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Re: [ox] Wieder mal: Vergesellschaftung



Hallo auch,

Ralf, wenn ich Dich richtig verstehe meinst Du, wenn die kapitalistische
 ökonomische Form der Vergesellschaftung wegfällt, brauchen wir erstmal
 immer noch den Staat, damit nicht alles durcheinandergeht...?

1. meine ich das, 2. wird die kapitalistische Vergesellschaftung m.E. nicht 
so einfach "wegfallen", sondern eher über längeren historischen Prozess 
zurückgedrängt werden, also in bestimmten Bereichen abgeschafft werden, in 
anderen noch existieren., 3. auch außerhalb der kapitalistischen Ökonomie 
vielleicht  Warenproduktion und -austausch noch sinnvoll sein.

 Marx oder Engels sprachen dann vom Übergang zur "Verwaltung von Sachen"
 statt Herrschaft über Menschen oder so ähnlich. 
 
Da gibt es viele und sich z.T. auch widersprechende Zitate. M.E wird mit dem 
Wegfall der Funktion der Sicherung von Klassenherrschaft die Gewährleistung 
gesellschaftlicher Regelungen nicht überflüssig, von der 
Strassenverkerhsordnung bis zum Schutz vor Verbrechen.

 Ich glaube aber auch aus theoretischen Gründen (Umgang mit
 Komplexität...) nicht daran, daß es Sinn macht, daß was sich die
 Menschen dann zu ihrer Selbstorganisierung entwickeln, noch Staat zu
 nennen. 

Ich denke, die Kontroverse geht schon um die Sache, nicht das Wort.

Den sozialistischen Versuch der nicht-ökonomischen, oft genug
 voluntaristischen Steuerung hatten wir ja. Und den sozialistischen als
 "demokratischen Rechtsstaat" kann ich mir auch nicht vorstellen, weil
 letzterer nun mal unmittelbar mit kapitalistischen
 Organisationsprinzipien der Gesellschaft zu tun hat. Vielleicht sollte
 man inhaltlich genauer sagen, was man erhalten/behalten will, vielleicht
 so was wie 
 - Gewaltenteilung, 

Wird sich zeigen müssen, wie das besser zu organisieren ist. Zumindest 
"unabhängige" (ich weiß, dass das sehr relativ ist) und nur den Gesetzen 
verpflichtete Justiz scheint mir sinnvoll.

 - Gewaltmonopol,

Mit der Maßgabe, dass es möglichst selten in Aktion treten soll, also auch 
der Staat in wesentlich stärkerem Maße als heute auf Gewaltverzicht 
verpflichtet ist, ja.

 - Allokationsfunktion,
 - Verwaltung von Sachen (welchen?),
 - ... o.ä. 

Müßte man im Einzeln diskutieren, soweit das Sinn macht über Verhältnisse zu 
diskutieren, die noch nicht da sind.

 So konkret kann man dann auch genauer bestimmen, ob wir da mit unseren
 neuen Ideen (u.a. aus Freier Software oder dem Konzept Freier
 Kooperationen von Christoph Spehr) genauer sagen können, wie und ob
 diese konkreten Anliegen dann anders organisiert sein können.

Bisher finde die dazu vorgetragenen Ideen alle unzureichend.
 
 > Wie schon zu Stefan gesagt: Sollten sich irgendwann in
 > ferner Zukunft die Menschen in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen so
 > entwickeln, dass ein Staat nicht mehr nötig ist, werden sie das dann 
sicher
 > merken und die Staatstätigkeit wird absterben.
 
 Wer legt fest, welche Menschen das definieren können? Ich merke die
 Unnötigkeit des Staates heute schon und nicht erst "in ferner Zukunft". 

Wenn die Verhältnisse so sind, sollte sich das schon den allermeisten 
aufdrängen. Im Zweifel die Mehrheit. Gegenwärtig ist das sicherlich 
keineswegs so. Ich merke das z.B. keineswegs.

 Ich hatte mal nachgelesen, an welcher Stelle Marx die "Diktatur des
 Proletariats" und den Sozialismus als Übergangsphase in seine Theorie
 einfügte (nach der Kommune, vor allem in Kritik des Gothaer Programms).
 Es ist für mich dort einfach nicht genügend argumentativ begründet, es
 wurde einfach additiv hinzugefügt. Aber irgendwie hat sich das
 entsprechende Denkmuster in unseren Köpfen festgefressen, daß man es
 sich kaum noch zu hinterfragen traut... 
 (ich meine nicht, daß Du für einen Staat der Diktatur des Proletatiats
 votierst; ich meine die Denkstruktur, daß es nicht gleich vom
 Kapitalismus in den Kommunismus - ohne Staat - hineingehen kann, sondern
 daß es erst noch eine "Übergangsstruktur" - mit Staat - geben müsse).
 Ich denke, die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich - seit Marx,
 wenn er für damals Recht hatte - dermaßen geändert, daß vieles ganz
 anders aussieht als in seiner damaligen historisch-materialistischen
 Analyse (die ich mal doch bei ihm voraussetze, auch wenn die
 Argumentation in seinen Schriften diesbezüglich eher dürr ist). 

Unrealistischer als Vorstellungen einer sozialistischen Übergangsphase 
erscheinen mir letztlich idealistische Vorstellungen über ein kommnistisches 
Endziel, das nicht mehr von Widersprüchen und Konflikten geprägt ist. 
  
 Der junge Marx reicht für die Analyse der "Vergesellschaftung", wenn man
 die individuelle Subjektivität ernst nimmt, tatsächlich nicht aus. Dazu
 hat ein gewisser K. Holzkamp (sicher von uns schon öfter erwähnt) eine
 "marxistisch fundierte Subjektwissenschaft" erarbeitet, die die
 gesellschaftstheoretischen (auch die fachpsychologischen) Marxisten nur
 leider fast nie zur Kenntnis nehmen. 

Ich hab die "Grundlegung der Psychologie" hier stehn, wenn auch nur zum 
kleineren Teil gelsen. Ob Holzkamp dafür ausreicht, ist aber auch fraglich, 
ebenso wie ob er so zu verstehen ist, dass man von ihm notwendig zu diesen 
m.E. idealistischen Folgerungen bzgl. künftiger nichtkapitalistischer 
Vergesellschaftung kommen muss. Mehr als von Holzkamp habe ich zur 
marxistisch fundierten Psychologie von Wolfgang Jantzen gelesen, das und auch 
dessen Kritik an Holzkamp mir auch einleuchtend erschien (aber warum es da 
offenbar relativ scharfe Auseinandersetzungen gab, v.a. wohl gegen Jantzens 
Position, wo es doch ganz andere gemeinsame Gegner gibt, habe ich nicht 
begriffen. kann mir rein Infohalber ja vielleicht mal Stefan Meretz oder wer 
sich sonst auskennt einige Sätze zu mailen, ist wohl off topic hier).

Freundliche Grüße

Ralf Krämer
Fresienstr. 26
44289 Dortmund
Tel. 0231-3953843
Fax 0231-3953844

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