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Re: [ox] GPL-Hardware



Hi Liste!

Das ist ja ein sehr spannender Thread den Thomas da losgetreten hat.
Ich gehe auf ein paar Punkte in dieser einen Mail ein.

Wichtig wäre mir auch noch zu Beginn (wieder mal) auf die vielfältige
Verwendung des Wortes "Wert" in diesem Thread hinzuweisen. Ich fände
es toll, wenn alle jeweils kurz klären würden, was sie jeweils unter
dem Begriff verstehen - gebetsmühlenartig vielleicht, aber mag
Mißverständnisse vermeiden helfen.

Ähnliches gilt übrigens für das Wort "Arbeit".

Ich verstehe unter "Wert" den Tauschwert einer Ware. Ein Ausdruck
dieses Tauschwerts ist grob gesprochen Geld. Wenn ich den Nutzen
meine, dann rede ich von "Gebrauchswert", der dementsprechend nicht in
Geld zu fassen ist.

Unter "Arbeit" verstehe ich hier nicht jede beliebige Tätigkeit
sondern die kapitalistische Arbeit, die nicht um ihrer selbst willen
getan wird, sondern zwecks Verwertung, d.h. Verwandlung in Wert.

9 days ago Henrik Motakef wrote:
Ich denke, um die GPL zur Grundlage einer Wirtschaftsordnung zu machen wäre
es in der Tat nötig, den doch recht begrenzten Software-Sektor zu
überschreiten. Das Problem scheint mir nur, das OSS ja nicht zufällig in
diesem Bereich entstanden ist, und nicht als OpenCars oder Free Food, vor
allem weil 'geistiges Eigentum' ja nur schwer in Warenform zu pressen ist.
Der Hauptunterschied zu Waren, die v.a. Dinge sind, ist vor allem die
Tatsache, das durch die Nutzung durch beliebig viele keine zusätzlichen
Kosten entstehen. Ob sich 10 oder 10 000 Leute mein Programm o.ä. kopieren
kann mir egal sein, bei der Hardware aber verbrauche ich für jede 'Kopie'
Rohstoffe.

Andererseits: Dieser Faktor wird scheinbar immer unwichtiger.

Stefan Mz. ist zwar schon drauf eingegangen, aber ich will den Punkt
nochmal beackern.

Der Einsatz von Rohstoffen ist unter Bedingungen der
Wertvergesellschaftung im gesamten Produktionsprozeß irrelevant.
Letztlich wird ein in der Natur vorgefundener Stoff (z.B. Erz) erst
durch menschliche Bearbeitung zu einem Rohstoff. Unter
Wertvergesellschaftung zählt daher lediglich die in einem Stoff
vergegenständlichte Arbeit - der Wert also.

Bei dieser Betrachtung lasse ich die gesamte ökologische Fragestellung
nach Ressourcenverbrauch raus - ist klar. Ich mag die da momentan
einfach nicht mit reindenken ;-) .

Was mein Punkt schon vor längerer Zeit auf dieser Liste mal war: Die
Produktionsmittel für einen riesigen materiellen Reichtum stehen heute
bereit - zumindest in den kapitalistischen Zentren. Es herrscht kein
Mangel an Arbeitskräften - die steigenden Arbeitslosen sprechen da
eine deutliche Sprache. Die Produktion von Gebrauchswert ist heute zu
einem Grade automatisiert, wie sie noch vor wenigen Jahrzehnten
unvorstellbar war.

Meine These: Die Bedingungen sind herangereift, wo es tatsächlich kaum
noch eine Rolle spielt, ob 10, 1000 oder 1000000 Produkte hergestellt
werden. Wichtig ist die Maschine, die die Produkte herstellt und daß
jemensch auf den Start-Knopf drückt.

So gesehen ist dieser Thread über GPL-Hardware oder allgemeiner über
GPL-Maschinen in der Tat super spannend.

9 days ago Franz J Nahrada wrote:
Im Vorgriff dazu einige kommentierte Gedanken von Ulrich Sigor:
...
"Konzeptionelle Arbeit braucht wenig "Stammkapital" um sich zu verwerten.
Die typische Arbeit der Zukunft ist direkter Konkurrent zum Finanzkapital,
weil sie keines braucht!"

Ich bin nicht sicher, ob ich Franz / Ulrich Sigor da richtig verstehe.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß die "konzeptionelle Arbeit" -
vielleicht die Denkarbeit wie sie im programmierenden Umgang mit
Computern so typisch ist? - durchaus Kapital für ihre Herstellung und
auch für ihre Pflege braucht: Aus- und Weiterbildung.

Ohne komplexe und umfangreiche infrastrukturelle Voraussetzungen steht
diese konzeptionelle Arbeitskraft ja überhaupt nicht zur Verfügung -
auch wenn in unseren Gesellschaften dieser Aufwand meist über den
Staat vergesellschaftet wird und die Inhaber konzeptioneller
Arbeitskraft sich über gute individuelle Einkünfte freuen können ;-} .

Diese Infrastruktur würde ich mal als das Stammkapital der
konzeptionellen Arbeit betrachten.

9 days ago Stefan Meretz wrote:
was ist eine "Wirtschaftordnung auf GPL-Basis"? Was ist denn der
Knackpunkt an der GNU General Public License? Prügelt mich nicht, aber
hier nochmal die GPL-Features - ein wenig allgemeiner:
- freie Benutzung
- freie Kopien erstellen und verbreiten
- freie Veränderung der dokumentierten Ideen ("Modifikation des
Sourcecodes")
- freie Verteilung der neuen Ideen
Vorschriften:
- frei zugängliche Dokumentation der Ideen ("Sourcecode")
- Freiheit ein-für-alle-Mal (Verbot der Lizenzänderung)
- Verbot der Vermischung mit nicht frei dokumentierten Ideen

Das bedeutet im Kern ein Ausstieg aus Verwertungszusammenhängen,

Genauer bedeutet es einen Ausstieg aus der Konkurrenzlogik weil es
keine Betriebsgeheimnisse mehr gibt. Eine "Wirtschaftordnung auf
GPL-Basis" wäre dann also mindestens definiert durch die Abwesenheit
von Betriebsgeheimnissen.

5 days ago Volker Grassmuck wrote:
Daß Geldverdienen nicht untersagt ist, ist keine hohle Rhetorik von
RMS. Der Witz ist doch, daß die Arbeit bezahlt werden kann, aber die
Ergebnisse der Arbeit frei sind. S. Cygnus (vgl. Tiemann in Open
Sources), die ihr Geschäftsmodell auf GPL-ter Software aufgebaut
haben. Wenn ein Kunde von Cygnus die GNU-Tools auf eine exotische
Plattform portiert haben möchte, bezahlt er sie dafür, und die
Ergebnisse gehen in den ständig wachsenden Pool freier SW ein.
Insofern wird tatsächlich die Verwertung (i.S. von Verkauf von
Produkten; der Auftraggeber verspricht sich natürlich Vorteile aus
der Portierung, sonst würde er sie nicht bezahlen) ausgehebelt und
die Coder haben dennoch eine Chance, ihre Brötchen zu verdienen.

Auch dazu hat Stefan Mz. schon richtiges bemerkt. Ich halte diese
Effekte für Randerscheinungen.

Aber mir kommt da die Abwandlung eines altbekannten Spruchs in den
Sinn:

  Erst wenn der letzte freie Filter für ein Grafikformat geschrieben
  ist, wenn das letzte Desktop von KDE oder Gnome erobert ist, wenn
  auf der letzten Uralt-Exotik-Hardware Linux läuft, dann werdet ihr
  begreifen, daß auf GPL keine kapitalistische Wirtschaftsordnung
  aufgebaut werden kann.

;-)


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


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