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[ox] das Wesen des Menschen





PILCH Hartmut wrote:

Ich finde das nicht nur vom Ansatz her eine recht neue 
Diskussion -
wahrscheinlich hat's das zu Zeiten Oktoberrevolution schon 
mal gegeben
- -, sondern auch eine *verallgemeinerungsfähige* Perspektive. 
Das ist
eine Perspektive, mit der ich zu Herr und Frau NachbarIn 
gehen kann
und sagen: "Hey, wir wollen eine neue Gesellschaft bauen. An 
deinem
materiellen Wohlstand wird dir nichts genommen werden - nur 
Arbeiten
mußt du dafür nicht mehr wenn du nicht willst." Wer könnte 
dazu Nein
sagen?

Viele Leute wuerden aus Gewohnheit oder Instinkt heraus Nein 
sagen.
Andere wuerden sich wiederum langweilen, gammeln und 
Aggressionen
entwickeln.
Die Universitaet ist oft deshalb ein Ort des endlosen Intrigierens, 
weil
Leute dort nicht unter staendigem Verwertungsdruck stehen.
Leute wie Daniel Riek sind in der Linux-Gemeinde deshalb hoch 
angesehen,
weil sie solchen Druck meistern und trotzdem etwas beitragen.
Die Linux-Gemeinde sollte und wird sich vorsehen, sich von einer
bestimmten moeglicherweise falschen Anthropologie 
vereinnahmen zu lassen.

Das Thema Anthropologie oder "Wesen des Menschen" wird nun 
seit einigen Mails hin- und hergewälzt, versehen mit Argumenten, 
die allesamt ein wenig schief sind, daher dazu ein Einspruch.

Urteile darüber, wie der Mensch an sich so ist und/oder wie er 
reagieren würde, wären wir in einer anderen Welt, entstehen hier 
durch Anschauung der real existierenden Welt, in der wir leben. Es 
wird also beobachtet, aha, so und so sind die Leute um mich rum, 
und dann wird auf eine seltsame Weise geschlossen, dass die 
Leut' eben so sind und in anderen sozialen Systemen dann ebent 
auch so wären. Es wird also von einem Ergebnis eines Prozesses 
auf eine Art Natur des Menschen geschlossen. Um es noch 
komplizierter zu sagen: Es wird ein Ergebnis als Gegeben 
vorausgesetzt und als Basis weiterer Gedanken genommen. 

Dabei haben wir doch alle eine Ahnung davon, dass die Leute in 
unterschiedlichen historischen Epochen unterschiedlich drauf sind 
und waren. Ich wills mal einfach festhalten: "Den Menschen an 
sich" gibt es nicht. So. Und noch was: "Die Natur des Menschen" 
auch nicht. Was übrigens das gleiche ist. Das sind alles 
Konstrukte, die dadurch entstehen, dass man die Welt nimmt wie 
sie einem so daher kommt oder wie sie erscheint und diesen 
Schein, der wird dann als in Stein gemeißelt wahrgenommen, oder 
sagen wir als "Natur" interpretiert. Ich will das gar nicht so arg 
kritisieren, weil er sich auch stark aufdrängt im Alltag, der Schein - 
eben als Voraussetzung, statt als Ergebnis bestimmter Prozesse. 
Das ist eine Unterscheidung, auf der ich nochmal rumreiten will: 
Das Objekt meiner Beobachtung, in diesem Falle 
Verhaltensmuster von Menschen, ist erst Produkt einer 
bestimmten historischen, ökonomischen, gesellschaftlichen, usw.  
Sozialisation. Nicht Voraussetzung. Wenn es als Voraussetzung 
genommen wird, oder als gegeben, landet es zwangsläufig im 
Naturhaften. Weil, woher solls sonst kommen?    

Ich will halt nochmal doch das alte Ding mit dem "Das Sein 
bestimmt das Bewußtsein" bemühen, wobei ich überzeugt bin, 
dass auch das "Bewußtsein bestimmt das Sein" mit dazu gehört 
(nicht ausschließend, sondern wechselwirkend). Dies zu denken 
dürfte nicht schwerfallen, schließt aber Sätze wie "die Leute 
würden dann mehr mitnehmen, als sie wollen", oder "die wären 
dann faul oder aggressiv" völlig aus. Es geht wirklich nicht, dass 
hier zu beobachtende Verhaltensauffällgkeiten von Leuten 
ahistorisch ins zeitlose, naturhafte Wesen des Menschen hinein 
gedacht werden. Da landen wir im Nichts oder in Ideologie. Es läßt 
sich schlicht nichts (!!!) sagen, darüber, wie der Mensch wäre wenn.

Ich hoffe, ich habe damit nun die Grundlage für Spekulationen, wie 
der Mensch so ist oder wäre, entzogen. 

Nun zu Stefan Meretz: Natürlich impliziert der Gedanke von 
Selbstentfaltungskräften, die irgendwie dem Menschen innewohnen 
und hierzulande gebremst werden oder auch nicht mehr gebremst 
werden - wie auch immer - auch eine Art Naturhaftigkeit. (Erinnert 
mich ein wenig an das Gattungswesen in den Frühschriften von 
Marx, in denen er auch immer mit irgendwelchen Wesensanlagen 
oder -kräften des Menschen rumfuhrwerkte). Aber ich glaube, da 
wurdest Du missverstanden. Oder? Du denkst sicher daran, dass 
bestimmte Verhältnisse bestimmte Entfaltungsmöglichkeiten 
besser generieren können, als andere. Wobei ich da auch wieder 
einschränkend sagen würde, dass diese Verhältnisse, wie auch 
immer wir sie definieren, immer nur eine notwendige, nie aber eine 
hinreichende Bedingung wären. Es gehört halt auch das 
Bewußtsein dazu, nicht nur das Sein. Das Bewußtsein aber wäre 
ein Wille zur Entfaltung, ein Wille zu einer anderen Welt, um mal 
große Worte zu bemühen, es gibt halt leider keinen noch so gut 
durchdachten Mechanismus, der die schöne Welt quasi von alleine 
hervorzaubert. Man kommt halt nicht drum rum: Ein politisches 
Wollen brauchts schon. 

Sabine

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http://www.oekonux.de/



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