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[ox] Thesen aus Dortmund



helmut free.de
UlrichLeicht t-online.de


-------------------------------- T h e s e n --------------------------------

Tradierte Konzepte überwinden
Open Theory für die gewerkschaftliche Zukunft-
(Light) Version 1.2


1.Gewerkschaftliches Engagement muß künftig in der Lage sein, vor allem in drei 
einigermaßen - vielleicht zunehmend - unterschiedlichen Bereichen Aktivitäten 
und organisierende Tätigkeiten zu entfalten.

a)  den klassischen, zwar im Rückgang befindlichen, aber zumindest noch lange 
Zeit existenten Industriebereich, bzw Großbetriebsbereich im 
Dienstleistungssektor (Call Center gehören hierzu); 
b) die ganzen Bereiche der sogenannten "New Economy" an der Schnittstelle 
wissenschaftlicher Entwicklungen und ökonomischer Verwertung nach neuen (?) 
kapitalistischen Mustern - also alles was heute unter "Neue Medien",
"Informationstechnologie" und "Software-Erzeugung" und morgen unter 
"Biotechnologie" gehandelt wird;
c) den Bereich der Niedriglohndienstleistungen sowohl im privaten als auch 
öffentlichen Sektor, der ein Scharnier zur Erwerbslosenarbeit darstellt und 
personell nach wie vor sehr 
stark von MigrantInnen, legalen und illegalen, geprägt ist.

Dies bedeutet zunächst vor allem: Es ist nicht nur etwas Reform der 
Organisation nötig, sondern permanente Flexibilität. Die Prinzipien dabei 
sollten sein: 
- Übergewerkschaftliche Zusammenarbeit, mit dem eigentlichen Nah- 
realpolitisch aber Fernziel einer Gewerkschaft DGB, noch besser eines 
gesamtgewerkschaftlichen Netzwerkes, das den Organisationsbereich des 
heutigen DGB und der DAG umfasst, rund um Themen, Kampagnen und Projekte. 
- Eine Politik, die sich weg vom Kartellcharakter des heutigen DGB und seiner 
Gewerkschaften hin zu einer für Mitglieder transparenten und für andere 
Interessierte offene Organisation entwickelt;
- Eine Politik, die die systematische Einbindung der Aktivitäten engagierter 
GewerkschafterInnen in den Normalbetrieb gewährleistet und verstärkt - die 
prinzipielle doppelte Umorientierung der bisherigen Sekretär-basierten 
Gewerkschaftsorganisation: zwischen "Online" und  Grundausrichtung 
"Selbstorganisation".


2. Gewerkschaften müssen als politisches Prinzip in der Zukunft - gerade bei 
Verhältnissen, die immer weiter  segmentiert werden -Positionen entwickeln, 
die zur Einheitlichkeit der abhängig Beschäftigten und  Erwerbslosen, 
unabhängig von Geschlecht, Nation, gesellschaftlicher Stellung und Rasse 
beitragen.

Eine schlagwortartige Auflistung dürfte die Richtung zeigen:

a) Bei Tarifen: Festgeldforderungen, spezielle Anhebungen  für 
NiedriglöhnerInnen und gegen regionale (heute: "Ost-") Differenzierung.
b) Bei Arbeitsbedingungen: Arbeitszeitverkürzung in  verschiedensten Formen 
zur Gewinnung von Lebenszeit - dies muss eine Konstante sein; Pausenregelungen 
und ergonomische Lösungen - auch und gerade bei Bildschirmarbeitsplätzen - die 
der Gesundheit wirklich dienen;  
c) Flexibilisierung der Arbeitszeit: Ja, bei Gewähr der Mindestforderung, dass 
darüber mitbestimmt werden kann - dass die persönliche  Zeitsouveränität 
wächst - Nein, wenn das tendenziell "work by call" bedeutet; diejenigen, die 
prinzipiell dagegen sind, sollen erst mal die Friedhöfe in ihrem Keller zur 
Besichtigung freigeben - die prinzipiell dafür sind, sollen sich den Titel 
"Co-Manager h.c" ans Büro heften
d) Einbindung der Verteidigung der Interessen der Erwerbslosen in diese 
Arbeit und Junktime, etwa mit dem Widerstand gegen die Streichung der 
originären Arbeitslosenhilfe, Organisation von gesellschaftlichen 
Boykottkampagnen (auch in Fragen der internationalen Solidarität)...

3. Die Gewerkschaften müssen dringendst ihren einhundertjährigen Rückstand 
gegenüber dem Kapital aufholen: Internationalisierung ist angesagt. Nicht in 
Büros oder Konferenzen, sondern in der Alltagsarbeit.
Natürlich: Sozialpartner haben es am schwersten mit der internationalen 
Zusammenarbeit. Wenn jede Seite vor allem vertrauensvoll mit ihrem Unternehmen 
zusammenarbeitet, schlägt deren Konkurrenz eben durch. Dann ist außer Papier 
und - bestenfalls - Weltbetriebsräten mit erheblichem Machtgefälle nichts 
drin. Aber die absolute Konzentration auf Betriebs - oft genug gar 
Betriebsrats-Arbeit, macht es auch anderen KollegInnen schwer, über 
Erklärungen und einzelne Solidaritätsaktionen hinauszugehen.
Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht um sogenannte Entwicklungshilfe. 
GewerkschafterInnen anderer Länder können sehr wohl auch ohne BVG und 
Betriebsräte "glücklich sein" - und haben des öfteren, was etwa Organisation 
in informellen Bereichen angeht, wesentlich mehr Erfahrung. Es geht - als 
aktuelles Beispiel - neben der gemeinsamen Arbeit in Weltkonzernen, auch 
darum, gemeinsam die Rolle der Gewerkschaften in weltweiten Bewegungen, wie 
etwa gegen IWF und WTO, gegen Gennahrung usw zu verändern und dadurch erst zu 
entfalten. Bisher zeichnen sich die (sozialpartnerschaftlich dominierten) 
internationalen Aktivitäten der Gewerkschaften durch Stellungnahmen gegen 
solche Bewegungen aus - Sozialklauseln sollen das Bündnis der Belegschaften 
mit den Unternehmen festigen. Die Peinlichkeiten etwa bei den 
Auseinandersetzungen um das MAI-Abkommen haben natürlich dem Ansehen der 
Gewerkschaften geschadet, ihrer Identifikation mit den Herrschenden
Vorschub geleistet - zumindest in den Augen der Menschen, die Widerstand 
leisten. Betriebsräte, die sich für Giftproduktion, Gentechnik, 
Panzerlieferungen etc pp aussprechen - natürlich im Interesse der Belegschaft 
(meist: zutreffend), niemals wegen des eigenen Stuhls (selten: zutreffend) 
-schaden nicht nur dem öffentlichen Ansehen der Gewerkschaften: sie schaden 
vor allem den berechtigten Interessen weitaus größerer Teile der Bevölkerung.

4.Die Gewerkschaften müssen sich hinorientieren zur Realisierung neuer 
politischer Arbeitsinhalte und -formen. Gesellschaftspolitische Kampagnen 
werden künftig vielleicht wichtiger sein als Tarifkampagnen.

Gesagt wurde in den letzten Jahren vieles, herausgekommen sind bisher 
"mehrerer Hochzeiten" in Form von Schlussverkauf-Anschlüssen oder 
Elefantenhochzeiten (ohne Hochzeitsnacht). An inhaltlicher Neuerung nichts bis 
sehr wenig, am ehesten noch aus der Richtung Bertelsmann/Böckler, das 
Alltagsgeschäft geht weiter wie bisher. Wenn zusätzliche Steuern oder Teuerung 
jede Lohnerhöhung auffressen, wird es endgültig deutlich, dass es eine 
übergewerkschaftliche gesellschaftspolitische Kampagne geben muss, die nicht 
nur auf dem Papier steht; aber auch wenn - beispielsweise - Mietwucher 
betrieben wird, muss dagegengehalten werden. Die Zeit der reinen 
Tarifmaschine ist vorbei, auch die viel-und langbeschworene "Politisierung 
des Tarifkampfes" kann darüber nicht hinwegtäuschen. Es kann keine Perspektive 
sein, um die Punkte hinter dem Prozentkomma - oder auch um eines davor - zu 
kämpfen. Der Rest ist, immer mehr: Laufrad.

5.Diese Optionen für gewerkschaftliche Zukunft bedingen auch eine ernsthafte 
Abkehr von einer Staatsfixiertheit und parteipolitische Neutralität der 
Gewerkschaften, die in keinem Sinne Transmissionsriemen irgendeiner Partei 
sein können und dürfen. Eigene Vorstellungen sind nicht dazu da, über 
Wahlbausteine Wahlkampf zu machen, sondern um sie organisiert zu verwirklichen.

Wenn unter dem Stichwort "politische Lobbyarbeit" - oder wie die Formulierung 
letztlich sein mag - gefragt wird, ob etwa im Mai 2000 ein Streik der ÖTV" in 
die politische Landschaft passe", so kann dazu nur gesagt werden: Diese Frage 
ist eine Unverschämtheit von Leuten, denen nur ihr Parteibuch wichtig ist. Die 
Gewerkschaften müssen Druck entfalten, um stark zu werden, sie können nur
 Druck entfalten, wenn sie stark sind - in dieser Dialektik bewegt sich diese 
zentrale Aktivität. Wer gestern auf hässlichen Plakaten das Maul für eine 
andere Politik aufgerissen hat, kann ernsthaft weder die neue noch
die alte Mitte gemeint haben: deren Politik ist erklärtermaßen nicht "anders".  
Wer eine Realpolitik machen will, die darauf zielt, die parteipolitischen 
Konjunkturen als zentrale Referenz entsprechender Aktivität zu zementieren, 
kastriert die Potenz der Gewerkschaften. Eigene Gesellschaftsleitbilder, 
eigene Vorschläge (eben nicht von den Hauptamtlichen beschlossen, danach die 
"ehrenamtlichen" einbezogen, sondern ernsthaft diskutierte) sind ebenso 
Trumpf, wie unabhängige Aktion.

6.Alle diese Punkte sind  Voraussetzung dafür, dass Gewerkschaften in 
zentralen gesellschaftlichen Debatten die Chance haben, Gehör zu finden, 
überhaupt wieder ernst genommen zu werden und auch Meinungsführerschaft zu 
erringen, - heute geschieht das nur noch in Gremien.
Dies betrifft auch und gerade die Problematik der Arbeitslosigkeit: die 
bloßen generationenlangen Appelle nach "Arbeit für Alle" mobilisieren schon 
längst noch nicht einmal uns selbst, öden alle an und tragen wesentlich dazu 
bei, konsequenterweise auf störende Gewerkschaften lieber verzichten zu wollen. 
Ohne künftig sowohl Reduzierung und Bedingungen, als auch erst recht die 
Inhalte der Arbeit zu thematisieren, läuft dies gar Gefahr, zum Vehikel 
regierungspolitischen Arbeitszwangs a la England zu werden - und zumindest in 
NRW gibt es einiges davon. "Weniger, aber sinnvolle Arbeit für alle" - in 
dieser Richtung wäre eine Politik zu entwickeln, die wirklich in der Lage ist, 
Meinungen neu zu bilden und zu beeinflussen und auch das durchaus nicht zu 
Unrecht bestehende Bild der stinklangweiligen Gewerkschaften allmählich zu 
korrigieren. Wer die Zukunft der Gewerkschaften im wesentlichen im "weiter so" 
sieht, sieht in die Zukunft die Gewerkschaften: am Ende, ein Auslaufmodell.


7. Die drei heute in der Gewerkschaft wesentlichen politischen Strömungen haben 
in allen diesen Punkten keine Antwort, die in der Lage wäre ernsthaft zu 
mobilisieren. Wir denken, die Optionen müssen andere, vor allem aber offen für 
Veränderungen sein.

·	Die Sozialpartner setzen auf Schröder&Co - aber der immer weniger auf 
sie. Nicht nur, weil er nicht will: auch weil er nicht kann. Die alte 
Oskar-Mitte ist passé, das verhindern Memoranden ohne Zahl nicht. Am 
verlassenen Grab von J.M. Keynes kichert nicht nur der Geist von Karl Marx. 
Die neue Mitte ist Gerhard Schröder, da hat er recht, nur wir sind dagegen - 
und als künftige Mitte bietet sich nebenan der antietatistische Rechte Haider 
an. Am Katzentisch der Macht wird nicht mehr gedeckt. Das mag jenen nicht 
auffallen, die in hundertundeinem Gremium sitzen (sei es aus Überzeugung oder 
- siehe verdi - aus materiellem Interesse) - aber wenn sie endgültig Offiziere 
ohne Soldaten geworden sind, werden sie auch in die Dienstleistungsbunker 
zurück müssen, die sie dann nicht mehr bezahlen können. Im übrigen: Nicht 
ganz zufällig, daß sich das Bild der Armee aufdrängt....

·	Die Dienstleister setzen auf die "Winner" der sogenannten neuen 
Ökonomie und auf technokratische Modernität: Eine Ausgeburt von 
Sekretärsmentalität, die hofft, auch künftig gebraucht zu werden: Es gibt viel 
bessere Rechtsberater als ehemalige Jugendsekretäre der ÖTV (oder sonst wem). 
Wer die Reduzierung der Gewerkschaften auf reine Dienstleistungsorganisationen 
propagiert, setzt sie in zunehmende Konkurrenz zu privaten 
Dienstleistungsunternehmen - mit Erfolgsaussichten wie DGB Reisen....

·	Die traditionellen Gegenmachtstrategen setzen auf Radikalisierung und 
Politisierung der bestehenden Ausrichtung (im besonders vernagelten Fall auch 
auf "Re"-politisierung), ihre Analysen decken sich oft mit denen ihrer 
verfeindeten Vettern, den Sozialpartnern - und sie segeln damit, wie diese, in 
die Hindernisse der Segmentierung und des Produktionspositivismus - und der 
Unehrlichkeit: Niemand kann ernsthaft behaupten, er oder sie wisse, daß etwa 
der Versuch einer "ökologischen Umgestaltung" der Produktion Arbeitsplätze 
schaffe. Wir zweifeln nicht an der Notwendigkeit dieser Umgestaltung: wohl 
aber an ihrer "arbeitzplatzschaffenden" Kapazität.

Es geht uns hier nicht ums "Recht haben", das kann mensch auch zu zweit: So wie 
der Sekretär am 1.Mai ab Bier sieben seiner Liedkentnisse der Jugendzeit sich 
erinnert und die Internationale singt (singt ?) , so hat der Aktivist und 
Gewerkschaftskritiker - vielleicht zwei Bier früher - alles im Griff. Es geht 
uns auch nicht darum, KollegInnen mit anderen Auffassungen abzusprechen, dass 
sie sich einsetzen für die Interessen der abhängig Beschäftigten usw. Es geht 
uns  schon gar nicht generell um die künftige Existenz der Gewerkschaften. 
Wenn sie keine sinnvolle Rolle zu spielen in der Lage sind, sind sie eben 
genau dies:  ausschließlich überflüssig. Deswegen haben wir auch keine 
festgeschriebene Plattform gemacht, sondern wollen einen offenen Prozess. 
Weil nur so eine wirkliche Debatte entstehen kann, anstelle der Konfrontation 
von Positionen. Eben darum betonen wir auch, dass mensch in allen drei 
Strömungen auch richtige und wichtige Elemente finden kann.
Denn:
·	Wir sind für gestalterische Mitwirkung: Wenn diese sichtbar - und vor 
allem: sichtbar anders - ist. Nicht zuletzt in dem künftig enorm wichtigen 
Bereich der Weiterbildung (in den verschiedensten Dimensionen der Frage) muss 
eine ernsthafte Gewerkschaftsbewegung aktiv werden: Wenn aber die 
Landesregierung NRW gerade in 2000 das Weiterbildungsgesetz beschneidet, so 
macht sie sich nicht nur - einmal mehr - zum Gegner einer modernen 
Gewerkschaftsbewegung, sondern macht auch deutlich, dass hier Weiterbildung 
nur heißen soll, berufliche Fachausbildung nach den konjunkturellen 
Anforderungen der Unternehmen. Diese sollen die Unternehmer bezahlen : Denn 
dies ist Arbeitszeit. Darüber wollen wir mitbestimmen. Aber: Weiterbildung 
ist viel, viel mehr als berufliche Qualifikation - und gerade da müssen 
Gewerkschaften aktiv werden.

·	Wir sind auch - entschieden - für "Dienstleistung", und dafür, dass 
Mitgliedschaft auch Vorteile birgt. Wenn diese Vorteile nicht in windigen 
Versicherungen und überflüssigen Handys bestehen sollen, sondern wirklich 
sinnvoll sind - der Presseausweis der IG Medien ist eine Dienstleistung, 
Abkommen mit Serviceunternehmen (beispielsweise Reisebüros oder 
Computerunternehmen) können durchaus positiv sein. Auch die Beratung von 
Freiberuflern - künftig keineswegs nur im Medienbereich - muss wesentlich 
verstärkt werden, Online ist einer der Trümpfe in jeder Art Beratung. Dieser 
Katalog ließe sich sehr verlängern: Er darf nur weder dazu führen, 
Gewerkschaft nicht mehr als Solidargemeinschaft aufrecht zu erhalten, noch zu 
einer "Entgesellschaftlichung" qua Beschränkung auf Beratung. Wer 
Dienstleistung als Selbstzweck versteht, versteht selbst den Zweck des 
ganzen nicht. Bescheidene Frage am Rande: Wäre -z.B. - Hilfestellung für 
MigrantInnen bei Einbürgerungsanträgen nicht auch Dienstleistung??

·	Und ja, selbstverständlich: wir sind für Gegenmacht. Wenn es um die 
Kraft geht, gesellschaftliche Veränderungen einzuleiten, bestimmte Zustände zu 
ändern oder zu erreichen - anstelle, mit oder gegen die verschiedensten 
politischen Parteien. Bei Zielen, die parteiübergreifend geteilt werden können, 
sind wir für jede Art Macht einer solchen Bewegung: vor allem aber für die im 
Bündnis mit anderen internationalen sozialen und politischen Bewegungen. Wir 
sind für Gegenmacht, wenn diese nicht unter klassenkämpferischen Parolen 
Panzerbauer, AKW Betreiber, Futtermitteleinmischer etc zum Kampf für ihre rein 
betrieblichen ("Teewasser")  Interessen sammelt. Wenn diese nicht, wie die 
Sozialpartner, nur radikaler,  jedwede "Arbeit für Alle" und "Leistung muss 
sich lohnen" fordert. 

Dementsprechend lassen sich unsere Optionen für künftige Gewerkschaftsarbeit 
so zusammenfassen:

7.1 Anstelle einer Politik, die dazu beiträgt, den Standort Deutschland zu 
stärken, müssen die Gewerkschaften eine, bisher im Kapitalismus wie im 
Sozialismus vermiedene, Politik des Nutzens  sinnvoller, - d.h. diskutierter 
- technologischer Neuerungen für die Erhöhung der Lebensqualität der Menschen 
entfalten: radikale Arbeitszeitverkürzung aller Art und Aufteilung der Arbeit, 
unter gesellschaftlicher Debatte von Notwendigkeit und Sinn, konkrete 
Leitbilder für eine positive Nutzung etwa des Internet: als Alternative 
zum Kommerz. Eine solche generelle Ausrichtung bildet auch eine wesentliche 
Grundlage dafür, dass Gewerkschaften, im Bündnis mit allen möglichen Kräften, 
international wirksam werden.

7.2 Anstelle einer Politik, die Gräben vertieft: nationalistische Greencard 
Stellungnahmen, Verteidigung "teutscher" Arbeitsplätze, Zustimmung zur 
weiteren Ausgrenzung von Erwerbslosen- sofern sie rot-grün organisiert ist, 
kontinuierliche Einkommensspreizung im Sinne der bürgerlichen und 
sozialistischen Leistungsideologie, Beteiligung an der Jagd auf illegale 
Migranten etc... muss eine Politik der Annäherung, der Versöhnung, der
Gemeinschaft unter jenen Menschen betrieben werden, die keine anderen für sich 
arbeiten lassen: Weg mit Sondergesetzen a la Ausländergesetz, Einbeziehung von 
Erwerbslosen in die Tarifkämpfe, Stärkung aller Ansätze von Selbstorganisation.

7.3 Anstelle einer Politik, die sich auf Lobbyistentum und Kooperation mit 
verschiedensten politischen Parteien zentriert, muß eine Politik der 
Eigenständigkeit, der Bündnisfähigkeit, der gesamtgesellschaftlichen 
Wirksamkeit entwickelt werden, die auch ein neues Selbstverständnis weg von 
der Tarifmaschine impliziert. Erst dann wird das dem Ansehen und Einfluss der 
Gewerkschaften so schädliche Auseinanderfallen von realpolitischer Tagesarbeit 
und (manches Mal gar interessanten) Sonntagsreden überwunden werden können.

7.4 Anstelle einer Politik, die die Positionen der jeweils eigenen Strömung 
für die Lösung aller Gewerkschaftsprobleme durchpeitschen will (Sozialpartner 
qua Macht die Kooperation mit der neuen/alten Mitte, Dienstleister die 
Überlebenssicherung qua "Dealing instead bargaining" a la Böckler/Bertelsmann, 
Klassenkämpfer qua Politisierung und Radikalisierung des Bestehenden) muss 
eine Ausrichtung auf Flexibilität, auf Sicherung des Potenzials für 
verschiedene Zukunftsoptionen betrieben werden.

7.5 Dementsprechend muss Flexibilität auch die Leitlinie der organisatorischen 
Umwälzungen sein: Keine Festung Gewerkschaftshaus mehr, kein 
Organisationsmodell, das auf dem Sekretär in Lebensstellung aufbaut, Schluss 
mit der realen Diffamierung gewerkschaftlichen Engagements als "Ehrenamt" (in 
der Regel: für Senioren), gewerkschaftliche Präsenz in zentralen Bereichen 
(inkl. Schulen, Hochschulen etc) , Ausstrahlungskräftige Modellprojekte unter 
Einbeziehung der Mitgliedschaft und neuer Kooperationspartner: Leuchttürme.

So würden Gewerkschaften eine soziale Bewegung zur Emanzipation der Menschen, 
die nicht an der Arbeit anderer verdienen - das wäre unsere Option. Die muss 
nicht die alleinseligmachende sein, aber bleiben die Gewerkschaften, wie sie 
sind: Todesfall.



Ad 1: Wir haben diese Version "Light" verfasst, um die
Debatte auf die Folgerungen zu konzentrieren. Wir hätten zur
Begründung durchaus noch das eine oder andere - unserer
Ansicht nach: gute - Argument, aber was vorliegt, ist die
Quintessenz.

Ad 2: Versionsnummer 1.2 heißt, daß es immer noch der
ursprüngliche Entwurf ist, der im wesentlichen redaktionell
bearbeitet wurde, ohne inhaltlich verändert zu sein. Das
bleibt einer künftigen Debatte überlassen, bzw jenen, die
vielleicht daran weiter schreiben wollen . Open Theory eben.

Ad 3: Die ursprünglichen Autoren dieses Textes sind Ulrich
Leicht und Helmut Weiss, vom Sprecherrat der IG Medien
Dortmund.

Ad 4 : Fassung 1.1 wurde fertiggestellt am 17.08.2000
Fassung 1.2 wurde fertiggestellt am 25.10.2000


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