Re: [ox] Wieder mal: Vergesellschaftung
- From: RalfKrae aol.com
- Date: Fri, 9 Feb 2001 02:53:09 EST
Hallo auch,
Ralf, wenn ich Dich richtig verstehe meinst Du, wenn die kapitalistische
ökonomische Form der Vergesellschaftung wegfällt, brauchen wir erstmal
immer noch den Staat, damit nicht alles durcheinandergeht...?
1. meine ich das, 2. wird die kapitalistische Vergesellschaftung m.E. nicht
so einfach "wegfallen", sondern eher über längeren historischen Prozess
zurückgedrängt werden, also in bestimmten Bereichen abgeschafft werden, in
anderen noch existieren., 3. auch außerhalb der kapitalistischen Ökonomie
vielleicht Warenproduktion und -austausch noch sinnvoll sein.
Marx oder Engels sprachen dann vom Übergang zur "Verwaltung von Sachen"
statt Herrschaft über Menschen oder so ähnlich.
Da gibt es viele und sich z.T. auch widersprechende Zitate. M.E wird mit dem
Wegfall der Funktion der Sicherung von Klassenherrschaft die Gewährleistung
gesellschaftlicher Regelungen nicht überflüssig, von der
Strassenverkerhsordnung bis zum Schutz vor Verbrechen.
Ich glaube aber auch aus theoretischen Gründen (Umgang mit
Komplexität...) nicht daran, daß es Sinn macht, daß was sich die
Menschen dann zu ihrer Selbstorganisierung entwickeln, noch Staat zu
nennen.
Ich denke, die Kontroverse geht schon um die Sache, nicht das Wort.
Den sozialistischen Versuch der nicht-ökonomischen, oft genug
voluntaristischen Steuerung hatten wir ja. Und den sozialistischen als
"demokratischen Rechtsstaat" kann ich mir auch nicht vorstellen, weil
letzterer nun mal unmittelbar mit kapitalistischen
Organisationsprinzipien der Gesellschaft zu tun hat. Vielleicht sollte
man inhaltlich genauer sagen, was man erhalten/behalten will, vielleicht
so was wie
- Gewaltenteilung,
Wird sich zeigen müssen, wie das besser zu organisieren ist. Zumindest
"unabhängige" (ich weiß, dass das sehr relativ ist) und nur den Gesetzen
verpflichtete Justiz scheint mir sinnvoll.
- Gewaltmonopol,
Mit der Maßgabe, dass es möglichst selten in Aktion treten soll, also auch
der Staat in wesentlich stärkerem Maße als heute auf Gewaltverzicht
verpflichtet ist, ja.
- Allokationsfunktion,
- Verwaltung von Sachen (welchen?),
- ... o.ä.
Müßte man im Einzeln diskutieren, soweit das Sinn macht über Verhältnisse zu
diskutieren, die noch nicht da sind.
So konkret kann man dann auch genauer bestimmen, ob wir da mit unseren
neuen Ideen (u.a. aus Freier Software oder dem Konzept Freier
Kooperationen von Christoph Spehr) genauer sagen können, wie und ob
diese konkreten Anliegen dann anders organisiert sein können.
Bisher finde die dazu vorgetragenen Ideen alle unzureichend.
> Wie schon zu Stefan gesagt: Sollten sich irgendwann in
> ferner Zukunft die Menschen in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen so
> entwickeln, dass ein Staat nicht mehr nötig ist, werden sie das dann
sicher
> merken und die Staatstätigkeit wird absterben.
Wer legt fest, welche Menschen das definieren können? Ich merke die
Unnötigkeit des Staates heute schon und nicht erst "in ferner Zukunft".
Wenn die Verhältnisse so sind, sollte sich das schon den allermeisten
aufdrängen. Im Zweifel die Mehrheit. Gegenwärtig ist das sicherlich
keineswegs so. Ich merke das z.B. keineswegs.
Ich hatte mal nachgelesen, an welcher Stelle Marx die "Diktatur des
Proletariats" und den Sozialismus als Übergangsphase in seine Theorie
einfügte (nach der Kommune, vor allem in Kritik des Gothaer Programms).
Es ist für mich dort einfach nicht genügend argumentativ begründet, es
wurde einfach additiv hinzugefügt. Aber irgendwie hat sich das
entsprechende Denkmuster in unseren Köpfen festgefressen, daß man es
sich kaum noch zu hinterfragen traut...
(ich meine nicht, daß Du für einen Staat der Diktatur des Proletatiats
votierst; ich meine die Denkstruktur, daß es nicht gleich vom
Kapitalismus in den Kommunismus - ohne Staat - hineingehen kann, sondern
daß es erst noch eine "Übergangsstruktur" - mit Staat - geben müsse).
Ich denke, die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich - seit Marx,
wenn er für damals Recht hatte - dermaßen geändert, daß vieles ganz
anders aussieht als in seiner damaligen historisch-materialistischen
Analyse (die ich mal doch bei ihm voraussetze, auch wenn die
Argumentation in seinen Schriften diesbezüglich eher dürr ist).
Unrealistischer als Vorstellungen einer sozialistischen Übergangsphase
erscheinen mir letztlich idealistische Vorstellungen über ein kommnistisches
Endziel, das nicht mehr von Widersprüchen und Konflikten geprägt ist.
Der junge Marx reicht für die Analyse der "Vergesellschaftung", wenn man
die individuelle Subjektivität ernst nimmt, tatsächlich nicht aus. Dazu
hat ein gewisser K. Holzkamp (sicher von uns schon öfter erwähnt) eine
"marxistisch fundierte Subjektwissenschaft" erarbeitet, die die
gesellschaftstheoretischen (auch die fachpsychologischen) Marxisten nur
leider fast nie zur Kenntnis nehmen.
Ich hab die "Grundlegung der Psychologie" hier stehn, wenn auch nur zum
kleineren Teil gelsen. Ob Holzkamp dafür ausreicht, ist aber auch fraglich,
ebenso wie ob er so zu verstehen ist, dass man von ihm notwendig zu diesen
m.E. idealistischen Folgerungen bzgl. künftiger nichtkapitalistischer
Vergesellschaftung kommen muss. Mehr als von Holzkamp habe ich zur
marxistisch fundierten Psychologie von Wolfgang Jantzen gelesen, das und auch
dessen Kritik an Holzkamp mir auch einleuchtend erschien (aber warum es da
offenbar relativ scharfe Auseinandersetzungen gab, v.a. wohl gegen Jantzens
Position, wo es doch ganz andere gemeinsame Gegner gibt, habe ich nicht
begriffen. kann mir rein Infohalber ja vielleicht mal Stefan Meretz oder wer
sich sonst auskennt einige Sätze zu mailen, ist wohl off topic hier).
Freundliche Grüße
Ralf Krämer
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