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[ox] Grundsicherung: Anstatt einer Zusammenfassung



Hallo Oekonuxen,

die Diskussion ist ja ziemlich ausgeufert. Ich hatte ursprünglich
vor eine Zusammenfassung zu machen. Statt dessen versuche ich erst
nochmal darzulegen warum ich das Thema hier für wichtig halte und
wie ich dazu stehe. Dann finden vielleicht auch Neulinge einen
Einstieg in die Diskussion. Vielleicht kann ja jeder der anderen
Beteiligten etwas ähnliches versuchen. Dann hätten wir einfach in
der Summe dieser Texte eine Zusammenfassung. Ansonsten hilft es
vielleicht auch die ausgefranste Diskussion wieder zu bündeln.

Grundsicherung und Oekonux
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Warum das Thema { Grundsicherung, Existenzgeld, Buergergeld,
Grundeinkommen, Negativsteuer } im Oekonux-Kontext behandelt werden
sollte?

Diese beiden scheinbar so entfernten Themen haben für mich zwei
entscheidende Berührungspunkte:

1. Freie Produktion ist Grundsicherung

Freie Software hatte für mich immer auch den Aspekt, dass es meine
Softwarekosten reduziert, bzw. meine Abhängigkeit von Raubkopieen
abgeschafft hat. Momentan kann man sich zwar mit Raubkopien sehr gut
softwaremäßig grundversorgen aber ich fürchte das Regime wird da in
Zukunft wieder deutlich anziehen. Das das zur Zeit nicht passiert
liegt wohl unter anderem auch an der Existenz einer Freien
Alternative. MS und Konsorten wissen, dass sie den Privatanwendern
niemals die viele tausend Mark aus dem Ärmel ziehen können, die
theoretisch die Softwareausstattung eines durchschnittlichen PCs
eigentlich kosten müsste. Zumindestens solange es Alternativen gibt.
Sie wissen aber auch, dass sie auf die weite Verbreitung ihrer
Produkte im privaten Sektor genau so angewiesen sind, wie bei den
Firmen. Deshalb wird dort Raubkopieren zur Zeit noch geduldet.

Die ursprüngliche Stoßrichtung des GNU-Projektes war auch vor allem
eine Grundversorgung mit Software. Also die Teile zur Verfügung zu
stellen ohne die ein Computer nicht betreibbar ist, also
Betriebssysteme, Compiler, Editoren, etc... Erst in neuerer Zeit
kommen auch Anwendungsprogramme im engeren Sinn (z.B. Gimp) in den
Vordergrund. Die Idee Freier Software ist also u.a. geboren aus dem
Gedanken der Grundsicherung.

Sicherlich kann man diesen Punkt auch auf Nicht-Software-Produktion
ausdehnen. Wenn ich Franz richtig verstanden habe ist das wohl vor
allem sein Projekt einer global-lokalen Grundsicherung.

2. Grundsicherung ermöglicht Freie Produktion

Die meisten Leute müssen heutzutage ihre Arbeitskraft verkaufen um
leben zu können. Das gilt auch für Programmierer Freier Software
oder Komponisten Freier Musik oder andere Freie Produzenten. Eine
Grundsicherung würde es diesen Leuten erlauben sich auf ihre
Projekte zu konzentrieren. 

Stallman forderte einmal im GNU-Manifest eine "Software-Steuer", mit
deren Hilfe die Entwicklung Freier Software gefördert werden sollte.
Wenn Oekonux die Vorstellungen des GNU-Manifestes auf die
Gesamtgesellschaft ausweiten will (oder noch mehr), dann ist eine
Grundsicherung die einfachste Lösung die nicht auf den
Softwarebereich beschränkt bleibt.

Welche Grundsicherung?
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In der Diskussion sind viele verschiedene Grundsicherungsformen. Es
würde wohl etwas zu weit führen sie alle aufzuführen. Für die
Industriestaaten empfiehlt sich mir folgendes Modell:

- Ein Mensch ein Einkommen. Jede und Jeder hat unabhängig von Alter,
Nationalität und Familienstand ein eigenes Einkommen über das er
oder sie verfügen kann.

- Unabhängig von "Bedürftigkeit". Egal ob jemand arbeitet oder
nicht, er erhält ein Grundeinkommen. Selbst der Millionär.

- Ausreichende Höhe um nicht nur sein Dasein fristen zu können
sondern eben auch engagiert eigene Projekte betreiben zu können.
1500 DM plus Miete werden oft genannt.

In anderen Ländern müssen andere Grundsicherungssysteme gefunden
werden, z.B. Landreformen, die aber nach dem selben Prinzip
aufgebaut sein können.

Wie man sieht geht es also schon um etwas anderes als nur eine
abgewandelte Sozialhilfe (Was von einigen auch immer wieder
vorgebracht wurde).

Einwände
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Sicher, es gab einige Einwände - sonst wäre der Thread ja auch wohl
kaum so ausgeufert. Davon viele zu Fragen der Durchsetzbarkeit
(s.u.). Ein mehr prinzipieller Einwand ließe sich vielleicht so
formulieren:

"Grundsicherung ändert nichts am Regime des Werts"

Der Einwand zielt darauf, dass das Grundübel unserer Gesellschaft
die Verwertungsmaschienerie ist und diese durch die Grundsicherung
nicht angekratzt würde. Eine solche Forderung also nichts ändern
würde. Dieser Einwand wurde insbesondere mit einem Krisis-Zitat aus
dem "Manifest gegen die Arbeit" vorgebracht.

Sicherlich ändert eine Grundsicherung nicht per se die Regeln der
Verwertung, wenn sie aber für freie Produktion eingesetzt wird, kann
sie das sehr wohl auf lange Sicht tun, da Geld aus dem Kreislauf
abgeschöpft und umgeleitet wird. 

Grundsicherung ist also nicht ein Ersatz für die Entwicklung einer
anderen Gesellschaft, sie kann nur den Übergang erleichtern.

Außer acht gelassen bei dieser Position werden aber vor allem auch
alle nicht-ökonomischen Vorteile einer Grundsicherung. Diese sind
vor allem:

- Unabhängigkeit. Z.b. von Frauen von ihren Männern, Kindern und
Studierenden von ihren Eltern...

- Ankratzen des Arbeitsmythos.

- Abbau von Stigmatisierung.

- Abbau von Bürokratie.

Alles das ändert nichts am ökonomischen System aber dennoch ist es
ein Moment von Befreiung. Man kann also diesen Wert-Einwand nur dann
teilen, wenn man eine ökonomistisch verkürzte Vorstellung von
Herrschaft hat.

Eine Spielart des Verwertungsarguments zielt insbesondere auf die
globalen Zusammenhänge. Nur durch privilegierte Position in der
globalen Konkurenz sei ein solches Sozialsystem finanzierbar, beruhe
also letztlich auf der Ausbeutung des Südens. Das mag zwar sein, nur
gilt das für den jetzigen Zustand genauso. Und ein
Grundsicherungssystem dass im Süden an die Umstände angepasst ist
könnte auch dort sehr hilfreich sein.

Durchsetzbarkeit
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Es wurde auch vielfach bemängelt, dass das ja eh nicht durchsetzbar
sei. Dazu auch ein paar Anmerkungen:

- Erst einmal würde ich mal die Frage aufwerfen, ob das denn so
entscheidend ist. Schon allein eine Diskussion anzuzetteln kann
manchmal sehr wertvoll sein. Wenn man einen Schritt weg vom
Arbeitswahn schafft ist das doch schon ein Riesenerfolg und das kann
vielleicht bereits eine Diskussion um Grundeinkommen leisten. 

- Außerdem denke ich, dass es eine Grundsicherung wahrscheinlich
sowieso bald geben wird und es eher um die Frage des "wie" geht.
Dabei ist sicherlich die Höhe ein schwierig umzusetzender Punkt aber
auch andere Aspekte haben ihren eigenen Wert.

- "Irgend jemand muss ja das Geld verdienen, dass dann umverteilt
wird", heisst es (insbesondere immer wieder von Hans-Gert). Dies
behindere die politische Durchsetzbarkeit einer Grundsicherung. Ich
meine: Die Normarbeitsplatzinhaber sind durchaus in vielem
Privilegierte und deren "Rechte" auf ihr "sauer verdientes Geld" zu
verteidigen zumindestens problematisch.

Grüße, Benni

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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