[ox] Editorial Krisis 12 - Teil 2
- From: UlrichLeicht t-online.de (Ulrich Leicht)
- Date: Thu, 1 Jun 2000 15:06:00 +0200
UlrichLeicht t-online.de
Im folgenden der 2. Teil des Editorials Krisis 12 (1992)
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Editorial
Die Problemstellungen haben sich verschoben, der treibende Impuls aber ist noch
lange nicht verbraucht. 1986, vielleicht auch noch drei Jahre später; war der
gute alte "Materialismus" noch kein Thema. Die Scheinplausibilität des
marxistischen Materialismus-Postulats mochte implizit schon angeknackst sein,
explizite Auseinandersetzung dazu fehlt his heute. Nach einer intensiven
Auseinandersetzung mit "Realabstraktion" und phantasmagorischer
Fetisch-Gegenständlichkeit ändert sich die Perspektive, und vom erbitterten
alten Gegensatz zwischen "Materialismus" und "Idealismus" bleibt mit der
absehbaren Kritik des "Ismus"-Denkens überhaupt nicht mehr sonderlich viel
übrig. Das "Bewusstsein" erscheint nicht mehr als Widerpart zum "Sein", sondern
immer mehr als dessen notwendiges Moment; die alte Frontstellung zerfällt. Hier
stünde die kritische Auseinandersetzung mit unaufgearbeiteten Reflexionssstufen
des alten Marxismus (Lukács, Korsch u.a.) an, die dennoch zeitbedingt nicht über
den "Materialismus" hinaus bis zur adäquaten Kritik der Fetisch-Konstitution
gelangt waren. Ein kurzer Seitenblick auf die Entwicklung der nach-newtonschen
Physik führt einem sensibilisierten Bewußtsein die Tiefendimension dieses
Problems vor Augen. Genötigt, ein Bekenntnis zum ,,Materialismus" abzulegen oder
sich als "Idealist" zu entlarven, wird die KRISIS sich inzwischen wohl mit einer
alten Philosophenweisheit behelfen: Es gibt Fragen, die lassen sich nur dadurch
beantworten, daß man die Fragestellung verwirft.
Ähnlich wie mit dem "Materialismus" geht es uns inzwischen mit dem
Rationalitäts-Begriff. Im Spannungsfeld von moderner Rationalität und
"Irrationalismus" seit Aufklärung und Romantik können wir unsere Position nicht
mehr verorten, sondern nur in der Kritik auch dieser bürger1ichen Dichotomie.
Auch in dieser Hinsicht ist die Auseinandersetzung mit früheren
Reflexionsstufen, vor allem der Kritischen Theorie, noch weitgehend zu leisten
und explizit zu machen. Die Gewalt der warenförmigen Realabstraktion, die jeden
Inhalt als gleichgültiges Material handhabt, findet ihren Widerhall im
abstrakt-universalistischen Denken, das die Besonderheit und Eigenheit des
Inhalts vornehmlich als empirische Verunreinigung kennt.
Damit sind wir bei jenem Thema angelangt, das die vorliegende Ausgabe der KRISIS
hauptsächlich füllt: dem Geschlechterverhältnis der Warengesellschaft. Denn vor
allem die modernen bürgerlichen Zuschreibungen auf das ,,Weibliche" sind es, in
denen das Verhältnis von Rationalität und Irrationalität der Warengesellschaft
verräterisch wird. Nicht umsonst hat gerade der feministische Diskurs der
letzten Jahre, weitgehend unbeachtet vorn männlich dominierten
Wissenschaftsbetrieb, auf
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seine Weise die Ansätze einer "Vernunftkritik" in der Kritischen Theorie und in
der "postmodernen" Debatte aufgegriffen, wenn auch nicht unbeeinflußt vom neuen
affirmativen "Realismus". Dabei blieb aber das Verhältnis von Patriarchats- und
Kapitalismuskritik bis heute ungeklärt, und die Problemstellung droht zusammen
mit der alten Kapitalismuskritik affirmativ verbunkert zu werden.
Wenn wir uns dieses auch in der feministischen Debatte unaufgearbeiteten
Problems annehmen, so keineswegs aus einer besserwisserischen Position heraus
und erst recht nicht in glatter Verlängerung unseres bisherigen
Theoriebildungsprozesses. Es war uns durchaus nicht klar; daß dieses Thema eben
keineswegs bloß ein "Thema" wie alle anderen ist und nur dem bereits entworfenen
Raster der allgemeinen "Wertkritik" unterlegt werden müsse. Dies hängt nicht nur
mit den auch in der feministischen Debatte wirksamen Defiziten akademischer und
marxistischer Theoriebildung zusammen, sondern sicherlich auch damit, daß es
sich bei der KRISIS-Redaktion, wen wunderts, his jetzt um eine geschlossene
Männer-Anstalt handelt (ein transvestitisches Pseudonym beweist leider nicht das
Gegenteil). So mußte nach längerem untergründigen Knuffen und Knurren der
Entwurf einer theoretischen Vermittlung in Gestalt des "Abspaltungstheorems"
(siehe unten) von weiblicher Seite kritisch an die KRISIS herangetragen werden.
Und wie sich herausstellt, wird dadurch der ganze Ansatz grundsätzlich verändert
und in ein neues Licht getaucht. Das kann nicht ohne Spannungen abgehen, und dem
Gegenstand entsprechend können sich diese Spannungen auch nicht mehr bloß auf
die "abgespaltene" theoretische Sphäre beziehen, während die persönlichen
Verhältnisse außen vor bleiben. Wieder einmal Neuland also, und von der
heikelsten Art. Dabei kann es weder darum gehen, mit "männlichen"
Abwehrhaltungen und Ignoranzstrategien zu reagieren. Noch soll umgekehrt der
berüchtigte heuchlerische Kotau vor einem "weiblichen" Entwurf bloß deswegen
gemacht werden, weil er weiblich ist - der sicherste Weg in die erneute
Verdrängung und Ignoranz. Nötig wäre also eine kritische Auseinandersetzung, die
sich der Logik des theoretischen Ansatzes selbst stellt und versucht, die
Abwehr-Potentiale der eigenen (,,männlichen") Identität mitzureflektieren.
Wenn der an uns herangetragene Entwurf des "Abspaltungstheorems" erst einmal
(wenn auch nicht ohne ein gewisses Widerstreben) grundsätzliche Zustimmung
gefunden hat, obwohl die Terminologie nach wie vor strittig ist, so nicht
zuletzt deswegen, weil damit eine entscheidende Lücke in der "Wertkritik"
geschlossen werden könnte. Schon seit langem mußten wir uns mit der immer wieder
geäußerten Kritik herumschlagen, wir wollten "alles" aus dem "Wert" (der
Warenform) einseitig "ableiten" und ließen ganze Dimensionen von
Gesellschaftlichkeit ausgeblendet. Obwohl diese Vorwürfe eigentlich die
kritische, negative Analyse der Warenform zu einem positiven "Ableitungstheorem"
verkehrten und mißverstanden, legten sie
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doch unbewusst den Finger auf eine theoretische Wunde. Die Abbügelung fiel
deswegen leicht, weil die Intention dieser Anwürfe fast immer der leicht
durchschaubare (meistens marxistisch inspirierte) Versuch war; die Zumutungen
der "fundamentalen Wertkritik" abzuwehren und auf den alten Gleisen
weiterzufahren. Mit dem "Abspaltungstheorem" liegt nun erstmals ein Versuch vor;
das Nicht-Waren-förmige in der Warengesellschaft historisch, theoretisch und
analytisch zu erfassen, ohne die Kritik der Warenform wieder halbwegs
zurückzunehmen und zu verwässern. Diese Kritik wird dadurch vielmehr sogar
zugespitzt.
Das "Abspaltungstheorem" setzt einen aus der Psychoanalyse stammenden Begriff
quasi "politökonomisch" ein, um die geschlechtliche Besetzung warenförmiger
Gesellschaftsverhältnisse zu erklären. Die Welt des scheinbar selbstgenügsamen
abstrakten Universalismus der Ware entpuppt sich bei näherem Zusehen als Produkt
einer gigantischen Abspaltungsmaschinerie. Hinter der abstrakten
Warensubjektivität mit ihrer absurden Tauschrationalität stehen "abgespaltene"
Momente von Sinnlichkeit, die in diesem Kosmos keinen Platz haben, ohne die er
aber überhaupt nicht existieren kann. Das abstrakte Individuum führt nicht nur
eine Doppelexistenz als "citoyen" und als abstrakter Privatmann. Auch diese
letztere Existenz fällt noch einmal auseinander in privates Geldinteresse
einerseits und in die davon abgetrennte Sphäre der Privatheit im Sinne von
"Intimität" ("Liebe" Haushalt, Familie etc.) andererseits. Damit sind wir aber
schon beim "Abspaltungsmechanismus" angelangt, bei den Zuschreibungen auf das
"Weibliche".
Konnte der Begriff der ,,abstrakten Individualität" wie er in den bisherigen
KRISIS-Beiträgen verwendet wurde, als geschlechtsneutrale Kategorie verstanden
werden, so erweist sich das jetzt als unhaltbar. Sobald die geschlechtliche
Polarität innerhalb der abstrakten Privatheit ins Blickfeld gerät, wird auch die
geschlechtsspezifische Besetzung des warenförmigen Individuums unübersehbar. Wo
das abgespaltene Sinnliche aber zum "weiblichen" zwangsdefiniert wird, da
enthüllt sich auch die abstrakte ratio, ihrem universalistischen Anspruch zum
Trotz, als spezifisch "männlich".
In diesen für die KRISIS neuen Problemhorizont stößt also erstmals das
"Abspaltungstheorem" von Roswitha Scholz vor, in diesem Heft mit dem Aufsatz
"Der Wert ist der Mann"; ein gewiß einigermaßen provokatorischer Titel. Die
Autorin stellt dabei zunächst noch sehr knapp den Grundgedanken vor, der hier
sozusagen in seiner ersten, noch nicht weiter ausgearbeiteten Rohfassung
erscheint. Im folgenden wird versucht, diesen Grundgedanken im historischen
Durchgang von antiken Anfängen der Warengesellschaft bis zur Gegenwart
darzustellen und dabei die Entwicklung "zugerechneter Weiblichkeit" parallel zu
den Durchsetzungsschüben der Warengesellschaft zu skizzieren.
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Nicht unbedingt identisch mit dieser Position, aber auch nicht unbeeinflußt von
der darüber bereits geführten Debatte, bemühen sich Ernst Lohoff und Norbert
Trenkle in den beiden folgenden Beiträgen darum, die im Rahmen der KRISIS
bereits formulierte Kritik an den Grundkategorien bürgerlicher
Vergesellschaftung für die Analyse des Geschlechterverhältnisses fruchtbar zu
machen. Norbert Trenkle schlägt in seinem Beitrag "Differenz und Gleichheit"
eine Brücke von der grundsätzlichen Kritik an der Kategorie "Gleichheit" zu den
Aporien, in denen sich diese Kategorie in der feministischen Binnendebatte
verhakt hat. Ernst Lohoff kritisiert in seinem Beitrag "Sexus und Arbeit" die
weitverbreitete Vorstellung, das bürgerliche Geschlechterverhältnis ließe sich
vom Begriff der "geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung" her aufrollen, und
versucht stattdessen umgekehrt über die "Kritik der Arbeit" einen Zugang für das
Verständnis zu eröffnen. In seinem Rückgriff auf die ,,Kritik der Arbeit"
unterfüttert er gleichzeitig mit historischem Material diese heftig umstrittene
These der KRISIS.
Diese drei Beiträge dienten in ihren ursprünglichen Fassungen als Grundlage zu
einem Seminar, das im Januar 1992 von der KRISIS-Redaktion zum Thema
"Geschlechterverhältnis" veranstaltet wurde und bereits etliche Folgedebatten
ausgelöst hat. Die Texte liegen hier in überarbeiteter Form vor; ein
"abgekoppelter" Tell des Seminarbeitrags von Ernst Lohoff, der sich mit der
Dichotomie von "Produktion" und "Reproduktion" beschäftigt, soll in einer der
nächsten KRISIS-Ausgaben ebenfalls überarbeitet erscheinen.
Im vierten umfangreichen Aufsatz dieses Heftes setzt sich Robert Kurz unter dem
Titel "Geschlechtsfetischismus" mit der bisherigen Diskussion kritisch und
streckenweise polemisch auseinander. Soweit dabei auf das "Abspaltungstheorem"
von Roswitha Scholz Bezug genommen wird, ist die Argumentation mit der Autorin
abgesprochen (damit nicht diese positiv den Ansatz aufgreifende "männliche"
Interpretation womöglich als Verballhornung verstanden wird). Darüberhinaus geht
der Beitrag von Robert Kurz ausführlich auf wesentlich "politökonomische"
Implikationen des Abspaltungstheorems ein, vor allem im Hinblick auf den Begriff
des Gebrauchswerts und das Problem einer "Gebrauchswertorientierung". Die
phänomenologischen Exkurse über geschlechtlichen Narzißmus und bürgerliche
Paarbeziehungen im letzten Tell des Aufsatzes werden in ihrem polemischen Gehalt
sicher keine ungeteilte Zustimmung finden.
Etwas abseits dieses Themenschwerpunkts, aber keineswegs jenseits des
Problemfelds von Sinnlichkeit, Abspaltung und Sphärentrennung (und vielleicht
auch nicht
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in Übereinstimmung mit allen vorherigen Thesen zum Geschlechterverhältnis),
widmet sich Johanna W. Stahlmann dem "Ende des Schönen". In diesem Beitrag wird
an der Entwicklung der Kunst seit der klassischen Moderne thesenhaft
herausgearbeitet, wie die Kunst als eine abgespaltene, über den Niederungen des
Alltags schwebende Sondersphäre ihre eigene Krise reflektiert.
All diese Texte sind zweifellos wieder einmal nicht ganz leicht verdaulich und
sicher dazu angetan, Widerstand hervorzurufen. Einmal abgesehen von unseren
eigenen Binnen-Widersprüchen, die von außen oft nicht auf den ersten Blick
erkennbar sein mögen, speist sich dieser Widerstand dem ganzen "wertkritischen"
Ansatz gegenüber aus verschiedenen Quellen. Eine der ärgerlicheren ist das
Beharrungsvermögen des alten Marxismus in seinen diversen Endmoränen oder
Auslaufmodellen, deren Repräsentanten nach jahrelanger Ignoranz nun bestenfalls
schäumen über die ,,Indiskutablen" aus dem Fränkischen (3). Andere, leider auch
nicht unbedingt fruchtbare Widerstände scheinen aus dem akademischen Erbe zu
stammen und wirken sich für ihre Vertreter faktisch als Denkverbot aus. Statt
daß unsere Aussagen der Unstimmigkeit überführt und ernsthafte theoretische bzw.
analytische Gegenanstrengungen unternommen würden, führen manche Kritiker
regelmäßig ins Feld, unsere Argumentation wäre unvollständig, weil sie diesen
oder jenen Autor nicht berücksichtigt. Die "Autoren" und ihre mehr oder weniger
klassischen Kontroversen eröffnen in dieser Haltung nicht einen Zugang zur
Analyse der Wirklichkeit bzw. werden selber als ein Moment der
gesellschaftlichen Realität begriffen, sie ersetzten stattdessen die
Wirklichkeit und deren Analyse. Wer sich in diese Art von Diskurs nicht einfügen
mag, fällt durch den Raster der unselbständigen Zitierkunst.
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(3) Es gereicht uns zu einer gewissen Ehre, daß sämtliche Koryphäen des
Auslaufmarxismus in der BRD, von Georg Fülberth über Trampert/Ebermann, Kurt
Hübner (Prokla), Joachim Bischoff (VSA/SOST) und Rudolf Hickel (Memorandum) his
hin zum scheintheoretischen Zombie- Produkt der untergegangenen "Marxistischen
Gruppe" namens "Gegenstandpunkt" geradezu verbissen einhellig die beiden Bücher
von Robert Kurz (Honeckers Rache, Der Kollaps der Modernisierung) verrissen
haben, ohne sich auf die grundsätzlichen Inhalte überhaupt einzulassen.
Inzwischen scheint auch die KRISIS selber his hin zu Berliner Autonomiekreisen
vom Geheimtipp zum Lieblings-Haßobjekt zu avancieren. Die Toten werden trotzdem
nicht wiederauferstehen. Vielleicht bringen wir in einer der nächsten
KRISIS-Ausgaben eine kleine Blütenlese. Den Schuh der "Arroganz" wollen wir uns
freilich nicht anziehen, denn zu einer Diskussion, die sich auf das Problem der
Warenform- und Fetischkritik ernsthaft einläßt, ohne in die geifernde Abwehr
gelernter bzw. Theoretisch abgehalfterter Arbeiterbewegler zu verfallen, glauben
wir allerdings bereit zu sein.
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Dieser notorische Bezug auf eine geistesgeschichtlich beschränkte oder
innertheoretische Scheinrealität hat durchaus Methode und Tradition. Das
herkömmliche theoretische Denken, das noch im Rahmen der traditionellen
Ontologie bzw. der Philosophie angesiedelt ist, neigt zu einer
Argumentationsstruktur, die entlang einer "dekontextualisierten" (Stephen
Toulmin) Fragestellung von "richtig" oder "falsch" ausgerichtet ist. Das heißt,
man streitet darüber; ob der Hegelsche Einfluß auf Marx wichtig oder zu
vernachlässigen ist, ob ein bestimmtes gesellschaftliches Phänomen eher für
Nietzsche oder für Marx spricht, ob Kant oder ob Hegel bedeutsamer ist,
inwiefern Adorno Marx "weiterentwickelt" hat oder nicht, inwiefern er
berechtigte oder unberechtigte Anleihen bei der "Lebensphilosophie" gemacht hat,
wie Lukács einzustufen ist usw. usf.
Mit einem Wort, dieses Denken verfährt genau so, wie es sich für das ,,Zeitalter
der Partei" (wie man die vergangenen zweihundert Jahre "politischer"
bürgerlicher Entwicklung zu nennen versucht sein könnte) gehört: nach dem
Kriterium der Anhängerschaft. Es sucht immer nach einer "Wahrheit", die es
verdient, daß man ihr anhängt, daß man sie verbreitet, durchsetzt und
"verwirklicht". Unausgesprochen werden all die theoretischen Gurus wie
Parteiführer in spe betrachtet. Tatsächlich aber geht es darum, etwas ganz
anderes zu betrachten: wie sich eine bestimmte gesellschaftliche Form im Verlauf
der vergangenen zweitausend Jahre durchgesetzt hat, und wie die verschiedenen
Etappen dieser "Wertvergesellschaftung" sich in den diversen ideologischen
Reflexen niedergeschlagen haben. Dementsprechend wenden wir uns - zumindest der
Absicht nach - dem real abgelaufenen Geschichtsprozeß zu und betrachten die in
seinem Verlauf aufgetretenen Theoretiker immer schon als Bestandteile dieses
Prozesses. Und siehe da, plötzlich haben sie alle "recht": weil ein jeder von
ihnen irgendein Moment, irgendeine Seite des Gesamtprozesses am Wickel hat bzw.
repräsentiert. Und sie haben gleichzeitig alle nicht recht, weil aus der Natur
der Sache heraus keiner von ihnen den Prozeß der Wertvergesellschaftung als
ganzen überblicken konnte, so mit von heute aus gesehen immer dem Verdikt der
"Einseitigkeit" verfällt.
Natürlich relativieren wir damit auch unsere eigene Position, weil sie, bezogen
"bloß" auf die real ablaufende Geschichte, nicht mehr den Anspruch erheben kann,
die endlich erreichte ewige Wahrheit zu sein. Gleichwohl gelangen wir damit
nicht etwa zu einem Beliebigkeits-Relativismus des bekannten und berechtigten
"postmodernen" Zuschnitts, sondern können innerhalb des real ablaufenden
Prozesses, als dessen Moment wir uns wissen, sogar ziemlich sichere Aussagen
machen. Einschließlich des Versuchs übrigens, aus dem Begreifen dessen, was
"unter unseren Augen abläuft", Perspektiven für die weitere, über die Warenform
hinausführende Entwicklung zu gewinnen. Einer "Falsifizierung" durch die dann
tatsächlich eintretenden Ereignisse sehen wir mit Fassung entgegen. Denn einen
Baustein zu dem,
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was sich späterhin einmal als der Begriff des Gesamtprozesses ergibt, werden wir
doch immerhin beigetragen haben.
Ernst Lohoff, Peter Klein und Robert Kurz für die Redaktion
PS: Wie oben bereits erwähnt, erscheint die KRISIS seit diesem Jahr im Horlemann
Verlag. Dies stellt unser Projekt endlich auf eine professionelle verlegerische
Grundlage. Eine konzeptionelle Änderung ist damit allerdings nicht verbunden,
mal abgesehen davon, dass die KRISIS nun als Buchreihe figuriert und
dementsprechend auch jede Ausgabe unter einer ISBN-Nummer in den einschlägigen
Bibliographien zu finden sein wird. Die redaktionelle Verantwortung für die
KRISIS wie auch für die anderen der edition krisis erseheinenden Publikationen
bleibt bei der Nürnberger Redaktion, die verlegerische Betreuung, einschließlich
der Abwicklung von Bestellungen und Abonnements, erfolgt dagegen über den
Horlemann Verlag.
Wir sind sehr froh über diese Entwicklung, denn der wachsenden Aufmerksamkeit
für unsere Zeitschrift entspricht natürlich auch ein wachsender Arbeitsaufwand
auf der technischen (insbesondere der vertriebstechnischen) Seite. Es war also
an der Zeit, unseren eigenen, KR!SIS-Verlag genannten, Bauchladen aufzugeben und
endlich unter die Fittiche eines "richtigen" Verlages zu kommen. Damit verbunden
ist natürlich auch, daß wir in Zukunft den Preis anders (nämlich
"kostengerecht") kalkulieren müssen. Was bisher von uns sozusagen subsidiär im
Hinterzimmer an "Leistungen" erbracht wurde (Satz, Versand, Zahlungsabwicklung
etc.) wird nun aus der Grauzone der "Schattenwirtschaft" herausgezerrt und
findet sich daher auch in der Kalkulation wieder. Leider können wir also unser
in der letzten Nummer leichtfertig abgegebenes Versprechen, vorerst den Preis
stabil zu halten, nicht einlösen. Zum damaligen Zeitpunkt war die gegenwärtige
Verlagslösung noch nicht abzusehen. Dennoch glauben wir, daß - gemessen am
Umfang der vorliegenden Nummer und den auf dem Büchermarkt inzwischen gängigen
Preisen - ein Preis von 18,- DM keinesfalls überhöht ist. Wir kehren übrigens
auch wieder zu der Regelung zurück, daß bei Abonnements keine Vorauszahlung für
mehrere Nummern erfolgt, sondern nur die jeweils aktuell zugeschickte Ausgabe in
Rechnung gestellt wird (eventuelle Guthaben werden selbstverständlich
verrechnet). Immerhin können wir das Versprechen einhalten, bei Abonnements
keine Versandkosten zu berechnen.
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http://www.oekonux.de/