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Re: [ox] Re: Reproduktion, Arbeit, Leistungsprinzip?



Hi Petra und alle!

Gut gekontert. Mal sehen...

Today RAUNHAAR wrote:
In einer eMail vom 09.02.2001 22:18:23 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit schreibt
smerten oekonux.de:
<< Über andere Zwangssystem nachzudenken,
       finde ich aber legitim. Ich hatte u.a. mit Dominanzideologie
       argumentiert. >>

sowohl Dominanz als auch Ideologie lasse ich nicht gelten. Der Kern des
Problems ist aus meiner Sicht vielmehr die Bewußtheit und das Bewußtsein, daß
a) bestimmte Tätigkeitkeiten ausgeführt werden müssen oder - genauso wichtig
-ausgeführt werden wollen,

Da finde ich die Formulierung schon verräterisch: Tätigkeiten müssen
*von sich aus* nicht ausgeführt werden. Mit dieser Formulierung
verschwindet das Subjekt, das der Meinung ist, daß eine Tätigkeit
ausgeführt werden muß. Das finde ich aber nicht vernachlässigbar -
hier setzt m.E. genau ein politischer Prozeß ein. Daß du lediglich die
Bewußtheit darüber wünschst, verdoppelt das Problem eher noch.

Vielleicht kommen wir ja hier auch zum Kern des Unwohlseins, den wohl
viele bei dem Spagat spüren, den wir in diesem Thread versuchen. Wir
sehen hier und heute wie Ralf, daß bestimmte Tätigkeiten, die wir
heute für gesellschaftlich notwendig halten, in ihrer heutigen Gestalt
wohl kaum so ohne weiteres in Selbstentfaltung erledigt werden können.
Also brauchen wir entweder Zwangsbedingungen oder eine
Bewußtseinsstruktur, die uns quasi das Gewünschte liefert. Und unter
einer Bewußtseinsstruktur können wir uns heute eben nur etwas
moralinsaures vorstellen, was wir alle vermutlich auch nicht gerade
als großen Freiheitsgewinn betrachten.

Nun argumentieren ich und andere einerseits daran herum, daß das, was
wir für gesellschaftlich notwendig halten ja auch nur historisch
bedingt und somit veränderbar ist, und andererseits, daß unsere
Phantasie nur noch nicht ausreicht, was alles mit veränderten Mitteln
zur Selbstentfaltung werden könnte.

Wesentlich ziehe ich mich aber damit aus der Affäre, daß ich sage, daß
wir eine neue Dominanzideologie - oder meinetwegen Kultur wenn's nicht
so hart klingen soll - haben werden, die es den Menschen leichter
macht, die "richtige" Bewußtseinsstruktur zu haben. Ich denke, daß ich
mich damit historisch auf relativ gut gesichertem Gebiet befinde. Ich
denke, daß das jede Gesellschaft haben muß, die sich reproduzieren
können soll. Das hat für die Individuen auch eine entlastende
Funktion, da sie eben *nicht* permanent mit dem ja auch anstrengenden
Bewußtsein im Kopf rumlaufen müssen. Deswegen finde ich das nicht
gleich zu verteufeln.

Nun, vielleicht ist das aber einfach noch die falsche Denke?
Eigentlich würde ich ja ganz basal argumentieren, daß die Reproduktion
der Gesellschaft im *Interesse*, besser noch im
Selbstentfaltungsinteresse jedes konkreten Individuums liegen müßte,
so daß du sowohl auf Zwang als auch auf Dominanzideologie verzichten
kannst. Dann wäre das automatische Subjekt gerade dieses
Selbstentfaltungsinteresse.

Nun kommen wir alle halt auch aus Gesellschaften, in denen das
individuelle Interesse eben oft genug ganz bewußt gegen das
Reproduktionsinteresse der Gesamtgesellschaft steht. Um das zu deckeln
haben wir ja gerade den (bürgerlichen) Staat. Vielleicht können wir
uns einfach nicht vorstellen, wie eine Freie Gesellschaft aussieht und
wie die Menschen darin sich fühlen. Finde ich eigentlich am
richtigsten.

b) der Einzelne die/seine/ihre "Not meistens nicht allein wenden" kann,
sollte oder muß,

Das Argument hat aber nur eine Kooperation zur Folge. Die Drecksarbeit
wird dadurch ja noch nicht gemacht. Oder verstehe ich das nicht?

c) dieses Tun (oder Unterlassen) damit bedeutsam und bedeutungsvoll im Sinne
menschlicher Gesellschaftlichkeit ist, was ansich schon bei einem
gesellschaftlichen Wesen "Anreiz" (euer Denglisch um jeden Preis geht mir
übrigens auf den Geist) genug ist.

Kannst du das noch argumentativ unterfüttern? Wäre ja nett, wenn wir
das einfach behaupten können. Du meinst, daß diese Bedeutsamkeit
gerade das Selbstentfaltungsinteresse nach gesellschaftlicher
Reproduktion wäre, von dem ich oben fabuliert habe?


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Organisation: projekt oekonux.de


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