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[ox] geistiges Eigentum



stefan Meretz, liste oekonux.de schreibt:
Guckt man sich die industrielle Produktion an, ist es ähnlich. Die
kann man grob in einen algorithmisch-planenden und einen
operativ-materialisierenden Aspekt einteilen, oder vereinfacht: in
einen informationellen und einen materiellen Bereich von Arbeit (Die
alte Trennung in "Hand- und Kopfarbeit" trifft das übrigens nicht
richtig). Der operativ-materialisierende Bereich der Arbeit ist
tendentiell im Verschwinden begriffen, auch wenn er nie völlig
verschwindet. Der informationelle Anteil der algorithmisch-planenden
Tätigkeit wird demgegenüber übermächtig bedeutend. Hier ist das
Terrain des Kampfes - und wir haben es noch nicht so Recht bemerkt
oder besser: noch nicht auf den Begriff bringen können (merken tun
wirs dauernd). Die ganzen "alten" Organisationen des Fordismus
(siehe Footer;-)) kleben an der Materialität des Produkts, sie haben
nix (naja: nicht viel) begriffen.



Es gibt einige wichtige Folgerungen aus dieser Einsicht, die 
wir verfolgen müßten, und vielleicht wäre das ein 
Opentheory Projekt - oder mehrere - wert:

1. Es gibt keine explizite Kultur kooperativer geistiger
Arbeit. Die impliziten Strukturmerkmale des "genialen"
(brrr!) open-source Prozesses müssen explizit gemacht
werden. Was sind, um so einen Pleonasmus zu bemühen,
die guten Güter? Eine lustige Heirat von Ethik und Materialismus!

2. Wie unterscheiden sich solche Guten Güter vom heutigen
ISO-9000 Kanon? Es ist ja wohl klar, daß der ganze 
Überbau zum Qualitätsmanagement nicht unberührt sein
kann von einer Gesellschaft, die den informationellen
Anteil der planend-algorithmischen Tätigkeit bewirtschaftet,
das heißt Knappheitsschaffung und Nötigung in ihre Produkte
einbaut?

3. Wer soll überhaupt ein Interesse an der Aufhebung der
ganzen Scheiße haben? Solange wir in dem lustigen Widerspruch
leben, daß wir unser Einkommen und unsere Lebensgrundlage 
aus dem Funktionieren des Marktsektors herleiten, wird
die Versuchung des geistigen Eigentums so übermächtig sein
wie Du es beschreibst. Daß so etwas passiere kannst wie Du 
konstatierst:

Das isses! Ja, es fällt als (privates) "Eigentum" weg, ist gerade
dabei wegzufallen - und deshalb wird es mit Klauen und Zähnen von
den "Eigentümern" verteidigt: Per Lizenzen, Patenten, Gesetzen und
sonstigen Beschränkungen. Wusstet Ihr, dass es in der BRD den Bauern
gesetzlich untersagt ist, ihr Saatgut selbst zu züchten? Warum?
Schutz geistigen Eigentums: Konzerne stecken Forschung (Wissen) in
die Züchtung oder Genmanipulation von Saatgut, was als "geistiges
Eigentum" privat bleiben soll, denn dummerweise lässt sich Saatgut
leicht "kopieren" (prima Analogie zur Software!). Und die Multis
unter den Saatgutproduzenten gehen sogar soweit, sozusagen
"closed-source-Saatgut" zu produzieren: Saatgut, das selbst kein
Saatgut mehr hervorbringt.

..ist ja wohl auch deshalb möglich, weil freies Kulturgut (noch)
nicht als Lebensgrundlage erkannt wird. Das ist aber nicht nur
Frage mangelnder Erkenntnis. Jeder Produzent betritt den Markt,
und die Strategien der Benutzung fremder Knappheit für das
eigene wirtschaftliche Überleben sind ihm nicht wesensfremd.

Deswegen ist die Frage des kooperativen Kreislaufschlusses und
der genossenschaftlichen Produktionsweise so wichtig: erst diese
Perspektive erlaubt überhaupt einen archimedischen Punkt zu
finden, von dem aus die Marktrationalität angegriffen werden kann.

PS: nicht ganz zusammenhängende und unausgegorene Anmerkung:
"Arbeitsgesellschaft" und "Eigentumsgesellschaft" sind letztendlich
Synonyme: die Vorstellung einer "Aneignung von Natur durch Arbeit"
begründet  die ganze Eigentumsordnung. Hier fehlt mir einiges noch bei der
Krisis, was durch Unsinn  wie "Arbeitssucht" etc. kaschiert wird.
In diese Richtung zu denken erschiene mir lohnend. Vielleicht hat 
Marx den Arbeitsbegriff der Liberalen nicht nur unzureichend
kritisiert, sondern auch ein Trojanisches Pferd in die Kritik der
politischen Ökonomie mitaufgenommen. Es wäre Zeit, endlich
den Deckel aufzumachen.


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http://www.oekonux.de/



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