Freie Software für eine Freie Gesellschaft Bringen GNU/Linux und Co uns einer neuen Gesellschaft näher? ======================================================================================================= Stefan Merten ______________________________________________________________________ Dieser Beitrag stützt sich wesentlich auf die Diskussionen, die im Projekt Oekonux [http://www.oekonux.de/] seit Sommer 1999 stattfinden. Er stellt einen zum heutigen Zeitpunkt (Anfang 2001) weitgehend akzeptierten, wenn auch nicht von allen geteilten Stand dar. 1. "Freie Software" - was ist das eigentlich? ============================================= Spätestens seitdem Linux-bezogene Firmen an den Börsen für diverse Hypes gesorgt haben, ist der Begriff Freie Software[1] in aller Munde. Was aber hat es mit diesem Phänomen eigentlich auf sich? Da dies durchaus nicht so klar ist wie es scheinen mag, möchte ich zunächst gerne herausarbeiten, was in unserem Zusammenhang die entscheidenden Charakteristika Freier Software sind. 1.1. Charakteristika Freier Software ------------------------------------ 1.1.1. Beliebige Software kann Frei sein ---------------------------------------- Grundsätzlich kann jede beliebige Software Frei sein. Weder Verwendungszweck noch die Computer, auf denen die Software läuft, machen ein Stück Software per se unFrei. Eine kleine Auswahl von Software-Projekten zeigt die bekanntesten Vertreter Freier Software. GNU/Linux, Apache, Gcc, Perl ---------------------------- Die vielleicht bekannteste Freie Software ist heute das Betriebssystem[2] GNU/Linux [http://www.linux.org/][3]. GNU/Linux läuft heute auf den unterschiedlichsten Hardware-Plattformen - vom Embedded-Bereich über Laptops und PCs bis hin zu Großrechnern. Es zeichnet sich durch seine Sicherheit, Stabilität sowie permanente und zügige Weiterentwicklung aus. Ein weiteres Flaggschiff der Freien-Software-Gemeinde ist der Web-Server[4] Apache [http://httpd.apache.org/]. Messungen zeigen, daß mittlerweile die meisten Internet-Service-Provider voll auf Apache-Server setzen und die kommerziellen Konkurrenten - insbesondere die von Microsoft[5] - damit nach und nach verdrängen. Ein aus der Anfangszeit Freier Software stammendes Programm ist der Gcc, der mittlerweile in Egcs umbenannt wurde. Aus einem C-Compiler wurde eine Sammlung von Compilern[6] für mehrere Sprachen, darunter auch C++. Der Gcc, der von Beginn an für eine Unzahl proprietärer Plattformen zur Verfügung stand, dürfte wegen seiner Portabilität und Qualität entscheidende Beiträge für die Durchsetzung Freier Software geleistet haben. Ein ebenfalls schon seit Jahren bestehendes Projekt entwickelt die Sprache Perl [http://www.perl.com/] permanent weiter. Perl ist eine mächtige, interpretierte Hochsprache, die als ein Ersatz für einige bekannte Tools begonnen hat und heute mit objektorientierten Elementen und einer Unzahl an Libraries[7] aufwartet. Die zahllosen Anbindungen an andere Software machen Perl heute zum Alleskleber unter den Entwicklungswerkzeugen. KDE, StarOffice, Gimp --------------------- Neben diesen eher systemnahen Programmen gibt es heute aber natürlich auch eine ganze Reihe von Programmen, die sich auf dem Desktop tummeln. Das bekannteste Freie Desktop dürfte wohl KDE [http://www.kde.org] bilden. Es stellt BenutzerInnen eine Desktop-Oberfläche zur Verfügung, die in vielen Aspekten an Windows erinnert und damit den Zugang zu GNU/Linux für Windows-Gewöhnte erleichtert. Mit Gimp [http://www.gimp.org] steht ein Bildbearbeitungsprogramm zur Verfügung, das den Vergleich mit kommerziellen Produkten wie PhotoShop nicht zu scheuen braucht. Erst kürzlich wurde das bekannte StarOffice beFreit und in OpenOffice [http://www.openoffice.org/] umbenannt. Damit steht ein vollständiges Office-Paket als Freie Software zur Verfügung, das vor allem wegen seiner Kombination aus Stabilität und wirklich nützlichen Features die vergleichbaren Microsoft-Produkte weit hinter sich läßt. 1.1.2. Das eigentliche Produkt ist kostenlos -------------------------------------------- Wer einmal eine GNU/Linux-Distribution erstanden hat, der weiß auch, daß Freie Software ungemein billig ist. Tatsächlich ist das eigentliche Produkt - nämlich die auf den CDs einer verkauften Distribution enthaltene Software - völlig kostenlos. Die Entwickler Freier Software verzichten ganz bewußt auf eine finanzielle Entschädigung - wie wir noch sehen werden, weil sie keinen Schaden haben, der entschädigt werden müßte. 1.1.3. Quellcode ist verfügbar ------------------------------ Eine Voraussetzung für Freie Software ist, daß die Quellen der Software für alle einsehbar sind. Damit ist das, was unter Konkurrenzbedingungen als Betriebsgeheimnis gilt, der gesamten Menschheit zur Verfügung gestellt und somit nutzbar. Darüber hinaus gibt Freie Software den NutzerInnen vier Grundfreiheiten, für die die Verfügbarkeit der Quellen nur teilweise Voraussetzung ist. Software darf zu jedem Zweck eingesetzt werden ---------------------------------------------- Tatsächlich darf Freie Software für jeden beliebigen Zweck eingesetzt werden. So ist es z.B. nicht möglich, die Nutzung Freier Software in bestimmten Anwendungsgebieten wie z.B. der Atom- oder Gentechnik zu verbieten. Insbesondere ist es auch erlaubt, mit Freier Software Geld zu verdienen - solange die Rechte Dritter dabei nicht verletzt werden und insbesondere die Quellen verfügbar gemacht werden[8]. Die Quellen dürfen studiert und angepaßt werden ----------------------------------------------- Es ist erlaubt, die Quellen Freier Software zu studieren und so aus ihnen zu lernen. Die Frage "Wie haben die das eigentlich gemacht?" ist damit für alle Interessierten leicht zu beantworten. Darüber hinaus dürfen die Quellen auch für je eigene Zwecke verändert werden. Gefällt mir ein Feature nicht oder fehlt mir eine Kleinigkeit, so kann ich grundsätzlich hingehen und das Störende entfernen oder das Fehlende ergänzen. Bin ich selbst nicht versiert genug, so kann ich jemenschen beauftragen diese Änderungen durchzuführen. Die Software darf beliebig weitergegeben werden ----------------------------------------------- Wenn ich die Quellen mitliefere, kann ich Freie Software geben, wem ich will, wie ich will und wann ich will. Die einzige Bedingung ist, daß die EmpfängerIn die gleichen Rechte bekommt wie ich. Veränderte Versionen dürfen beliebig weitergegeben werden --------------------------------------------------------- Außer der Originalversion, die ich selbst bekommen habe, darf ich auch veränderte Versionen der Software weitergeben. Auch in diesem Fall muß die EmpfängerIn natürlich die gleichen Rechte bekommen wie ich selbst. Tatsächlich ist es sogar in den allermeisten Fällen erwünscht, wenn nützliche Fehlerbeseitigungen, Änderungen oder Erweiterungen an den Rest der Menschheit in Form eines Patches zurückgegeben werden. Solcherlei Hilfestellung wird über die Leute abgewickelt, die das entsprechende Stück Software pflegen und weiterentwickeln. Fazit: Frei im Sinne von Freiheit --------------------------------- Freie Software ist also Frei im Sinne von Freiheit. Die Kostenlosigkeit ist dabei nur ein Teilaspekt - wenn auch ein wichtiger. Insbesondere unterscheidet sich Freie Software also ganz erheblich von sogenannter Shareware, bei der von den NutzerInnen erwartet wird, daß sie nach einer gewissen Zeit für die Shareware zahlen. Auch Freeware, die zwar kostenlos ist, bei der aber die Quellen nicht mitgeliefert werden, unterscheidet sich erheblich von Freier Software. 1.2. Produktionsweise Freier Software ------------------------------------- Die Art und Weise, wie Freie Software entsteht, ist ein weiteres wichtiges Charakteristikum Freier Software. Tatsächlich unterscheidet sich die Produktionsweise Freier Software in mancherlei Hinsicht von der anderer Produkte. 1.2.1. Geldfrei --------------- In der Regel wird Freie Software ohne finanzielle Gegenleistung erstellt. Da aufgrund der Rechte, die Freie Software gewährt, die Quellen mitgeliefert werden müssen, ist ein Verkauf Freier Software zumindest pro Stück auch unpraktikabel. Natürlich können auch EntwicklerInnen Freier Software nicht von Luft und Bytes leben, sondern müssen eine materielle Grundlage in der Geldgesellschaft haben. In vielen Fällen sind es z.B. StudentInnen, die neben ihrem Studium Freie Software schreiben, aber auch ganz normale ArbeitnehmerInnen verbringen ihre Freizeit damit, Freie Software zu produzieren, wie andere Briefmarken sammeln oder ihren Garten pflegen. 1.2.2. Auf freiwilliger Grundlage --------------------------------- Eine finanzielle Entschädigung ist auch gar nicht notwendig, da Freie Software ohnehin auf freiwilliger Grundlage entsteht. Die EntwicklerInnen werden weder gezwungen noch von außen angereizt, das zu tun was sie tun, sondern sie haben eine innere Motivation für ihr Handeln. Notwendigkeit konkreter Problemlösungen --------------------------------------- Ein wichtiges Motiv für die Anstrengung, die das Schreiben Freier Software ja auch bedeutet, ist der Wunsch, konkrete Lösungen für konkrete Probleme zu haben. Viele Freie-Software-Projekte entstehen daraus, daß einE EinzelneR ein bestimmtes Problem hat, sich eine Lösung dafür bastelt, und diese Lösung anschließend der Welt zur Verfügung stellt. Andere mit dem gleichen Problem benutzen und verbessern diese Lösung dann und aus kleinen Anfängen bilden sich in teilweise atemberaubendem Tempo Großprojekte, die kommerzielle Entwicklungen oft genug in den Schatten stellen. Selbstentfaltung der EntwicklerInnen ------------------------------------ Das wichtigste Motiv für das Schreiben Freier Software dürfte schlicht und ergreifend der Spaß sein, den Programmieren machen kann[9]. Die EntwicklerInnen üben beim Programmieren ein kreatives Potential[10] aus, das ein erheblicher Teil ihrer individuellen Selbstentfaltung ist. Diese Selbstentfaltung ist den EntwicklerInnen wichtiger als das Geld, das sie mit ähnlichen, aber fremdbestimmten Tätigkeiten in der gleichen Zeit verdienen könnten. 1.2.3. Vielfältig selbstorganisiert in kleinen, unabhängigen Gruppen -------------------------------------------------------------------- In der Praxis bilden sich (in der Regel) kleine EntwicklerInnen-Teams, die ein bestimmtes Freie-Software-Projekt erstellen, pflegen und weiterentwickeln. Wie diese Teams konkret organisiert sind, ist sehr unterschiedlich. In manchen Teams sind bestimmte Rollen wie die Maintainerschaft[11] auf eine Person festgelegt, in manchen werden sie kollektiv übernommen, in wieder anderen rotiert diese Aufgabe. In jedem Fall sucht sich jedes einzelne Projekt frei und selbstbestimmt die Form, die am besten zu ihm und seinen je konkreten Bedingungen paßt. Die einzelnen Projekte, die alle zusammen eine mittlerweile riesige Menge an Freier Software herstellen, sind in der Regel untereinander höchstens lose verbunden. Viele Projekte haben ihre eigene Web-Site, auf der die erstellte Software aktuell zu beziehen ist und wo Kontakt zu den EntwicklerInnen aufgenommen werden kann. 1.2.4. International im Internet -------------------------------- Bei sehr vielen Freie-Software-Projekten sind Menschen rund um den Globus[12] beteiligt. Über das Internet kommunizieren[13] sie in Newsgroups, Mailing-Listen oder Chats miteinander und leisten so die Koordination, die bei Software-Projekten allgemein einen wichtigen Faktor darstellt. Das Internet ist damit eine der wichtigsten Grundlagen für den Erfolg Freier Software. Fazit: Oft entsteht eine hohe Qualität -------------------------------------- Das Ergebnis dieser Produktionsweise ist in vielen Fällen eine überragende Qualität[14], die kommerzielle Produkte mitunter um Längen hinter sich läßt. Diese Qualität - und das ist eine der wichtigsten Lehren des Phänomens Freie Software - kann offensichtlich nur auf Grundlage von nicht-entlohnter Selbstentfaltung in Verbindung mit internationaler, selbstorganisierter Kommunikation entstehen. Gleichzeitig ist diese Qualität auch der wichtigste Grund für die steigende Verbreitung Freier Software. 1.3. Freie Software und kommerzielle Einflüsse ---------------------------------------------- Nachdem Freie Software immer bekannter geworden ist, sind auch Firmen auf Freie Software aufmerksam geworden. An sich schon ein interessantes Phänomen - mit Freier Software ist, wenn überhaupt, ja nur sehr begrenzt Geld zu verdienen - entstehen aus dieser Entwicklung sehr unmittelbar kommerzielle Einflüsse auf Freie Software, die es hinsichtlich ihrer Bedeutung für die weitere Entwicklung zu beleuchten gilt. 1.3.1. Firmen engagieren sich ----------------------------- Die Zahl der Firmen, die sich direkt oder indirekt für Freie Software engagieren, ist inzwischen Legion. War vor sieben, acht Jahren Freie Software für Firmen noch ein absolutes Nicht-Thema[15], so bekennen sich in den letzten zwei, drei Jahren viele wichtige Firmen im Soft- und Hardware-Markt zu Freier Software. Das Minimum ist dabei, daß eigene Soft- oder Hardware-Produkte mit Freier Software zusammenarbeiten. Distributoren und Linux-Firmen (SuSE, RedHat, innominate, ...) -------------------------------------------------------------- Unter den Firmen mit Engagement für GNU/Linux gibt es zum einen ausgesprochene Linux-Firmen. Insbesondere die Distributoren[16] haben ein natürliches Interesse daran, daß Freie Software allgemein und GNU/Linux im besonderen floriert. Sie unterstützen die Freie-Software-Bewegung durch Zuarbeit und auch eigene, bezahlte EntwicklerInnen. Zuweilen treiben sie die Entwicklung dadurch voran, daß sie neuere Features schneller aufnehmen als das im Hauptstrom der Fall ist. Weitere Firmen, die mit der Freien-Software-Bewegung überhaupt erst entstanden sind, bieten Services rund um Freie Software an. Zum Teil erstellen sie im Kundenauftrag Freie Software. Da diese Firmen Freie Software als Geschäftsgrundlage haben, haben sie ein natürliches Interesse daran, die Freie-Software-Bewegung so zu erhalten wie sie ist und sie nach Möglichkeit weiter zu stärken. Bei ihnen ist also relativ klar, warum sie sich trotz ihres Profitinteresses für Freie Software engagieren. Hardware und andere (IBM, SGI, Corel, ...) ------------------------------------------ Durchaus nicht so klar ist dies hingegen bei Firmen, die nicht mit der Freien-Software-Bewegung groß geworden sind. Die Unterstützung solcher klassischen Firmen reicht dabei von der Anpassung der eigenen kommerziellen Produkte an Freie Software bis hin zur BeFreiung der eigenen Produkte, indem die Quellen veröffentlicht werden. Teilweise werden mittlerweile ganz erhebliche Mittel in Freie Software investiert. So will z.B. IBM im Jahre 2001 eine Milliarde Dollar in Freie Software investieren. Das Interesse dieser Firmen an Freier Software ist sehr unterschiedlich. Für manche Firmen ist es lediglich eine weitere Plattform, die wegen ihrer steigenden Verbreitung für sie interessant geworden ist. Für andere Firmen - insbesondere solche, die in erster Linie mit Hardware und/oder Services Geld verdienen - ist Freie Software interessant, weil sie durch sie von einzelnen Software-Herstellern unabhängig werden. Spätestens seit die Geschäftspraktiken der Firma Microsoft gerichtskundig geworden sind, dürfte klar sein, was diese Unabhängigkeit wert ist. Es hat nun wenige Fälle gegeben, in denen solche Firmen versucht haben, Freie Software einfach nur als neue Einnahmequelle zu instrumentalisieren. Bekannt geworden ist der Fall von Corel, die eine eigene GNU/Linux-Distribution vermarkten wollten und dabei einige zentrale Grundregeln wie das Mitliefern der Sourcen nicht beachtet haben. Sehr schnell haben sie eingesehen, daß sie sich besser nicht mit der Freien-Software-Bewegung anlegen, die bei Bekanntwerden dieser Fakten empört aufgeschrien hat. Heute versuchen immer mehr dieser klassischen Firmen aktiv, ein nicht-ausbeuterisches Verhältnis zu Freier Software zu gewinnen. Sie können es sich einfach nicht leisten, die Freie-Software-Bewegung gegen sich zu haben. 1.3.2. Lizenzen schützen vor Privatisierung ------------------------------------------- Auch wenn in der Praxis momentan von kommerzieller Seite wenig Gefahren zu drohen scheinen, so gibt es doch auch wichtige juristische Barrieren, die Freie Software und die mit ihr verbundenen Grundrechte schützen: die Lizenzen. General Public License (GPL) ---------------------------- Eine der ältesten und wichtigsten Lizenzen ist die GNU General Public License. Sie ist in ihrem Anspruch an Freiheit am radikalsten und sichert nachhaltig, daß Freie Software nicht reprivatisiert werden kann. Sie sichert die erwähnten vier Grundrechte durch juristische Regularien jeder NutzerIn zu. Der juristische Kniff, den sie benutzt, besteht darin, daß sie das Copyright der Verwertungswelt benutzt um allen ein kostenloses und umfassendes Nutzungsrecht im Sinne der vier Grundrechte zu geben. Andere Lizenzmodelle -------------------- Neben der GPL gibt es eine Unzahl weiterer Lizenzen, die aber entweder eine Reprivatisierung für bestimmte Personen oder Firmen zulassen oder sonstwie die vier erwähnten Grundrechte nicht vollständig gewährleisten[17]. Mittlerweile ist aber ein deutlicher Trend hin zur Verwendung der GPL erkennbar. 1.3.3. Qualität entsteht durch Abwesenheit von Entfremdung ---------------------------------------------------------- Es gibt aber noch einen fundamentaleren Grund, warum Freie Software gegen kommerzielle Einflüsse immun ist: Die Qualität, die in Freier Software an der Tagesordnung ist, kann offensichtlich nur unter nicht entfremdeten Bedingungen entstehen. Da wo Menschen Software schreiben, weil es Teil ihrer Selbstentfaltung ist, ist diese Entwicklungstätigkeit Teil des Lebens selbst und nicht auf einen sekundären Zweck wie das Geldverdienen ausgerichtet. 1.3.4. Lohnarbeit widerspricht Selbstentfaltung ----------------------------------------------- Diese Grundlage wird tendenziell zerstört, wenn Freie Software unter Lohnarbeitsbedingungen hergestellt wird. Die kapitalistische Produktionsweise beruht ja gerade auf dem Paradigma, daß der Markt, mithin also dem Individuum und seiner Selbstentfaltung äußerliche Größen, die Produktion bestimmen. Im Lohnarbeitsverhältnis schlägt sich das darin nieder, daß Chefs bestimmen, was ihre Untergebenen zu tun haben[18]. Für die UnternehmerInnen bedeutet das, daß sie die Produktion auf den Markt ausrichten müssen. Fazit: Freie Software kann nur geldfrei entstehen ------------------------------------------------- Damit ist die individuelle Selbstentfaltung als fundamentale Grundlage der Entwicklung Freier Software unter Bedingungen der Lohnarbeit aber nicht mehr gegeben[19] und damit Freie Software letztendlich nicht in den kapitalistischen Markt reintegrierbar. 1.4. Perspektiven Freier Software --------------------------------- Nachdem seit einigen Jahren alle Statistiken eine zunehmende Verbreitung von GNU/Linux gesehen haben, stellt sich natürlich die Frage, welche Perspektiven Freie Software allgemein und GNU/Linux speziell haben. 1.4.1. Freie Software wird immer wichtiger ------------------------------------------ Schon heute ist absehbar, daß die Bedeutung von GNU/Linux weiter wachsen wird. Die Server, mit denen vor allem Computer-Fachleute arbeiten, laufen schon heute zu einem großen Teil unter GNU/Linux. Die sie betreuenden Fachleute waren einerseits die ersten, die die überragende Qualität wahrgenommen haben, andererseits sind große Teile heute existierender Freier Software auch eher diesem Sektor zuzurechnen. GNU/Linux auch auf dem Desktop ------------------------------ Mittlerweile ist aber auch auf dem Desktop eine Entwicklung hin zu immer mehr GNU/Linux-Installationen[20] zu beobachten. Auch bei Privatleuten spricht sich immer stärker herum, daß eine GNU/Linux-Installation in aller Regel viel weniger Probleme macht als die verbreiteten Microsoft-Produkte. Und seitdem die Distributionen Hilfsmittel mitbringen, die eine GNU/Linux-Installation heute sogar einfacher machen als eine Windows-Installation, sind auch viele interessierte Laien in der Lage, dies selbst vorzunehmen - und von der Idee Freier Software angesteckt zu werden :-) . Mit der immer besseren Verfügbarkeit von ausgesprochen Desktop-orientierten Produkten wie dem oben erwähnten StarOffice oder Gimp[21] wird sich dieser Trend zweifellos verstärken. GNU/Linux auf Embedded Systems ------------------------------ Doch auch im technischen Bereich erobert GNU/Linux eine Bastion nach der anderen. Aktuell gibt es eine breite Entwicklung, GNU/Linux auch im Bereich der Embedded Computers[22] einzusetzen. Diese Entwicklung wird dadurch begünstigt, daß GNU/Linux extrem skalierbar ist. So gibt es GNU/Linux-Systeme, die komplett auf eine Diskette passen. Stürmische Entwicklung ---------------------- Insgesamt ist eine stürmische Entwicklung hin zur Verwendung Freier Software in allen Sektoren zu verzeichnen. Auch im Highend-Bereich, in dem Supercomputer mit zum Teil vielen Tausend Prozessoren arbeiten, wird Freie Software immer mehr zum Standard. 1.4.2. Immer mehr begeistern sich für die Idee ---------------------------------------------- Neben dieser Entwicklung im technischen Bereich hat Freie Software aber auch noch andere Auswirkungen auf die, die mit ihr in Berührung kommen. Die Idee Freier Software ist einfach faszinierend und nachdem die Leute erstmal verstanden haben, daß es sich bei Freier Software nicht um Betrug oder minderwertige Produkte handelt, sind sie nicht selten ganz begeistert von der Idee. Diese Begeisterung, die letztlich aus dem Gefühl kommt, Teil einer wirklich guten Sache zu sein, ist in anderen Sektoren heute ja kaum noch wahrnehmbar und von daher in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen. Als Beleg mögen die vielen, vielen freiwilligen Aktivitäten dienen, die rund um Freie Software entstanden sind. Das geht bei zahlreichen Linux-User-Groups los, setzt sich bei aktiven Beiträgen zur Freien Software fort und mündet in Großveranstaltungen wie dem LinuxTag [http://www.linuxtag.org/], der mittlerweile jährlich weit über 10000 BesucherInnen anzieht und dessen Organisation nach wie vor von freiwilligen AktivistInnen getragen wird. 1.4.3. Die Prinzipien Freier Software auch in anderen Bereichen --------------------------------------------------------------- Die Begeisterung, die Freie Software nicht selten auslöst, strahlt mittlerweile in immer mehr andere Bereiche menschlicher Aktivität. Überall gibt es einzelne, die überlegen, ob sich nicht in ihrem Interessensgebiet die Prinzipien Freier Software nutzbringend einsetzen lassen. Besonders spannend sind Umsetzungen im Bereich der Produktion von Informationsgütern und mittlerweile auch materieller Güter. Fazit: Linux World Domination ;-) --------------------------------- Es ist wohl nicht vermessen zu sagen, daß diese Entwicklungen weiterlaufen werden. Die Ideen Freier Software werden in der nächsten Zeit weitere Verbreitung finden und die Begeisterung dafür wird weiter steigen. Dabei wird aber keine neue Form der Herrschaft herauskommen, da Freie Software nicht herrscht. Im Gegenteil: Wenn Wissen Macht ist, und wenn Freie Software das Wissen so fein verteilt, wie es sonst nirgends der Fall ist, dann löst Freie Software auch Machtkonzentrationen tendenziell auf. 2. Das Besondere an Freier Software =================================== Bei Freier Software handelt es sich also um ein spannendes und sich immer weiter ausbreitendes Phänomen. Bis hierher ist aber noch nicht klar, warum wir im Projekt Oekonux [http://www.oekonux.de/] darüber nachdenken, ob Freie Software ein gesellschaftsveränderndes Moment haben kann, das über die eigene Ausbreitung hinausgeht. Tatsächlich hat Freie Software aufgrund der ihr zugrundeliegenden Prinzipien einige besondere Eigenschaften. Insbesondere ist sie gegen Hobbies und Waren abzugrenzen. 2.1. Freie Software ist kein einfaches Hobby -------------------------------------------- Freie Software ist in manchen Aspekten mit produktiven Hobbies wie Gartenbau, Kochen oder Auto-Schrauben vergleichbar. Allerdings gibt es einige Aspekte, die Freie Software von einfachen Hobbies deutlich abgrenzen. 2.1.1. Hat hohen gesellschaftlichen Nutzen ------------------------------------------ Im Gegensatz zu fast allen Hobbies hat Freie Software einen hohen gesellschaftlichen Nutzen: Freie Software ermöglicht bzw. erleichtert praktisch jedem Menschen auf der Welt die Nutzung eines Computers. Andere Hobbies können z.B. wegen ihrer Gebundenheit an Materie diese Eigenschaft nicht haben. Allerdings wäre im Bereich der Hobbies, die vor allem Information produzieren, eine ähnliche Entwicklung denkbar und sie ist teilweise schon im Gange. 2.1.2. Direkte Konkurrenz zu Waren ---------------------------------- Freie Software kann sich durchsetzen, obwohl es einen voll ausgebauten Warenmarkt für Software gibt, auf dem sich zudem die mächtigsten Firmen dieses Planeten tummeln. Keinem anderen Hobbyprodukt ist dies jemals gelungen. In anderen Fällen ist die Hobbyphase eines Produkts vielmehr mit eintretendem Markterfolg unwiederbringlich vorbei. 2.1.3. Hochmodernes Produkt --------------------------- Die meisten Hobbyprodukte sind eher im handwerklichen Bereich angesiedelt und entstammen damit eigentlich der vorindustriellen Phase der Produktion. Freie Software ist jedoch ein hochmodernes Produkt, das auf den modernsten Produktionsmitteln entsteht - Computern. Mit einigem Recht kann sogar gesagt werden, daß Software im allgemeinen bereits der nachindustriellen Phase angehört. 2.1.4. Entsteht international ----------------------------- Während die meisten Hobbies von Einzelnen oder kleinen, lokalen Gruppen ausgeübt werden, entsteht Freie Software regelmäßig in internationalen Gruppen. Dabei funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Menschen rund um den Globus so reibungslos wie es sich viele transnationale Konzerne wünschen würden. Fazit: Hobby, aber in neuer Qualität ------------------------------------ Freie Software entstammt zwar dem Hobbybereich, ist aber in vielerlei Hinsicht nicht als einfaches Hobby einzuordnen, sondern hat Qualitäten, die über ein einfaches Hobby hinausweisen. 2.2. Freie Software ist keine Ware ---------------------------------- Auch wenn Distributionen Freier Software verkauft werden, so ist Freie Software jedoch keine Ware und unterscheidet sich in einigen Aspekte von diesen. 2.2.1. Tauschfrei ----------------- Freie Software ist prinzipiell ohne einen Tauschvorgang erhältlich. Ich muß also nichts geben, um ein Stück Freie Software zu bekommen[23]. Tatsächlich dürften die allermeisten NutzerInnen Freier Software nie einen Beitrag zu den Produkten leisten, die sie benutzen. 2.2.2. Im Überfluß vorhanden ---------------------------- Im Gegensatz zu Waren, die eigentlich erst wegen ihrer Knappheit[24] zu Waren gemacht werden können, ist Freie Software im Überfluß vorhanden. Wer ein Stück Freie Software braucht, kann es sich einfach nehmen. Mittlerweile gibt es auch schon für sehr viele Anwendungen gute bis sehr gute Freie Software, so daß die meisten Computer-NutzerInnen heute weitgehend, wenn nicht sogar vollständig, mit Freier Software arbeiten können. 2.2.3. Offenliegende Quellen machen Geheimnisse unmöglich --------------------------------------------------------- Da bei Freier Software die Quellen offenliegen, sind Betriebsgeheimnisse, ohne die kommerzielle Firmen nicht auskommen, nicht möglich. Jede Technik, die in einem Stück Freier Software verwendet wird, kann - und soll! - ja ganz explizit von anderen auch als Idee genutzt werden. 2.2.4. Kooperation statt Konkurrenz ----------------------------------- Solche Geheimnisse sind aber auch gar nicht erwünscht, da EntwicklerInnen Freier Software an einem gemeinsamen Ziel arbeiten: Der Erstellung brauchbarer und guter Software. Zwar gibt es zuweilen Meinungsverschiedenheiten, was brauchbar und gut ist und wie der beste Weg zu einem brauchbaren und guten Produkt aussieht. Die Entscheidung einer solchen Frage ist aber nicht - wie so oft in konkurrenzbasierten Systemen wie dem Markt - eine Überlebensfrage für einen der Konkurrenten. Tatsächlich gibt es in der Freien Software eher selten eine große Auswahl an Produkten für ein bestimmtes Problem. Oft sind aber die existierenden Produkte so gut, daß gar kein Bedarf nach Konkurrenz besteht[25]. Allerdings ist Freie Software häufig in höchstem Maße konfigurier- und damit weitestgehend an individuelle Vorstellungen anpaßbar. Fazit: Freie Software ist so wertlos wie die Luft zum Atmen ----------------------------------------------------------- Freie Software ist also ein Produkt, daß zwar nützlich ist, aber keinen Tauschwert hat. Wegen der Grundrechte, die Freie Software allen NutzerInnen einräumt, kann sie auch nachträglich keinen Wert bekommen. Ihrem Nutzen tut das aber keinen Abbruch. 2.3. Freie Software = Selbstentfaltung + Internet ------------------------------------------------- Diese besonderen Eigenschaften, die Freie Software von anderen Produkten und Phänomenen unterscheiden, konnten historisch nicht früher entstehen. Zwei entscheidende Faktoren, die erst in der Spätphase marktwirtschaftlicher Entwicklung eingetreten sind, treffen sich in Freier Software. 2.3.1. Selbstentfaltung ist zentraler Motor für Produktion ---------------------------------------------------------- Der eine, bereits erwähnte Faktor ist der der individuellen Selbstentfaltung, die bei der Entwicklung von Software im allgemeinen und Freier Software im besonderen möglich ist. Diese Möglichkeit zur Selbstentfaltung, aus der die Lust am produktiven Schaffen entsteht, ist der zentrale Motor für die permanente Weiterentwicklung Freier Software. 2.3.2. Digitale Kopie als Produktionsmittel ------------------------------------------- Während der Faktor Selbstentfaltung nicht historisch neu, sondern tief im Menschen[26] verankert ist, tritt in unserer Zeit die digitale Kopie als neue Technik mit ungeheuren Auswirkungen hinzu. Diese Auswirkungen verdanken sich einigen besonderen Eigenschaften der digitalen Kopie. Verlustfrei ----------- Die Bits einer digitalen Kopie sind nicht vom Original unterscheidbar[27] und weder Original noch Kopie leiden unter einem Kopiervorgang. Durch Computer für alle verfügbar --------------------------------- Durch die steigende Verbreitung von Computern ist die für digitale Kopien notwendige Technologie[28] mittlerweile in vielen Haushalten zu finden. Zumindest die Reproduktionstechnik, die digitale Kopierer darstellen, ist also mittlerweile Teil der normalen Einrichtung geworden. Über große Entfernungen hinweg möglich (Internet) ------------------------------------------------- Das Internet ist genau genommen nicht viel mehr als eine gigantische Fernkopiereinrichtung für digitale Daten. Schon das Laden einer Web-Seite ist beispielsweise eine Kopie der Seite mindestens in den Hauptspeicher des anzeigenden Computers. In Sekundenschnelle und weitestgehend unbeeindruckt von Staatsgrenzen[29] können Bits, Bytes und Megabytes von allen Vernetzten rund um den Globus kopiert werden. Der internationale Informationsfluß, der dadurch möglich wird, ist mit keiner vorherigen Technologie auch nur im Ansatz denkbar gewesen[30]. Universell für alle (digitalen) Informationsprodukte ---------------------------------------------------- Zudem ist die digitale Kopie universell für alle Informationsprodukte auf digitaler Basis. Es ist beim Kopieren von Bits völlig gleichgültig, ob es sich um einen Liebesbrief, ein Kochrezept, eine Konstruktionszeichnung, eine Musikdatei, ein Programm, den Inhalt einer Datenbank oder ... handelt. Damit ist die digitale Kopie eine Basistechnologie für die Welt der digitalen Informationsprodukte, genauso wie es der Buchdruck für die Welt der auf Papier fixierbaren Informationsprodukte war. Fazit: Digitale Kopierbarkeit ist eine neue Qualität ---------------------------------------------------- Die Reproduzierbarkeit digitaler Information bietet also Möglichkeiten, die mit früheren Techniken der Informationsverbreitung nicht einmal denkbar waren. Ist diese Technik an sich schon revolutionär genug - viele staunende Kommentare zum Phänomen Internet mögen als Beleg gelten - so hat die digitale Kopie in Verbindung mit Freier Software und deren Selbstentfaltung erst wirklich systemsprengendes Potential. 3. Der Weg in die GPL-Gesellschaft ================================== Sind die revolutionären Möglichkeiten, die Freie Software und ihre Prinzipien bieten, nun angedeutet worden, so stellt sich immer noch die Frage, wie eine neue gesellschaftliche Formation, die auf den Prinzipien Freier Software beruht, erreicht werden kann. Wir bezeichnen diese Formation als GPL-Gesellschaft, um auf die entscheidende Bedeutung der GPL hinzuweisen. 3.1. Die Utopie --------------- Nun ist natürlich heute nicht klar, wie eine voll entwickelte GPL-Gesellschaft aussehen wird und es gibt hier auch grundsätzliche Schwierigkeiten[31]. Es kann allerdings auf der bereits vorhandenen Grundlage erörtert werden, auf welchen Grundlagen eine solche Gesellschaft beruhen müßte. 3.1.1. Produktionsmittel ermöglichen Selbstentfaltung ----------------------------------------------------- Heutige Produktionsmittel werden in der Regel von Menschen genutzt, die durch ihre Arbeit in erster Linie ihr Geldinteresse befriedigen, für die der Inhalt ihrer Arbeit also eher zweitrangig ist. Zukünftige Produktionsmittel müssen dagegen Selbstentfaltung auf breiter Basis ermöglichen. Es muß Spaß machen, an diesen Produktionsmitteln tätig zu sein. Die Kreativität der Menschen muß durch sinnvolle Herausforderungen angesprochen werden. Die gesamte Produktionsumgebung muß nach menschlichen Maßstäben[32] geschnitten werden. 3.1.2. Nützliche Tätigkeiten sind Selbstentfaltung -------------------------------------------------- Die Tätigkeit, die an solchen Produktionsmitteln stattfindet, ist gleichzeitig beides: Selbstentfaltung und nützliche Tätigkeit. Das, was gesellschaftlich notwendig ist, muß nicht mehr mit Hilfe eines strukturellen Zwangs wie dem des Geldverdienens den Menschen abgerungen werden, sondern entsteht als nützlicher Nebeneffekt dessen, was die Leute als Ausleben ihrer individuellen Freiheit tun wollen. 3.1.3. Informationen und Güter stehen Frei zur Verfügung -------------------------------------------------------- Informationen und Güter stehen allen Frei zur Verfügung. Bedürfnisse werden gedeckt, indem Menschen sich das aus dem gesellschaftlichen Reichtum nehmen, was sie brauchen. 3.1.4. Überwindung der Arbeitsgesellschaft ------------------------------------------ Insgesamt ist mit einer Überwindung der auf abstrakter Arbeit beruhenden gesellschaftlichen Formation zu rechnen. Keine Arbeit, keine Waren ------------------------- Wenn Tätigkeiten nicht bezahlt werden, sondern die individuelle Selbstentfaltung die Motivation für eine Tätigkeit darstellt, dann gibt es keine Arbeit im herkömmlichen Sinne mehr. Genausowenig gibt es Waren im herkömmlichen Sinne, da nicht für einen abstrakten Markt produziert wird, sondern aus konkreten, menschenbezogenen Gründen. Kein Tausch, kein Geld ---------------------- Wenn weder Arbeit noch Waren sinnvoll sind, wenn die Knappheit überwunden ist, dann ist Tausch nicht mehr die notwendige Grundlage der Vergesellschaftung und Geld damit obsolet. Keine Entfremdung ----------------- Den Entfremdungsphänomenen, die in Arbeitsgesellschaften notwendig auftreten, ist damit letztendlich die Grundlage entzogen. Produktive Tätigkeiten werden aus je konkreten Gründen ausgeführt und folglich kann weder der Zwang zum Geldverdienen noch der zur Profitmaximierung noch länger die oberste Handlungsmaxime sein. Damit ist es möglich, gesellschaftlich nützliche Tätigkeit an sich und ohne den Umweg über ihre Verwertung zu würdigen. Gleichzeitig würde Raum geschaffen, daß zu tun, was nötig ist und nicht das tun zu müssen, was Vermarktungsdruck diktiert. 3.1.5. Wichtigste Produktivkraft ist die menschliche Selbstentfaltung --------------------------------------------------------------------- Die wichtigste Produktivkraft in einer solchen GPL-Gesellschaft ist die menschliche Selbstentfaltung geworden. Die Entfaltung dieser Produktivkraft beruht zwar auf den Produktivkräften der agrarischen und industriellen Phase, wird aber dominierend sein und somit über beide hinausgehen. Fazit: Freiheit des Einzelnen wird zur Bedingung der Freiheit aller ------------------------------------------------------------------- Somit wird die Freiheit des Einzelnen, die individuelle Selbstentfaltung in Verbindung mit der selbstorganisierten, globalen Kooperation, im Wortsinne zur Voraussetzung für die Freiheit der gesamten Gesellschaft. 3.2. Freie Informationsgüter ---------------------------- Computerprogramme sind natürlich nur eine, wenn auch heute sehr wichtige, Sorte von Informationsgütern. Es gibt aber zahlreiche andere Informationsgüter, die zum guten Teil auch vernünftig in digitale Form gebracht werden können. Damit unterliegen diese Informationsgüter prinzipiell den gleichen Bedingungen wie Software und eine ähnliche Entwicklung wie bei der Freien Software ist bei diesen Gütern heute, zumindest von den technischen Voraussetzungen her, vorstellbar. 3.2.1. Bekannte --------------- Tatsächlich ist die Idee, Information Frei fließen zu lassen, nicht wirklich neu[33]. Auf einigen Gebieten ist der Freie Informationsfluß üblich oder auch geradezu selbstverständlich. Wissenschaft? ------------- In der Wissenschaft ist der Freie Fluß von Informationen immer eine wichtige Grundlage gewesen. Schon in frühsten Zeiten haben WissenschaftlerInnen ihre Erkenntnisse global weitergegeben und damit den Fortschritt der Menschheit auf allen Gebieten vorangetrieben. Die aktuelle Entwicklung gibt allerdings Anlaß zur Besorgnis, denn immer mehr WissenschaftlerInnen beginnen unter dem Konkurrenz- und Vermarktungsdruck, dem sie sich ausgesetzt sehen, ihre Ergebnisse zu verheimlichen. Es gibt jedoch auch das Phänomen, daß wissenschaftliche Ergebnisse zuerst und brandaktuell im Web veröffentlicht werden anstatt in den üblichen Magazinen. Freie Kochrezepte ----------------- Kochrezepte sind in vielerlei Hinsicht mit Freier Software vergleichbar. JedeR kann ein Rezept nachkochen, das Rezept kann studiert und beliebig variiert werden, und sowohl das Grundrezept als auch Ableitungen daraus dürfen Frei weitergegeben werden. Die individuelle Selbstentfaltung beim Kochen verbindet sich mit der selbstorganisierten und internationalen Kooperation in der riesigen Community der KöchInnen, in der Kochrezepte Frei weitergegeben und weiterentwickelt werden[34]. In Form von Kochbüchern gibt es sogar kommerziell vertriebene Distributionen, die einem Satz GNU/Linux-CDs von der Idee her sehr nahe kommen. Vielleicht wird an diesem Beispiel am augenfälligsten, das Freier Informationsfluß ein Segen für die Menschheit als Ganzes ist. Als Gedankenexperiment möge mensch sich vorstellen, wie unsere Speisepläne wohl aussähen, wenn alle Rezepte proprietär wären... 3.2.2. Neue ----------- Inspiriert von der Idee Freier Software entwickeln sich tatsächlich aber auch bei anderen Informationsgütern Formen, die zu deren BeFreiung führen. Freie Literatur --------------- Auf einigen Web-Sites wird Freie Literatur (z.B. bei der Leselupe [http://www.leselupe.de/]) und andere Entwicklung Freier Texte (z.B. bei Open Theory [http://www.opentheory.org/]) versucht. In der Regel wird dort der Text einer AutorIn dem Review der Netzgemeinde überlassen. Freie Enzyklopädien ------------------- Mehrere Projekte befassen sich mit der Erstellung einer Enzyklopädie im Internet (z.B. die Encyclopaedia Aperta [http://www.opentheory.org/proj/enzyklopaedie]). Bei diesen Enzyklopädien können beispielsweise leicht verschiedene Sichtweisen nebeneinander dargestellt werden. Peer-Review-Verfahren sichern die Qualität der Beiträge. Freie Musik ----------- Musik im Internet[35] ist vor allem durch das Datenformat MP3[36] und Napster [http://www.napster.com/] bekannt geworden. Allerdings ist der Fluß von Musik durch Napster nicht mit Freier Software zu vergleichen, da die Stücke nicht Frei sind, sondern restriktiven Copyright-Bedingungen unterliegen. Mit dem durch Napster ausgelösten Boom vergleichbar sind eher die Zeiten, in denen das Raubkopieren von Software praktisch die einzige Möglichkeit war, kostenlos aber illegal an Software zu kommen. Im Zuge der Verbreitung des MP3-Formats bilden sich aber auch Phänomene, die Freier Software ähnlich sind. So stellen Freie KünstlerInnen ihre Werke im Netz der Welt zur Verfügung (z.B. im europäischen MP3-Verbund [http://www.mp3eu.net/]). Wir dürfen gespannt sein, ob sich die Entwicklung, die wir bei Freier Software erlebt haben, in diesem Sektor wiederholt. Vielleicht sind in zehn Jahren Freie MusikerInnen[37] so bekannt, wie die MusikerInnen, die heute von den großen Plattenfirmen mit Millionenbeträgen aufgebaut werden. Fazit: Die Idee Freier Informationsgüter bekommt Zulauf ------------------------------------------------------- An vielen Stellen[38] ist zu beobachten, daß die Idee Freier Software bei anderen Informationsgütern Nachahmung findet. Die breite Verfügbarkeit der digitalen Kopie und die Digitalisierung von immer mehr Informationsgütern treibt dieser Entwicklung ständig voran. 3.3. Freie materielle Güter --------------------------- Ein entscheidender Schritt beim Weg in die GPL-Gesellschaft ist die Übertragung der Prinzipien der Freien Software auf materielle Güter. Zunächst scheint dies eine unüberwindliche Hürde, da materielle Güter nicht den Bedingungen der digitalen Kopie unterliegen. Doch auch auf diesem Sektor gibt es bereits eine Reihe interessanter Entwicklungen. 3.3.1. Konkrete Projekte ------------------------ So gibt es inzwischen mehrere Projekte, die sich mit dem Design materieller Güter befassen. Sie entwerfen dabei ein Gut, das dann von kommerziellen Firmen hergestellt werden kann. Der Vorteil für eine Herstellerfirma liegt darin, daß sie die Kosten für eine Produktentwicklung nicht selbst aufbringen muß. Überdies profitiert sie von dem Freien Entwicklungsprozeß, der einen von der Freien Software bekannten Qualitätsstandard begünstigt. Freie Elektronik- und Hardware-Projekte --------------------------------------- Verschiedene Projekte befassen sich mit dem Entwurf elektronischer Schaltungen (z.B. Open Collector [http://opencollector.org/]) oder von Chips (z.B. OpenCores.org [http://www.opencores.org/]). Auf dem Sektor des Chip-Designs gibt es sogar Entwicklungen, in denen Firmen ihre normalerweise streng gehüteten Designs beFreien, um von den Vorteilen Freier Entwicklungsprozesse zu profitieren. Freie CPU --------- Seit geraumer Zeit gibt es das F-CPU Projekt [http://www.f-cpu.org/], in dem eine Freie CPU[39] entworfen wird. Die EntwicklerInnen sind mit ihren Entwürfen schon recht weit fortgeschritten. Freies Auto-Projekt ------------------- Eines der ambitioniertesten Freien Projekte mit dem Ziel eines materiellen Guts ist sicher das OSCar Projekt [http://www.theoscarproject.org/], das noch ganz am Anfang steht. Dort wird versucht, ein Auto nach den Prinzipien Freier Software zu entwerfen. 3.3.2. Information ist bereits im Kapitalismus wichtige Voraussetzung materieller Produktion -------------------------------------------------------------------------------------------- Ein wichtiger Trend für die Durchsetzung der GPL-Gesellschaft findet jedoch bereits mitten im Kapitalismus und vor unser aller Augen statt: Die ständig steigende Bedeutung von Informationen für die materielle Produktion selbst. Vermutlich ist hier erst die Spitze des Eisbergs zu erkennen, denn die Rationalisierungspotentiale, die der flächendeckende Einsatz des Internet vor allem zwischen den Firmen noch bietet, sind riesig. 3.3.3. Materielle Produktion wird zum Anhängsel der Informationsproduktion -------------------------------------------------------------------------- Vermutlich bildet Information zumindest in einigen hochautomatisierten Industriebereichen heute bereits den Dreh- und Angelpunkt, ohne den materielle Produktion auf dem Stand der Produktivität gar nicht mehr denkbar wäre. Hier bildet sich schon das Phänomen heraus, daß die materielle Produktion zunehmend nur noch zum Anhängsel der immer wichtiger werdenden Produktion von Informationen wird. Ein vergleichbarer Prozeß hat sich im Übergang von den Agrar- zu den Industriegesellschaften vollzogen, wo die agrarische Produktion heute auch nur noch ein Anhängsel der Industrieproduktion ist. Fazit: Informationsgesellschaft schafft fundamental neue Situation ------------------------------------------------------------------ Die permanente Erhöhung der Produktivität, die in der Spätphase des Kapitalismus die Geißel der Arbeitslosigkeit zur Folge hat, könnte in einer neuen gesellschaftlichen Formation endlich zum Segen werden. Die Freie Software mit ihren Prinzipien jenseits der Verwertung, die das Wort von der Informationsgesellschaft auf den Begriff bringt, scheint die lange gesuchte Keimform zu sein, die eine Vergesellschaftung auf dem Stand der Produktivkraftentwicklung, aber jenseits der Tausch- und Arbeitsgesellschaft erstmals aufscheinen läßt. 4. Perspektiven =============== Welche Perspektiven ergeben sich nun aus diesem Weg in die GPL-Gesellschaft? 4.1. Das Utopische Klo ---------------------- Zur Illustration, wie eine GPL-Gesellschaft aussehen könnte, soll hier ein Ausschnitt aus dem Text "Das Utopische Klo" [http://www.oekonux.de/texte/utoklo.html] gebracht werden. Der Text wurde von Annette Schlemm begonnen und von ihr und anderen in die heutige Form gebracht. Der zitierte Teil stammt wesentlich vom Autor des vorliegenden Beitrags. Der Text skizziert die Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses ;-) . Ach ja, die Technik. Ich, das Utopische Klo, muß ja auch meine Funktion erfüllen. Die Zeiten der Löcher mit Brett sind wohl in fast allen Wohngruppen vorbei. Ich weiß noch, wie ich noch als Vielfalt von Ideen in den Köpfen meiner heutigen BenutzerInnen schwebte - die meisten Ideen kamen aus einer Datei aus dem Internet, in der eine Schülerin aus dem 21. Jahrhundert in einer Projektarbeit so ziemlich alle in der Geschichte verwendeten Toilettenarten zusammen gestellt hatte. Meine Leute machten sich die meiste Arbeit damit, darüber nachzudenken, wie sie Arbeit einsparen könnten. Dadurch bin ich nicht vergleichbar mit den Klos vor der Großen Gesellschaftlichen Wende. Aber da die Leute ja die technischen Ideen davon kannten, konnten sie viel davon in mich integrieren, ohne übertriebenen Blödsinn einbauen zu müssen. Etwas länger dauerte die Diskussion darüber, was sie selber tun wollten und könnten, und wozu sie andere fragen müßten, ob sie es für sie tun würden. Dazu war eine kleine Recherche im Internet nötig, um zu schauen, wer kundtat, was er gerne für andere machen würde oder was jemand zum Verwenden übrig hätte. Es gibt da eine Web-Seite namens "Klotopia", von der aus alles über Klo-Bauen und -verwenden recherchiert werden kann. Da haben dann meine heutigen BenutzerInnen alle zusammen zuerst einmal um die Web-Seite von Klotopia rumgesessen, bei der sie verschiedene Parameter eines möglichen Klos einstellen konnten. Lange haben sie da gesessen bis aus dem Bedürfnis nach einem neuen Klo so etwas wie ein Vorentwurf wurde. Und was es da nicht alles zu entscheiden gab! Die Fragen nach der äußeren Gestaltung waren da noch eher einfach zu lösen. Manche Bedürfnisse konnten überhaupt erst dann formuliert werden, als meine BenutzerInnen sahen, daß es eine technische Lösung gab. So waren sie noch gar nicht auf die Idee gekommen, daß meine Benutzung durch kleine Kinder mit Hilfe besonderer Vorrichtungen vereinfacht werden könnte. Na ja, und weil sie eben kleine Kinder als mögliche DauernutzerInnen für mich vorsehen wollten - einige meiner BenutzerInnen planten bereits Nachwuchs ;-) -, haben sie dann eine Reihe von Vorrichtungen in mich integriert, die ihrer Nachkommenschaft das Leben erleichtern. Die Klotopia-Site unterstützte sie bei diesen Entwurfsüberlegungen dadurch, daß ständig Bilder von Modellen des gerade eingestellten Entwurfs verfügbar waren. Das half ihnen sehr, sich die Auswirkung der einen oder anderen Entscheidung vorzustellen. Diese Modelle hätten sie sogar noch bildlich in ihr konkretes Bad hineinmodellieren lassen können, aber das hielten sie nicht für notwendig. Vor der Großen Gesellschaftlichen Wende soll so etwas ganz anders abgelaufen sein. Da gab es überhaupt keinen solchen Planungsprozeß, sondern die Menschen, die ein Bedürfnis hatten, konnten lediglich in einen sognannten Sanitärmarkt gehen - im wesentlichen eine große, unfreundliche Halle. Dort wurden verschiedene, vorkonfigurierte Klos angeboten. Und für diesen bestenfalls halbwegs brauchbaren Mist haben die Leute damals sogar ihr über alles geliebtes Geld hergegeben... Nun ist meinen BenutzerInnen aber nicht jede Entscheidung für die Erfüllung eines bestimmten Bedürfnisses leicht gefallen. Penibel hat ihnen die Klotopia-Site nämlich für jeden ihrer Entwürfe ausgerechnet, wie groß der Energie- und Rohstoffbedarf für die Realisierung dieses oder jenes Wunsches wäre - sowohl was meine Produktion als auch was meinen Unterhalt betrifft. Eine ganz heftige Diskussion gab es darum, wie wichtig eine Oberfläche ist, die von sich aus schmutzabweisend ist, so daß es in Verbindung mit einer Wasserspülung einer Reinigung nur noch einmal jährlich bedarf. Leider ist so eine Oberfläche auch heute noch nur mit hohem Energieaufwand herzustellen, den einige meiner BenutzerInnen nicht aufwenden lassen wollten. Und auch der Hinweis darauf, daß doch mal ein paar Menschen ein wenig Hirnschmalz in eine Lösung dieses Produktionsproblems stecken sollten, half in der konkreten Situation nicht weiter. Zum Schluß konnten sich die Befürworterinnen der schmutzabweisenden Oberfläche - nur Frauen seltsamerweise - dann doch durchsetzen. Dafür haben sie dann eine etwas weniger aufwendige äußere Gestaltung hingenommen. Na ja, und so habe ich heute zwar eine schmutzabweisende Oberfläche und Wasserspülung aber dafür bin ich außen einfach nur weiß und nicht blau-metallic. Aber jedeR meiner BenutzerInnen weiß ganz genau, warum das so ist. Auch früher muß es solche Diskussionen gegeben haben. Diese drehten sich dann allerdings nur um irgendwelche abstrakten Zahlen - wohl wieder dieses ominöse Geld - und nicht um konkreten Umwelt- oder Energieverbrauch. Klar, daß es bei den Leuten, die viel von diesem seltsamen Geld hatten, da nur wenig Diskussionen gab, während gerade in den Wohngruppen mit eher geringen Geldsummen solche Diskussionen zum permanenten Streit führten. Das muß ganz furchtbar gewesen sein. Manchmal frage ich mich, wie es die Menschen unter solchen Bedingungen überhaupt miteinander ausgehalten haben. Endlich waren dann alle Wünsche formuliert, alle Trade-Offs zwischen Umweltverbrauch und Bedürfnisbefriedigung ausdiskutiert und alle Entscheidungen getroffen. Zum Schluß waren auch alle meine BenutzerInnen mit der gefundenen, hochindividuellen und daher exakt passenenden Entscheidung einverstanden, da sie sich alle darin wiederfinden konnten. Vielleicht ist das ja auch der Grund dafür, daß alle meine BenutzerInnen besonders sorgsam mit mir umgehen? Jedenfalls ging es nach der Entwurfsphase jetzt zum nächsten Schritt meiner Entstehung. Der Entwurf, den meine BenutzerInnen mit Hilfe der Klotopia-Site erstellt hatten, wurde an die Leute hinter der Klotopia-Site geschickt. Es gab ein paar Feinheiten beim Klo-Entwurf, die die Software noch nicht selbst abdecken konnte, so daß die Entwürfe nochmal von einem Menschen auf ihre Realisierbarkeit geprüft werden mußten. Zwar entwickelten die BetreuerInnen der Web-Site permanent die Software weiter, aber durch die ständige Kommunikation mit den potentiellen Klo-BenutzerInnen kamen ständig auch neue Bedürfnisse und mögliche Realisierungen hinzu, so daß die Herausforderung eine möglichst benutzerfreundliche Klo-Entwurfs-Site zu entwickeln ständig bestehen blieb. Kein Vergleich übrigens mit dem, wie früher solche Entwürfe abliefen. Da gab es angeblich irgendwo ein paar einsame Ingenieure oder gar Firmenchefs, die genauso einsame Entwurfsentscheidungen fällten. Sicher hatte der eine oder andere von denen was drauf - aber sie hatten einfach schlechte Voraussetzungen: Sie hatten ja nicht das kumulierte Wissen der NutzerInnen ihrer Entwürfe zur Verfügung! Vor der Großen Gesellschaftlichen Wende mußten erst umständlich diese schlecht entworfenen, kaum brauchbaren Produkte den potentiellen NutzerInnen angeboten werden. Erst nachdem das eine oder andere dieser fixierten, aber dennoch in Massen hergestellten Entwürfe von ihnen angenommen worden war - oder eben nicht -, stellte sich heraus, ob es denn wenigstens einigermaßen nützlich war. Welche Verschwendung von Energie und Ressourcen für Dinge, die vielleicht sowieso keiner haben will! Bei meinen BenutzerInnen trudelten dann auch noch per eMail ein paar Nachfragen der Klotopia-Leute ein und es mußten ein paar Kleinigkeiten nochmal diskutiert werden. Aber außer einigen lustigen Stilblüten, die wohl auf das Konto der schlechten Deutschkenntnisse der Mitglieder der Klotopia-Leute gingen, war das eigentlich recht unproblematisch. Und dann war der Entwurf fertig für die Materialisation. Na, und meine eigentliche Materialisation war dann eigentlich schnell erledigt. Mein Entwurf lag ja ohnehin schon in computerisierter Form vor, so daß es mit der entsprechenden Software nicht weiter schwierig war, diesen Entwurf in Anweisungen an einen Maschinenpark umzusetzen, der letztlich meine Materialisation zuwege brachte. Und das waren wirklich tolle Maschinen! Die konnten nicht nur Klos herstellen, nein. An einer Stelle wurde z.B. in einer Nachbarmaschine gerade die Grundlage für einen Stuhl materialisiert. So etwas Verrücktes wie diese Sitzgelegenheit habe ich danach übrigens nie wieder gesehen. Große Teile meiner materiellen Entstehung bestanden darin, daß die heute weit verbreiteten Materialisatoren aus den Daten meines Entwurfs Werkstücke materialisierten, die dann später mit Hilfe technischer Verfahren in andere, für den konkreten Verwendungszweck besser geeignete Materialien überführt wurden. So wurden einige Teile, die zunächst als Modell in einem speziellen Kunststoff gefertigt worden waren, später in Metall gegossen. Natürlich konnte das Material der Modelle wiederverwendet werden, so daß nur die später tatsächlich nötigen Teile auch tatsächlich aus neuen Ressourcen hergestellt werden mußten. Früher muß es dagegen viel stärker spezialisierte Maschinen gegeben haben, die nur ganz bestimmte Dinge herstellen konnten. Na ja, die technische Entwicklung ist halt ziemlich schnell weitergegangen und es ist einfach praktischer, wenige universelle Materialisatoren zu haben als viele hochspezialisierte Produktionsmaschinen. Begünstigt wurde diese Entwicklung damals durch die vielen Freien Projekte, die vor der Großen Gesellschaftlichen Wende aus dem Boden geschossen waren. Da viele dieser Projekte vor allem an Entwürfen über bestimmte Produkte arbeiteten, wuchs der Bedarf nach solchen Materialisatoren immer stärker. Als dann immer mehr Freie Projekte dazu übergingen, sich einen solchen Materialisator anzuschaffen, kamen auch sukzessive immer mehr Freie Produkte auf. Als ich dann fertig materialisiert war, kam ich in einen dunklen Kasten und nach einigem Gerumpel - war das Steuerprogramm des Schienentransporters etwa von einem Virus befallen? - habe ich dann das erste Mal meine BenutzerInnen zu Gesicht bekommen. Gekannt habe ich sie ja schon ziemlich gut, da immerhin die Befriedigung einiger ihrer elementarsten Bedürfnisse in mir vergegenständlicht war. Hei, war das eine Freude, als ich endlich vor ihnen stand! Und meine Montage war gar nicht weiter schwer, da die Installationanschlüsse so weit genormt und vereinfacht waren, daß jeder Mensch mich mit ein paar Handgriffen montieren konnte. 4.2. Handlungsmöglichkeiten --------------------------- Auch wenn es einige Entwicklungen zu geben scheint, die den Weg in die GPL-Gesellschaft und damit in eine lebenswerte Zukunft jenseits der Arbeits- und Geldgesellschaften zu weisen scheinen, so ist dennoch menschliches Handeln gefragt, um die sich bietenden Möglichkeiten auch zu realisieren. Da wir erst am Anfang einer Umbruchsphase stehen, ist heute jedoch nur in Ansätzen zu erkennen, was sinnvolles Handeln sein kann. 4.2.1. Freie Software unterstützen ---------------------------------- Die naheliegendste Möglichkeit ist die Unterstützung Freier Software, da dies das erste flächendeckend verfügbare und konkret nützliche Freie Produkt ist. Selbst benutzen und anderen empfehlen ------------------------------------- Die konkrete und persönliche Erfahrung mit Freier Software ist durch nichts zu ersetzen und kann nur allen Computer-BesitzerInnen empfohlen werden. Erst wer Freie Software wie z.B. GNU/Linux regelmäßig benutzt, kann den Geist fühlen, der in dieser Form steckt und der schon so viele angesteckt hat. Gleichzeitig hat die Computer-BesitzerIn den handfesten Vorteil, daß sie über ein stabiles und leistungsfähiges Betriebssystem verfügt, zu dem sie bei Bedarf beliebig viel Zugang hat. Eine nächster Schritt ist es, anderen von den positiven Erfahrungen zu erzählen. Ein Hinweis auf die Prinzipien Freier Software kann dabei nicht schaden. Fehler an EntwicklerInnen weiterleiten -------------------------------------- Wer in seiner Unterstützung mehr tun will, kann die EntwicklerInnen Freier Software dadurch unterstützen, daß Fehler eines Stücks Software geäußert werden. Doch auch Wünsche an eine Software dienen deren Verbesserung. Allerdings sollten in solchen Fällen die einschlägigen FAQs studiert werden, wie und wo solche Hilfe von den EntwicklerInnen entgegengenommen werden kann. Es sollte immer im Hinterkopf behalten werden, daß EntwicklerInnen Freier Software grundsätzlich ihren eigenen Interessen nachgehen und durch nichts gezwungen sind, sich mit irgendeinem NutzerInnenwunsch auch nur zu befassen.[40] Selbst Freie Software schreiben ------------------------------- Wer die Fähigkeit dazu hat, sollte natürlich auch selbst Freie Software schreiben. Doch auch wer des Programmierens nicht mächtig ist, kann ein Freies Software-Projekt durch verschiedene Tätigkeiten unterstützen. Das Schreiben von Dokumentation ist beispielsweise eine Tätigkeit, die ganz andere Fähigkeiten erfordert als das Programmieren. Auch die Pflege der Web-Site eines Software-Projekts ist eine gerne angenommene Unterstützung. 4.2.2. Gemeinsam weiter denken ------------------------------ Wichtig ist aber auch das Weiterdenken in die hier skizzierte Richtung. Sich von den Denkkategorien der Arbeitsgesellschaft befreien ------------------------------------------------------------ Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß jede Gesellschaft von Menschen gemacht wird und daher grundsätzlich auch von Menschen zu verändern ist. Eine große Aufgabe für alle, die wir in Arbeitsgesellschaften groß geworden sind, besteht darin, sich von den Denkkategorien dieser Gesellschaftsformation gedanklich zu befreien. Wer eine lebenswerte Gesellschaft ohne Geld denken kann, ist dabei schon weit gekommen. Projekt Oekonux (http://www.oekonux.de) --------------------------------------- Das gemeinsame Weiterdenken in die Richtung, die in diesem Beitrag skizziert ist, hat im Projekt Oekonux seinen Platz. Dort wird seit Sommer 1999 das gesellschaftliche Potential der Prinzipien Freier Software ausgelotet. Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen fühlen sich von diesem Projekt angezogen und es wurden bereits einige wegweisende Gedanken entwickelt. Die oftmals sehr aktive Mailing-Liste als Kern des Projekts hat bereits zahllose Aspekte erörtert. Ein Stöbern durch das Archiv [http://www.oekonux.de/liste/archive/] der Liste gibt einen ersten Eindruck. 4.2.3. Eigene Produkte Frei zur Verfügung stellen ------------------------------------------------- Die Idee Freier Software auf andere Produkte zu übertragen, ist eine weitere Möglichkeit, weitere Schritte in Richtung GPL-Gesellschaft zu machen. Informationsprodukte sind heute über das Internet leicht der gesamten Menschheit zur Verfügung zu stellen. Wer also etwas Nützliches anzubieten hat, sollte dies tun. Abgabe zum Selbstkostenpreis wäre okay -------------------------------------- Auch bei materiellen Produkten, die nicht den Bedingungen der digitalen Kopie unterliegen, wäre eine BeFreiung auf einfachem Niveau denkbar. Würden die Produkte zum Selbstkostenpreis abgegeben, so wäre zumindest das Profitinteresse genommen. Richtig spannend wäre eine Güterproduktion mit industriellen Mitteln, da wie geschildert die Informationsproduktion bereits ein hohe Bedeutung hat. 4.2.4. Eigene Freie Projekte gründen ------------------------------------ Wer Spaß an einer Sache hat, sollte versuchen, diese im Internet mit anderen zusammen zu machen. So gegründete Freie Projekte vergrößern den Pool Freier Produkte am nachhaltigsten. Zwar gibt es keine Erfolgsgarantie, doch bietet das Internet wie kein anderes Medium die Möglichkeit, daß sich Gleichgesinnte global finden. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. A. Copyright ============ Copyright (c) 2001 Stefan Merten. Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document under the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.1 or any later version published by the Free Software Foundation; with the Invariant Sections being Copyright, with no Front-Cover Texts, and with no Back-Cover Texts. A copy of the license can be found under http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html. ______________________________________________________________________ [1] Manche sprechen anstatt von Freier auch von Open-Source-Software. In unserem Zusammenhang ist aber gerade der Begriff der Freiheit wichtig, weswegen hier ausschließlich der Begriff Freie Software verwendet wird. Die offenen, d.h. jedermensch zugänglichen Quellen sind jedoch eine Voraussetzung für Freie Software. [2] Als Betriebssystem bezeichnet man die Sammlung von Software, die einen Computer erst benutzbar macht, indem es die verfügbaren Hardware-Ressourcen Anwendungsprogrammen zur Verfügung stellt. In Unix-artigen Betriebssystemen wie GNU/Linux versteht mensch darunter zusätzlich eine große Fülle kleiner, aber überaus nützlicher Tools, deren Kombination bereits eine enorme Leistung zur Verfügung stellt. [3] Es sollte immer von GNU/Linux gesprochen werden, da umfangreiche Teile des Systems aus dem GNU-Projekt [http://www.gnu.org/] stammen, ohne das Linux nicht denkbar gewesen wäre. [4] Ein Web-Server ist ein Programm, das Anfragen von Web-Browsern aus dem Internet entgegennimmt, verarbeitet und beantwortet. Web-Server sind somit entscheidend wichtige Bestandteile der Infrastruktur des World Wide Web. [5] Zwar gibt es im GNU/Linux-Lager eine verbreitete Feindschaft gegenüber Microsoft, der Hauptgrund für die Microsoft-Verweise in diesem Beitrag ist aber sachlicher Natur. Microsoft dominiert mit seinen Produkten weite Teile des kommerziellen Software-Marktes und konkurriert damit direkt mit Freier Software und insbesondere mit GNU/Linux. Sogar die Microsoft-Spitze ist übrigens mittlerweile der Meinung, daß die größte Bedrohung von Freier Software kommt. [6] Ein Compiler ist ein Programm, das aus den in einer Hochsprache geschriebenen, menschenlesbaren Quellen eines Programms eine Kodierung macht, die der Computer direkt ausführen kann. Compiler sind also für den Einsatz von Hochsprachen unabdingbar. Dies ist auch der Grund, warum das GNU-Projekt als eines der allerersten Projekte einen C-Compiler - nämlich den Gcc - angegangen hat. [7] Ein entscheidender Beitrag zur Durchsetzung von Perl dürfte das Comprehensible Perl Archive Network (CPAN) [http://www.perl.com/CPAN/] gespielt haben. In diese Sammlung legen EntwicklerInnen weltweit seit Jahren ihre Tools ab, die in vielen Fällen direkt von anderen eingesetzt werden können. [8] Dies ist übrigens auch die Grundlage, auf der Distributoren wie die Firma SuSE [http://www.suse.de/] arbeiten. Sie liefern eine Auswahl an Freier Software, liefern aber auch deren Quellen auf ihren Distributions-CDs mit. [9] Dieser Spaß am Programmieren spiegelt sich übrigens auch in der kommerziellen Software-Branche wider, in denen Mitarbeiter in hohem Maße freiwillig Überstunden leisten - aus Termindruck, aber oft genug auch aus Spaß an der Sache. [10] Es dürfte nur wenige Gebiete geben, wo die Grenzen des Machbaren für eineN EinzelneN so weit gesteckt sind wie beim Programmieren. Die prinzipielle Grenze ist in vielen Fällen nur das eigene Können. [11] Unter MaintainerInnen verstehen wir Leute, die vorwiegend den Gesamtzusammenhang eines Software-Projekts im Auge haben. Sie übernehmen oft vor allem organisatorische Tätigkeiten, während andere Programmieren, Dokumentation schreiben oder die Web-Site des Projekts pflegen. In kommerziellen Verhältnissen kommt die Arbeit von ManagerInnen diesem Typ Tätigkeit am nächsten. Allerdings hat eine MaintainerIn im Unterschied zu einer ManagerIn keine Macht. Da alle Leute freiwillig im Projekt mitwirken, können sie sich auch genauso freiwillig zurückziehen. Und Projekte, die ohne Leute auskommen, die entwickeln, gibt es bei der Freien Software jedenfalls nicht. [12] Natürlich ist diese internationale Beteiligung stark durch die globale Verteilung von Computer-Zugang allgemein und Internet-Zugang speziell abhängig. Die daraus resultierende Dominanz von BewohnerInnen hochindustrialisierter Staaten ist aber kein prinzipielles Problem der Entwicklung Freier Software, sondern eben nur eine Folge der erwähnten ungleichen Verteilung. [13] Bei der internationalen Kommunikation sind natürlich auch Sprachbarrieren zu überwinden. In der Regel wird dies dadurch gelöst, daß Englisch als die Lingua Franca der Computer-Welt verwendet wird. [14] Natürlich ist nicht jede Freie Software von hoher Qualität. Da Freie Software zu den je eigenen Zwecken und aus der je eigenen Motivation der EntwicklerInnen entsteht, kann Freie Software natürlich auch von schlechter Qualität sein, wenn dies die Notwendigkeit beseitigt. Allerdings ist es oft ein Teil der Selbstentfaltung der EntwicklerInnen eine Software zu schaffen, die nach allgemeinen Maßstäben gut ist. Der Stolz auf das Geschaffene spielt hierbei sicher eine Rolle. [15] Tatsächlich gab es noch vor wenigen Jahren häufiger den Fall, daß MitarbeiterInnen in Software-Abteilungen zentrale Server unter GNU/Linux liefen ließen, um weniger Mühe und stabilere Systeme zu haben. Da dies der Firmenpolitik widersprach, durften sie allerdings niemenschem davon erzählen. [16] Distributoren sind Firmen, die vor allem die große Menge an Freier Software zu sinnvollen Paketen schnüren, diese Pakete auf CDs pressen und verkaufen. Der Kaufpreis ist dann das Entgelt für diese Dienstleistung - nicht für die Software an sich, die auf den CDs enthalten ist. [17] Wenn in diesem Beitrag von Freier Software gesprochen wird, so ist vor allem die Software gemeint, die unter der GPL steht. [18] In der Tat ist es auch bei erfolgreicher kommerzieller Software-Entwicklung heute schon oft so, daß der klassische Befehlston eher die Ausnahme ist. EinE guteR ChefIn versucht heute den MitarbeiterInnen zu helfen, einen produktiven Prozeß zu organisieren. Daß dies Freier Software nicht unähnlich ist, ist kein Zufall, sondern dem Typ der Tätigkeit geschuldet. [19] Tatsächlich gibt es heute einige Firmen, die EntwicklerInnen Freier Software bezahlen. Es handelt sich hier aber mindestens in Einzelfällen nicht um normale Lohnarbeitsverhältnisse, sondern die EntwicklerInnen sind in ihrem Handeln völlig Frei. So wird der bekannte Kernel-Entwickler Alan Cox zwar vom großen US-Distributor RedHat [http://www.redhat.com] bezahlt, er ist aber nicht an irgendwelche Weisungen gebunden. [20] Teilweise wird GNU/Linux parallel zu bestehenden Installationen anderer Betriebssysteme - namentlich Microsoft-Produkte - betrieben. Dies ist ohne weiteres möglich und beim Booten kann entschieden werden, mit welchem der beiden Betriebssysteme gearbeitet werden soll. [21] Neben solchen großen Programmen gibt es noch zahlreiche kleinere (MP3-Player, Texteditoren, File-Manager, Web-Browser, ...). Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß praktisch alle wichtigen Anwendungen heute auch für GNU/Linux zur Verfügung stehen. Lediglich auf dem Sektor Spiele haben Windows-basierte Programme noch deutlich die Nase vorn - doch auch hier sind interessante Entwicklungen im Gang. [22] Ein Embedded Computer ist ein Computer, der in einem anderen Gerät als Steuerung integriert ist. Auch ein Handy kann z.B. als Embedded Computer bezeichnet werden, da seine Hauptaufgabe in der Bearbeitung von Daten besteht. [23] Der Preis, der für eine Distributions-CD zu entrichten ist, deckt lediglich den Service der Zusammenstellung und Pressung der CD und ggf. einer Buchbeigabe und Installations-Support. Es ist aber sogar direkt von den Servern der großen Distributoren möglich, die gleiche Distribution ohne jegliches Entgelt an den Distributor zu bekommen. In diesem Fall werden die Kosten der Reproduktion der Software, die der Kopiervorgang letztlich bedeutet, direkt vom Abnehmer in Form von Entgelt an Internet-Provider etc. getragen. [24] Tatsächlich ist es ja so, daß gerade im Bereich der Informationen Knappheit erst künstlich geschaffen werden muß, um Informationen überhaupt erst zur Ware machen zu können. Patente sind eine solche Verknappungsform im technischen Bereich, Copyright in künstlerischen und immer mehr auch im Computer-Bereich. Die Verknappung von Software durch das Urheberrecht oder Software-Patente dient also einzig dem Zweck, diese Software verkaufbar zu machen. [25] Als bestes Beispiel mögen die zahllosen GNU-Tools dienen, die große Teile eines GNU/Linux-Systems ausmachen. Sie haben sich neben den existierenden kommerziellen Implementierungen der gleichen Tools durch größere Portabilität, oft eine größere Stabilität und in praktisch jedem Fall eine höhere Funktionsvielfalt und damit Mächtigkeit etablieren können. [26] Zumindest gilt dies wohl für die vielen westlich geprägten Menschen seit der Aufklärung. Überkulturelle und überhistorische Antworten auf die Frage "Was ist der Mensch?" sind vermutlich jenseits von Trivialitäten nicht möglich. [27] Diese Verlustfreiheit ist es letztlich auch, die heute die Verwertungsgesellschaften wie GEMA oder VG Wort auf den Plan ruft. War es in Zeiten, in denen für Privatpersonen nur analoge Kopien technisch machbar waren - durch Tonbänder, Kassetten- oder Videorecorder -, konnten die Verwertungsgesellschaften darauf bauen, daß eine Kopie nicht unbegrenzt selbst wieder als Original dienen konnte. Im Zeitalter von MP3 und DVD ist diese technisch bedingte Ausbreitungsbremse nicht mehr gegeben. [28] Tatsächlich ist das Kopieren von Information in Computern eine so große Selbstverständlichkeit, daß weder ProgrammiererIn noch AnwenderIn darüber nachdenkenden. Schon das Laden eines Programms ist beispielsweise mit einem Kopiervorgang verbunden - nämlich von der Platte in den Hauptspeicher. [29] Die Bedeutungslosigkeit von Staatsgrenzen im Internet ist übrigens ein riesiges Problem für die Juristerei. Gesetze gelten ja per Definition nur auf dem Staatsgebiet des sie erlassenden Staates. Durch das grenzenlose Internet werden diese Staatsgrenzen schlicht unterlaufen. [30] Insbesondere ermöglicht das Internet jeder Einzelnen auch das Versenden von Daten über eMail, Web-Seiten, etc. und unterscheidet sich damit erheblich von Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen. Auch auf diesem Sektor bietet das Internet Individualisierungsmöglichkeiten, die mit anderen Technologien nicht einmal denkbar sind. [31] So sind wir alle durch unsere lebenslange Prägung auf Arbeit und Tausch alleine schon in unseren Denkmöglichkeiten eingeschränkt. Allein die häufig zu beobachtende Ungläubigkeit angesichts des Phänomens Freier Software ist ein deutlicher Hinweis auf diese verbreitete Schwierigkeit über das Bestehende hinauszudenken. [32] Da nicht mehr das Profitprinzip als blinder Zwang maßgeblich ist, können solche Produktionsumgebungen endlich auch wieder z.B. ökologischen Gesichtspunkten genügen. [33] Genaugenommen ist vielmehr die Verknappung von Information durch Copyright und ähnliche Rechtskonstrukte historisch relativ neu. Es kann nachgewiesen werden, daß die Verknappung von Information erst eingeführt wurde, als es vor allem durch Bücher und das Verlagswesen möglich wurde, Information zur Ware zu machen. Die Bindung an das nur professionell zu reproduzierende Medium Buch diente als Grundlage dieser Entwicklung und hat sich heute auf alle Informationsspeicher ausgedehnt. Die Entwicklung der digitalen Kopie und deren flächendeckende Verfügbarkeit für Privatpersonen unterläuft heute diese Grundlage. [34] Auch diese internationale Kooperation hat durch das Internet im übrigen einen gewaltigen Schub bekommen, wie die zahllosen Rezeptsammlungen im WWW belegen. [35] Ähnliche Entwicklungen kündigen sich übrigens für den Bereich Film an. [36] MP3 ist ein Kompressionsverfahren, das Musik in hoher Qualität auf akzeptable Größe bringt. Es ist die Voraussetzung dafür, daß Musik als digitale Kopie handhabbar ist. Erst durch diese technische Innovation ist die Entwicklung auf diesem Sektor möglich geworden. [37] Musik hat übrigens mit Freier Software gemein, daß sie zu guten Teilen dem Hobby-Bereich entstammt und Menschen Musikmachen oft als Teil ihrer individuellen Selbstentfaltung betrachten. [38] Eine ständig aktualisierte Übersicht über solche Entwicklungen findet sich in der kommentierten Link-Liste [http://www.oekonux.de/projekt/links.html] des Projekts Oekonux. [39] Eine CPU (Central Processing Unit) ist das Herzstück eines jeden Computers. [40] Hier zeigt sich ein Effekt der Abwesenheit des Geldsystems. Da EntwicklerInnen nicht bezahlt werden, unterliegen sie auch nicht dem strukturellen Zwang, den das Geldsystem ausübt. Das Verhältnis von Produzent und Konsument, von Hersteller und Kunde existiert in der im Marktsystem üblichen scharfen Form nicht mehr. Stattdessen kann einE NutzerIn Freier Software jederzeit selbst in die EntwicklerInnenrolle schlüpfen.