Re: [ox] Billige und andere Produktionsmittel (was: )
- From: Thomas Uwe Gruettmueller <sloyment gmx.net>
- Date: Mon, 11 Sep 2000 11:55:41 +0200
Hallo, Stefan, Bernd usw.!
On Sam, 26 Aug 2000, Stefan Merten wrote:
3 weeks (24 days) ago Bernd wrote:
Jemand von der Liste hat auch schon die immer billiger werdenden
PM ins Gespraech gebracht, und genau darauf moechte ich nochmal eingehen.
Das war wohl Thomas.
Die Kapitalisten streben nach Profit und versuchen ihre Waren
billiger (mit weniger Zeitaufwand) als die anderen Kapitalisten
herzustellen. Bei diesem Wettlauf um eine immer zeit- bzw
personalsparendere Produktion und Verwaltung werden auch
die Produktionsmittel/Maschinen immer billiger. Sie sind
naemlich selbst auch Waren. Produktionsmittel-herstellende
Unternehmer (heute meistens in der Maschinenbaubranche)
konkurrieren sich gegenseitig ihre Maschinen
immer billiger bis der Effekt eintritt, dass sie so billig
werden, dass sie nicht nur von Kapitalbesitzern (aus der
Gerbrauchsmittelbranche) gekauft werden
koennen sondern in die Bevoelkerung "diffundieren".
Ack
Ich denke, daß wir hier mehrere Kategorien von Produktionsmitteln
unterscheiden müssen.
* Einfache, eher handwerklich orientierten (richtige Kategorisierung?)
Produktionsmittel
Traditionelles Handwerkzeug aller Art (Hammer, Zange, Säge,
Schraubenzieher...), motorisiertes Werkzeug (Bohrmaschine, Nähmaschine,
Akkuschrauber, Drehbank...), Elektro- Werkzeug (Lötkolben, Meßgerät,
Oszillograph...)...
"Handwerklich" ist eigentlich eine ganz gute Einordnung.
Die aufgezählten Sachen haben alle gemein, daß sie für berufliche Anwendung
konstruiert wurden (und auch dazu eingesetzt werden), jedoch an Privatleute
zu deren privatem Zeitvertreib verkauft werden. An diesen Geräten muß
gewöhnlich immer ein Mensch stehen, d.h. sie tun nichts selbständig. Dies ist
auch der Grund, warum es immernoch keine automatischen Webstühle für
Privatleute zu kaufen gibt. Niemand will sich soetwas ins Wohnzimmer stellen.
Worum es mir geht, ist, daß es nicht eine Frage der Komplexität ist, ob eine
Maschine für 100.-- DM im Baumarkt zu haben ist, sondern, daß es sich aus der
Nachfrage erklärt.
Diese findet Thomas in den Baumärkten. Die sind in der Tat ziemlich
erschwinglich geworden und wenn sich Menschen jetzt noch zu kleinen
Gruppen zusammentäten, dann könnten sie für den Eigenbedarf
erstklassige Maschinen erwerben, mit denen diese Arbeit nicht nur
leicht und schnell geht, sondern auch (mir) mehr Spaß macht.
Es macht sicher keinen Spaß, mit diesen Maschinen Massenproduktion zu
betreiben. Der Sinn dieser Maschinen liegt also eher in der Anfertigung von
Einzelstücken. Desweiteren bieten diese Maschinen eine grosse Vielfalt an
Anwendungsmöglichkeiten
Die Idee war nun wohl, daß diese einfachen Produktionsmittel gepaart
mit dem Gedanken Freier Produktion zu Freien Gütern führen könnten.
Diese manuell zu bedienenden Produktionsmittel eignen sich, wie schon gesagt,
nicht für die Massenproduktion. Dennoch ist, z.B. im Bereich der Elektronik,
die Erstellung von Prototypen mit diesen Werkzeugen möglich.
* Weit entwickelte, hochkomplexe Produktionsmittel
Solche, die heute in der produzierenden Industrie eingesetzt werden
- z.B. der Industrieroboter an einem Band zur Autoproduktion. Diese
Produktionsmittel sind irrsinnig teuer - so teuer, daß die
Möglichkeit, sich eine solche Maschine anzuschaffen oder nicht über
die Fortexistenz einer Firma entscheiden kann.
Diese Produktionsmittel sind auf Privatbasis jenseits von Gut und
Böse. In Richtung GPL-Gesellschaft gedacht, wäre es aber
unabdingbar, daß auch hochkomplexe und hochproduktive
Produktionsmittel der "Abenteuerlust der Menschheit" (TUG)
unterworfen werden.
Das Problem an diesen Produktionsmitteln ist, daß sich gar nicht erst Bedarf
nach ihnen entwickeln kann, da sie für die Massenfertigung proprietärer
Produkte gedacht sind. Da diese nur ein Hersteller herstellen kann, brauchen
alle anderen Hersteller andere Produktionsmittel. Daher sind diese oft
Spezialanfertigungen, so daß es keine Konkurrenz gibt. Läßt sich dann der
Hersteller des Produktionsmittels auch noch sein Design patentieren, bekommt
er auch nie Konkurrenz. Das Produkt des Konkurrenten würde zwar das gleiche
Ergebnis liefern; der Vorgang wäre aber ein anderer. Die Produktion müßte
umgestellt werden.
* Computer
Irgendwie scheinen mir Computer eine gewisse Sonderstellung
einzunehmen. Die gibt's von rasend teuer bis zu sehr erschwinglich
und die Grenzen fließen ständig - wenn ich mir z.B. überlege, was
mit einer Cluster-Lösung aus mehreren PCs heute an Rechen-Power für
relativ wenig Geld möglich ist.
Durch die vielen offenen Standards hat der PC einige Eigenschaften (z.B. den
niedrigen Preis) eines Freien Produkts. Daß z.B. eine Festplatte nur zu
bestimmten Computern paßt, gehört der Vergangenheit an. Dadurch gibt es eine
Vielzahl von Anbietern und eine hohe Konkurrenz. Dennoch kann man einen
Computer nicht bis ins Detail nachbauen, wie etwa Benzin, M3-Schrauben, Brot.
Durch den Computer hat ein Produktionsmittel seinen Weg in den Hobby-Bereich
gefunden, das sowohl vom Menschen bedient werden als auch selbständig
arbeiten kann. Und wenn man ein stabiles Multitasking-System verwendet, sogar
beides gleichzeitig.
Well, vielleicht will ich auch hier nur was sehen, was gar nicht so
besonders ist. Bernd meint:
A. Das Produktionsmittel Computer (PM fuer die Herstellung der
SoftWARE) zeigte diesen Preisverfall deutlich und heute
kann sich fast die gesammte Bevoelkerung in den Industrienationen
dieses PM kaufen.
Auch wenn die meisten den Computer nicht als PM nutzen (Programmieren)
sondern ihn nur "konsumieren",
Na, einen Text mit einem Computer zu schreiben ist doch auch ihn als
Produktionsmittel zu nutzen. Außer vielleicht Spielen und ähnlichen
Freizeitbeschäftigungen würde ich doch die meisten Tätigkeiten am
Computer als Nutzung eines Produktionsmittels sehen.
ack
und um nochmal auf die materielle Produktion zurückzukommen, so kann man
diese wunderbar mit Computern steuern. Ich denke da zum Beispiel an das
Ausdrucken von Freien Büchern. Allerdings ist das ein schlechtes Beispiel,
denn der Drucker erfordert viel zu viele Eingriffe durch den Menschen
B. Das Produktionsmittel Solarzelle/Windgenerator (fuer die Ware
"Strom") koennte bei technischer Weiterentwicklung und
niedrigerem Preis (bzw Wert) aehnliche Effekte zeigen.
Angenommen man koennte sich durch geringen Bastellaufwand
und geringem Preis eine Solarzelle/Windgenerator-Anlage aufs Dach
bringen und diese Anlage auch noch mehr Strom erzeugt,
als selbst benoetigt (z.B 110%), dann wird dieser Strom
ins oeffentliche Netz gespeist. Wenn es immer mehr Haushalte
werden, die sich sowas leisten koennen (was sich
tatsaechlich abzeichnet) dann wird sich auch hier eine
_hochdezentralisierte_ und _selbstplanende_ Produktion
einstellen.
Ohne die Bedenken von Andreas beiseite schieben zu wollen: Ich finde
der Gedanke hat was. Das wäre dann so eine Art Freier Strom.
Im Hinblick auf Urheber- und Patent-"Recht" ist Strom sowieso Frei.
Die Auswirkung auf das Denken/Bewusstsein der Bevoelkerung:
Man ist kein ohmaechtiger Empfaenger mehr sondern jemand
der sich selbst mit dem noetigen Strom versorgt und darueber hinaus
sogar noch was vom Ueberfluss abgibt.
Genau. Die entscheidende Ähnlichkeit mit Freier Software scheint mir
an dieser Vision zu sein, daß dann ein weiteres Gut im Überfluß zur
Verfügung stünde.
Das ist keine besondere Eigenschaft Freier Software, sondern der Software im
Allgemeinen. Daß es unfreie Software gibt, ist künstliche Verknappung per
Gesetz -- vergleichbar mit Lebensmittelvernichtung.
C. Eine Textilmaschine, die (mit freier Software konfiguriert) einen
Stoff-Rohling gefuettert bekommt und je nach Programmierung ein
bestimmtes Kleidungsstueck automatisiert schneidet und naeht.
Geruechte sagen, dass bei Mustang das schon moeglich ist.
Aber die dortigen SchneideNaehMaschinen sind sicher noch
sehr teuer und sehr wenig platzsparend, so dass sie schon auf dem
"Sprung in die Bevoelkerung waeren".
Ich denke, daß der "Sprung in die Bevölkerung" wie bei anderen
Produktionsmitteln hier der falsche Weg ist. Wie gesagt: Der
Abenteuerlust unterwerfen aber (erst mal) in den Fabrikhallen.
Aus den Fabrikhallen verschwinden die Menschen, und das ist auch gut so.
Rationalisierung und technischer Fortschritt sind überall erkennbar, jedoch
bremsen Urheber- und Patentrecht das ganze stark aus.
Da diese aber auf absehbare Zeit nicht weltweit abgeschafft werden können,
müssen Produkt-Designs unter Copyleft aus der Bevölkerung kommen. Ich denke
da an das Debian-Modell. Das Entwickler-Team liefert den Prototypen
(CD-Image), und jeder darf das Produkt (CD-Stapel) bauen und verkaufen.
Dazu müssen die Produktionsmittel in der Bevölkerung vorhanden sein, nicht
unbedingt im Wohnzimmer, viel eher in irgendwelchen Vereinswerkstätten, auf
alle Fälle in erreichbarer Nähe (50 km im Umkreis). So versteh ich das mit
dem "Sprung in die Bevölkerung".
Ich denke, daß in der Bevölkerung momentan nicht die Technik zur Verfügung
steht, ein komplettes Auto zu entwickeln, allerdings sind Teillösungen, z.B.
ein absturzsicheres Steuergerät, durchaus vorstellbar, und
Tuning-Fetischisten, die sich das nachrüsten wollen, gibt es sicher genug.
Beim Fernseher sieht da vermutlich anders aus. Da kann man gleich das
komplett-Design angehen und muß nicht bestehende Modelle umrüsten.
Tschüß,
Thomas
}:o{#
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