konzernen und in der Bundesregierung, die in Ländern 
und Kommunen ihre unsoziale Politik "exekutiert". 800 Millionen Euro hat die 
Steuerreform Berlin gekostet, sagt sie. "Aus meiner Sicht ist genug Geld da, 
es befindet sich in den Taschen der Reichen und Superreichen." Fragt man, ob 
solch vulgärmarxistischen Parolen nicht etwas platt sind, lächelt sie 
charmant und schüttelt den Kopf. Vulgär sei nur, wie die sogenannte Linke die 
Ärmsten ausplündere.

Woher kommt er eigentlich, der heilige Zorn, der die Bürgerstochter aus Kassel 
in eine Partei getrieben hat, die vor allem aus verkrachten Gewerk


Dann muss sie los, läuft über die Straße und ins Foyer des alten 
Hebbel-Theaters, wo Männer mit grauen Bärten ihr auf die Schulter klopfen und 
zusehen, wie sie auf die Bühne steigt und in einem hellroten Sessel 
versinkt. "Wer ist links?", heißt die Diskussion, zu der die taz die Köpfe 
von SPD, Linkspartei und Grünen eingeladen hat. Und Lucy Redler 
selbstverständlich, die als einzige Frau neben Männern in dunklen Anzügen 
sitzt. Und ihnen nach Sekunden die Schau stiehlt. Populistisch nennen sie 
sie, realitätsfremd und von gestern, ihr "Nicht-mit-uns-Gerede" bringe Berlin 
nicht voran. Irgendwann schreien sich die Kandidaten alle an. Lucy Redler 
lacht. Wie eine, die ganz gut damit lebt, einige Tage im Rampenlicht zu 
stehen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.208, Samstag, den 09. September 2006 , Seite 3
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