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[ox] Freie Hardware (was: Re: Politik)



[cc: Oekonux-Liste]

Hi Kurt-Werner,

KXX4493553 aol.com schrieb:
Diese, ich nenn sie mal "Linux-Philosophie", klingt ja auf den ersten Blick
recht anschaulich: weil Software nahezu beliebig reproduzierbar und
distribuierbar ist, wird sie dadurch immer weniger wert und unterminiert
damit das kapitalistische Profit- und Verwertungsprinzip. So weit, so gut.
ABER: m. E. kann das nur bei "immateriellen" Produkten funktionieren. Das
hört schon bei der Hardware auf, d. h. beim Computer, den Du halt nun mal
brauchst, um Deine Software auch benutzen zu können. Es kann so nicht
funktionieren bei "materiellen" Produkten, die halt nun mal nur endlich
verfügbar sind, im Gegensatz zur potentiell "unendlichen" Software.

Du hebst auf die Distribution ab, klar, das ist ja auch das, was
einem zuerst ins Auge fällt. Doch genauso wenig wie der Wert in der
Distribution "entsteht", entsteht die Freie Software dort - sie wird
dort nur redupliziert. Die Entstehung, die Produktion - und zwar die
wertfreie - ist das Entscheidende bei der Freien Software. Weil die
Hürden materieller Begrenzungen und Unverrückbarkeiten wörtlichen
Sinns bei Software nicht bestehen, lagen dort die idealen
Bedingungen für die Erfindung der Keimformen einer neuen
Vergesellschaftungsweise jenseits von Geld und Co vor. Das musste
_dort_ entstehen, ist aber als Produktionsweise nicht darauf
begrenzt.

Materielle Produkte wie Stahl, Eisen, Holz, Erdöl, Erdgas etc. etc. sind nur
begrenzt vorhanden, und der "Entwertungskampf" macht vor den Toren der
endlichen Ressourcen Halt.

Nein, das ist nicht so.

Erstens findet der auch ohne unser Zutun einfach nur durch die
Wertverwertung in der Konkurrenz statt über das Mittel der Wahl:
Rationalisierung, Überflüssigmachen von abstrakter Arbeit - ohne
Aussicht auf qualitativ neue Expansion, die das kompensieren könnte.
Das sehen andere anders, ich sehe es so.

Zweitens gibt es die aktive Entwertung der informationellen Anteile
der materiellen Produkte. Es ist ja nicht so, das Software
"immateriell" und meinetwegen Computer-Hardware "materiell" ist, nur
weil man letzteres anpacken, ersteres dafür einfach kopieren kann.
Sondern jedes Produkt ist neben seiner Physis auch
vergegenständlichtes Menschheitswissen. Ich bezeichne das mal als
informationellen Anteil (von mir aus auch: Wissensanteil). Dieser
informationelle Anteil wird a) stetig relativ größer und b) droht
ihm eine sukzessive Entwertung: Durch den unter erstens
beschriebenen Prozess und durch die aktive "Freisetzung" z.B. durch
eine Freie Hardwarebewegung. Diese Freie Hardwarebewegung gibt es,
sie ist verglichen mit der Freien Softwarebewegung (noch) klein,
aber sie enthält ungeheure Sprengkraft.

Ein Beispiel (ich hoffe ich gebe es halbwegs korrekt wieder, denn
ich bin kein Hardware-Freak): FPGAs (Field Programmable Gate Arrays)
sind sozusagen "programmierbare Universalchips", die ihre
Funktionalität durch softwaregesteuerte Programmierung erst im
Einsatz bekommen. Gegenüber "festverdrahteter" Hardware wurde hier
die funktionale Logik in die Software verlegt, so dass per Software
ad hoc neue Hardware "hergestellt" werden kann. FPGAs sind gross im
Kommen. Der materielle, werthaltige Anteil am Endprodukt sinkt auf
ein Minimum. Es ist kein Wunder, das auf diesem Feld die Hersteller
der nicht-freien FPGA-Programmier-Software die "Entwertung"
verhindern wollen - weil die Hardware-Verwertung auf der
Verfügungsgewalt über die Programmier-Software läuft. Das alles ist
nochmal doppelt brisant, weil der zur Zeit größte Abnehmer von FPGAs
das Militär ist.

Über den schon geposteten Oekonux-Link lassen sich auf materielle
Produkte orientierte Projekte angucken.

Du kannst kein Haus kostenlos bauen, völlig unmöglich.

Immerhin war das jahrhundertelang, vermutlich länger als der
Kapitalismus dauert, möglich. Und das unter viel größeren Mühen als
das heute möglich wäre. Jetzt, wo die Wertform ihre eigene
Totalisierung betreibt, ist das allerdings unmöglich. Die
Perspektive kann nicht ein _kostenloses_ Haus sein, sondern nur ein
Haus, das aus einer gesellschaftlichen Vermittlung hervorgeht, die
nicht über "Kosten" und Co läuft. Das ist ein hartes Problem, und
ich habe keine Lösung dafür, wie der Übergang mit dem materiellen
Rest gehen kann. Ich vermute, es wird verschiedene Formen geben
(müssen), je nach Rolle und Bedeutung des materiellen Guts. Wenn der
informationelle Hauptteil "entwertet" wurde, dann hätte ich auch
nichts gegen ein "einfach in die eigene Hände nehmen". Dies setzt
aber - wie angedeutet - eine andere und vermutlich brisante
gesellschaftliche Lage voraus. Das ist sehr spekulativ, irgendwie
kommts mir im Moment wie der zweite vor dem ersten Schritt vor.

Die Linux-Philosophie differenziert m. E. nicht ausreichend
zwischen der Endlichkeit und Unendlichkeit der Ressourcen bzw. deren
Verfügbarkeit.

Nun ja, Linux-Philosphie ist dein Konstrukt, also kann ich nichts
darüber sagen. Die Hardware-Problematik ist allen spontan (also
weitgehend genauso unbegriffen wie die Softwareseite) sehr klar. Da
wird sehr wohl differenziert, weil die Diffenrenz einfach praktisch
besteht.

Natürlich lassen sich außer-kapitalistische Mechanismen
vorstellen, wie man zu einem Haus kommt, auch ohne es zu bezahlen, aber, wie
die Erfahrung lehrt, über "Instandbesetzung" ist noch kein Kapitalismus
überwunden worden.

Nein, sicher nicht - alle haben ihre Mietverträge, und die Wertform
ist glücklich;-)

Ciao,
Stefan

-- 
  Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
  HA II, Abteilung Datenverarbeitung
  Kanzlerstr. 8, 40472 Duesseldorf
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  stefan.meretz hbv.org
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