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Re: [ox] Re: Wissenschaft et al



Hallo,

Aber wenn ich das sage, schwingt natürlich auch schon wieder ein ganz
bestimmter, zu hinterfragender Begriff von Wissenschaft mit.

Ja, wir kennen ja eigentlich nur den herrschenden Begriff von
Wissenschaft und die herrschende Praxis. Bis 1980 gabs mal gute
Diskussionen und Theorien zur Kritik der Wissenschaft, sogar zur
Gegenwissenschaft. Ab 1980 wurden entsprechende Institute gegründet
(Öko-Institute). Die griffen einige Zeit Themen auf, denen sich die
herrschende Wissenschaft verweigerte (Umwelt-, Energiebereich), und
bemühten sich auch "unterprivilegierten Gruppen Zugang zur Wissenschaft
zu verschaffen", machten Expertisen für Bürgerbewegungen etc. Um 1989
gabs dann schon massive Kritik aus den eigenen Reihen über die
"Re-Integration der wissenschaftlichen Opposition". Danach hörte sogar
die Kritik auf und alles geht seinen Gang, früher
alternativ-wissenschaftliche Zeitschriften ordnen sich in den Mainstream
rot-grüner Politikberatung ein... 
Ich schreibe so viel davon, um anzudeuten, daß das nicht nur eine Frage
ist, die ein oder zwei Leute vielleicht privat interessiert - sondern
daß diejenigen, die es interessiert, mal wieder über eine weitergehende
Perspektive nachdenken sollten. OpenTheory ist ein Ansatz - aber nicht
mehr. 

Ich würd's mal so sagen: Die Definition ist der Versuch einer
sprachlichen Fixierung eines Begriffs zum Zweck der
Intersubjektivierung.

Dann käme der Begriff zuerst, dem dann über die Definition die
sprachliche Fixierung zugewiesen wird? 


Ich habe neulich bei Werner Imhof folgende Stelle gut gefunden:

  Jede Wissenschaft hat ihren Grund in der Differenz von Erscheinung
  und Wesen ihres Gegenstands. Jede Wissenschaft geht aus von

Und während eine Definition ganz allgemein die Festlegung von
Bedeutungen zu Wortstrukturen (mal grob gesprochen) darstellt, hat die
Begriffsbildung den Anspruch, etwas vom Wesen des Begriffenen
festzuhalten... 

Und daß sich das Wesen von der Erscheinung unterscheidet und der Zugang
zum ihm eben doch auch theoretische Arbeit erfordert und nicht nur
"Bauchgefühle", ist das Komplizierte an einer "demokratischen
Wissenschaft". Das Wesen erscheint oft auf eine verdrehte Weise
(Kapitalismus scheint Marktwirtschaft zu sein - zum Wesen dringt man
erst über einige längere Denkwege vor...). Das macht dann auch
Diskussionen schwer, weil verschiedene Leute von verschiedenen Stellen
in diesem Erkenntnisprozeß aus argumentieren und jede/r das dann
zusammenbringen muß. 

  sinnlich-praktischen Erfahrungen, aus denen sie per Abstraktion
  allgemeine Aussagen über ihren inneren Zusammenhang, ihre
  Bewegungsgesetze usw. gewinnt, um mit deren Hilfe zu einem tieferen
  Verständnis der Erfahrungen zu gelangen. Die konkrete Erfahrung oder
  Praxis ist Ausgangspunkt und Ziel des Denkens.

Vor allem das Plädoyer für die Praxis fand ich wichtig.

Inzwischen hat das - auf z.T. auch verdrehte Art - auch Eingang in die
normale Wissenschaftstheorie gefunden. Was mal originär marxistisch war
- die Untersuchung der gesellschaftlichen Praxis der wissenschaftlichen
Akteure - wird als neuere Entdeckung gehandelt: Konstruktivismus (daß
wissenschaftliche Begriffe uns nicht direkt aus der Welt
engegenspringen, sondern konstruiert werden), Kulturalismus (besonders
Einfluß der handwerklichen Praxis auf den Bau von Meßgeräten, die dann
z.B. Raum- und Zeit-Vorstellungen prägen), Kuhnsche Paradigmenwechsel
(daß der soziale Kontext, die gesellschaftliche Entwicklung wesentlich
bei Entdeckungsgeschichten sind) etc., etc. 

Welche wissenschaftlichen Fragen stellt eigentlich unsere Praxis bei
Oekonux...?

Ahoi Annette


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*   Annette Schlemm			*
*   URL: http://www.thur.de/philo	*
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



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