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[ox] Wer beschäftigt sich mit Genossenschaft/Gemeinwirtschaft?



der folgende Aufruf zu einem Workshop zum Thema "virtuelle
Genossenschaften" am 29. September (Vortag der Visionale) nachmittags in
Wien ist mit der Frage verbunden, ob sich jemand aus dem oekonux-umfeld
intensiver mit der Thematik beschäftigt hat; es werden noch sachkundige
Kurz- und Impulsreferenten gesucht, die vielleicht auch mit praktischen
Beispielen aufwarten können.

Interessensbekundungen & Hinweise bitte an 

f.nahrada magnet.at

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"Im Rahmen der VISIONALE 2000, messe der organisationen und initiativen
der Zivilgesellschaft, werden sich Organisationen des 3. Sektors in einem
gemeinsamen Rahmen präsentieren und über die gemeinsame Zukunft
nachdenken: Die einzelnen thematischen Bereiche (soziales, kultur,
bildung, umwelt, sport und freizeit, religion, gesundheit, sicherheit und
konsumentenschutz, wissenschaft und forschung, menschenrechte und
friedensbildung, entwicklungszusammenarbeit ... ), bisher vertikal
geformt, werden sich erstmals mit gemeinsamer Zielrichtung positionieren.

Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die weithin verbreitete
Erfahrung, daß sowohl wirtschaftliche als auch politische
Organisationsformen gesellschaftlichen Handelns als Träger nachhaltiger
Entwicklungen zweifelhaft geworden sind. Politik und (Kapital-)Wirtschaft
als entscheidende Instanzen unserer gesellschaftlichen Entwicklung sind
nicht nur weniger denn je berechenbar, sie verursachen auch Ausgrenzung,
Enttäuschung und Zerstörung. 

Viele Hoffnungen und Erwartungen richten sich heute auf den 3. Sektor, die
Zivilgesellschaft, verbunden mit der Einsicht, daß sich zwar immer mehr
Handlungs- und Steuerungskompetenz im 3. Sektor ansammelt, daß dieser aber
in hilfloser Abhängigkeit von Staat und Wirtschaft gefangen ist. Simple
administrative Maßnahmen wie die Preiserhöhungen beim Postzeitungsversand
in Österreich genügen, um Organisationen des 3. Sektors in ihrer
Handlungsfähigkeit zu bedrohen und dem Sektor die autonome Willensbildung
zu entziehen.

In dieser Situation mag es nicht uninteressant sein, über das Verhältnis
von 3. Sektor und Genossenschaften nachzudenken, vor allem deswegen, weil
ein immer wieder vorkommender Vorwurf an den 3. Sektor die strukturelle
Unfähigkeit zu wirtschaftlichen Aktivitäten ist. Ein Vorwurf, der durch
die "alten" Genossenschaften noch verstärkt wird. Was an Genossenschaften
überlebt hat, paßt sich der Marktlogik an. Gemeinnützige Ziele und
mitmenschliche Verantwortung taugen fürs Museum oder für Feiertagsreden -
jedenfalls in unseren Breiten. In Südeuropa mag die Lage etwas anders
aussehen.

Die Frage, die wir uns stellen wollen, ist die, ob sich durch die neuen
Informationstechnologien die Lage nicht entscheidend verschoben hat. Die
Gründe für den Verfall der alten Genossenschaften und ihrer oft nicht
unbeträchtlichen Fähigkeit, Ressourcen für soziale Ziele zur Verfügung zu
stellen, lagen in der beständigen Konkurrenz mit dem
privatwirtschaftlichen Sektor; indem dieser Leistungen billiger anzubieten
imstande war als Konsumgenossenschaften oder die
Produzentengenossenschaften in der Produktivität überflügelte, entzog er
den Genossenschaften den Spielraum. 

Doch die Industriegesellschaft ist dabei, sich totzulaufen; mit dem
Verfall der Preise für Massenprodukte wird auf viel fundamentalere Weise
die Existenzbasis des Kapitals im privatwirtschaftlichen Sinne
"wegrationalisiert". Die moderne Logik der Produktion ist der Logik der
Fabrik diametral entgegengesetzt. In der Mitte steht nicht mehr die
Maschine, sondern der Algorhitmus, das geistige Modell. Die Maschine
bedurfte zu ihrer Bedienung des Kommandos und der Koordination durch das
Kapital, das digitale Modell steht theoretisch jedem zur Verfügung, der
mittels Computer einen Zugang dazu hat. In der Fabrik mußte zentral und
auf möglichst hoher Stufenleiter produziert werden, während im digitalen
Zeitalter sich die Produktion reproduzieren läßt. Fabriken produzieren
Werkzeuge, die produzieren - quasi als Peripheriegeräte des globalen
Netzes. Der "Prosument" betritt die Bühne, der mit den Produkten der
Industrie Werkzeuge der Eigentätigkeit erhält. Wir alle sind in den
letzten Jahrzehnten zu Prosumenten geworden.

Kein herkömmliches wirtschaftliches Schema mit Ausnahme des
Genossenschaftswesens vermag diese Transformation im Kern zu fassen:

- die Möglichkeit der freien Assoziation von Produzenten/Prosumenten zur
Erzeugung eines gemeinsamen Modellbestandes, wie er etwa in der freien
Softwareentwicklung bzw. LINUX Gestalt angenommen hat. Es widerspricht der
Logik dieses Prozesses, fragmentierte oder künstlich komplexe Modelle
herzustellen, wie es aber die Grundlage der gesamten modernen
"Informationswirtschaft" und des Multimedia-Marketing ist.

- Die Aufhebung der Rollenteilung "Konsument - Produzent"; die
Produktionsmittel Computer sind zugleich die Realisationsmittel ihres
Produktes, und die Entwicklung einer rationellen Organisation der
Produktion für den (allen gemeinschaftlichen) Eigenbedarf liegt viel näher
als in traditioneller marktorientierter Produktion.

Können uns also die kooperationserleichternden Technologien den Weg zu
neuen Organisationsformen der Gesellschaft weisen? Wie können Schritte in
diese Richtung aussehen? Das Ziel könnte heißen:

"...dem virtuellen Unterehmen, mit Ziel verbesserter Wettbewerbsfähigkeit,
die virtuelle Genossenschaft gegenüberzustellen - mit der Perspektive des
kooperativen Kreislaufschlusses."
(Ulrich Sigor)

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http://www.oekonux.de/



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