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Message 02193 [Homepage] [Navigation]
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[chox] Diktatoren und Ideologen fürchten die subversive Wirkung von Humor und das Gelächter der Menge



Die Menschen im Ostblock haben mehr gelacht. Es gab zwar Arbeit und
Geld, aber es waren keine Waren zu kaufen. Das Volk wußte, dass dass
Regime irgendwann zu Ende geht. Wurde auch im Nazi- Deutschland viel
gelacht? Dort war Tyranei und Ideologie miteinander  gekoppelt.
Helmuth

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Witz als Waffe


Von Petra Steinberger

Tyrannen mögen es nicht, wenn man über sie lacht. Denn Witze, das wissen
sie, sabotieren ihre Macht, untergraben den Schrecken, den sie
verbreiten, Witze ziehen ihren Pomp ins Lächerliche, Witze könnten das
Volk sogar in den Aufstand treiben. Deshalb verbieten Gewaltherrscher
wenigstens solche Witze, die sie selbst betreffen. Was meist ähnlich
wirkungsvoll ist, wie Regen zu verbieten.

Auch Psychologen, Linguisten und Philosophen haben sich über Sinn und
Ursprung des Humors Gedanken gemacht - und herausgefunden, warum
Tyrannen tatsächlich Angst haben sollten vor dem Gelächter der Menge.
Denn wer lächerlich gemacht wird, den fürchtet man schon bald nicht mehr.

Zwei Linguisten, Victor Raskin und Salvatore Attardo, entwickelten zum
Beispiel die "Theorie des Missverhältnisses". Menschen lachen über einen
Witz, weil etwas nicht ganz stimmt an der Geschichte: Zum Beispiel ein
Ende, das die ganze Absurdität der Situation zeigt und die Realität
sarkastisch überzeichnet.

Da sitzt Putin in seinem Büro, als Stalins Geist erscheint. Putin
erzählt ihm von seinen unfähigen Untergebenen. "Ganz einfach", antwortet
Stalin, "lass alle dummen Beamten erschießen und male die Mauern des
Kreml blau an." - "Warum blau?", fragt Putin. "Ha! Ich wusste, dass du
nur beim zweiten Punkt nachfragen würdest."

Humor als eine Bewältigungsstrategie für eine Realität, die sonst nur
schwer zu ertragen wäre: Das an sich ist noch nicht staatsgefährdend.
Dennoch trägt er die Subversion in sich. So hat der
US-Religionswissenschaftler John Morreall herausgefunden, dass 95
Prozent aller Texte von christlichen Gelehrten über die Jahrhunderte
hinweg Humor missbilligen. Denn der fördere, lautete der stets
wiederholte Vorwurf, Unaufrichtigkeit und Müßiggang. Doch in Wahrheit
bedrohte er eher die absolute Macht der Kirche, so wie er Tyrannen
bedrohte und so, wie es Umberto Eco in "Der Name der Rose" exemplarisch
nachgezeichnet hat.

Denn Humor und Religion sind zwei konkurrierende Strategien, um mit den
Ungerechtigkeiten des Lebens und letztlich auch mit dem Tod umzugehen.
Britische Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, dass Lachen in
der Tat ansteckend ist. Menschen reagieren auf positive Geräusche wie
Jubeln und Kichern mit einem Lächeln. Das stützt die These, dass Lachen
notwendig ist, um soziale Bindungen einzugehen. Eine lachende Gruppe
signalisiert: Keine Angst, du bist unter Freunden.

Damit fördert Humor auch das Gefühl, gemeinsam stark zu sein. Und
dadurch schlägt er den ersten Funken für den Aufruhr. Wehe dem
verlachten Tyrannen - nach der sogenannten "Überlegenheitstheorie"
lachen Menschen, wenn sie sich dem Ziel des Witzes gleichwertig oder gar
überlegen fühlen. Witz wird auf diese Weise eine Form des Widerstands.

Zuletzt jedoch, sagt Morreall, lachen Menschen, wenn sie das sichere
Gefühl haben, dass die Gefahr vorüber ist. Das hieße für den Tyrannen,
dass seine Macht gebrochen ist - und er beseitigt.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.9, Freitag, den 12. Januar 2007 , Seite 2



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