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Re: [ox] Mythos Informationsgesellschaft




Ein interessanter, gewohnt kritischer Text von Uli Briefs, mit dem er
vor Technik- und Sozialeuphorie gleichermaßen warnt.  Mit den
Verheißungen und Mythen muss man sich aber wohl noch genauer
auseinandersetzen.  Vieles davon scheint mir Politik-Rhetorik zu sein,
die zunehmend weniger aufgeht.  In seriöseren Dokumenten, etwa dem
Bericht der HLEG an die EU zur Informationsgesellschaft von 1996, ist
man da schon mal weiter gewesen. 

Und da reicht mir eine Aussage wie 

   Die "Maschinisierung der Kopfarbeit" (F. Nake) durch Entwicklung
   und Anwendung der luK-Technik ist das vielleicht mächtigste Mittel,
   das je entwickelt wurde, um das Volumen an gesellschaftlich
   notwendiger Arbeit, die von menschlicher Arbeitskraft ausgeführt
   wird, zu verringern. Hierin liegt mit großer Wahrscheinlichkeit die
   am weitesten ausgreifende Veränderung eines wesentlichen
   Grundelements moderner Gesellschaften durch die Informatisierung,
   nämlich der Beitrag zur Erschütterung des Beschäftigungssystems.

nicht aus. Es ist ein (seit Weizenbaum wenig verzeihlicher)
Trugschluss, nur die physische als gesellschaftlich notwendige Arbeit
zu sehen (ich verkürze mal leicht). Der Moloch Maschine bedurfte
bereits intensiver begleitender reflektorischer Leistung, um nicht
(oder wenigstens nicht zu sehr) aus dem Ruder zu laufen, und der neue
technische Apparat, mit dem Computer als zentralem Element, mit dem
inzwischen nicht nur Werkzeuge, sondern ganze Prozesse "designt"
werden, wird eines solchen Coachings noch viel mehr bedürfen.  Da geht
es vor allem um Wissenschaft (d.h. _kritische_ Wissenschaft, aber das
ist ja jede echte Wissenschaft, wie hier mal vermerkt wurde). Und die
Frage, woraus man das bezahlt.

Wirklich interessant an der ganzen Entwicklung scheint mir zu sein,
dass auch die großen Konzerne (also die Mächtigen dieser Welt, um auf
Briefs Argumentation zurück zu kommen) sich da in einem Zielkonflikt
befinden, dass sie einerseits (insbesondere Bildungs-)Infrastruktur
brauchen, aber diese eigentlich nicht bezahlen wollen. Im
OpenSource-Bereich, der ja hier diskutiert wird, gibt es da inzwischen
spannende Entwicklungen jenseits von Staat, Fördergeldern und Steuern,
die genauerer Analyse harren.  Da dürfte es dann aber weniger um
Information als um Wissen und dessen Sozialisierungsmechanismen gehen.
Und um die Brücke zu Forschung, Bildung, Können. 

Ich habe Markus Lauber allerdings so verstanden, dass er Briefs
Beitrag einer gewissen Sozialeuphorie, die in dem Zusammenhang
gelegentlich aufkommt, entgegen gesetzt wissen will. 


Ein Hinweis in eigener Sache: Wer in der Nähe von Leipzig weilt, der
ist zu unserem Seminar am 25.10. herzlich eingeladen, wo wir über
"Mythen und Fetische im Informationszeitalter" (nach einem Aufsatz von
P. Rechenberg) diskutieren werden.  Details auf der Webseite
http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe/projekte/moderne/Seminar.html

-- 
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Gert Gräbe

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     |  PD Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig |
     |            Augustusplatz, D - 04109 Leipzig               |
     |         	     tel. : [PHONE NUMBER REMOVED] - 341 - 97 32 248                |
     |         email: graebe informatik.uni-leipzig.de           |
     |  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe  |
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