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Re: [ox] Server und Servants



Hallo!

Ich stimme Bennis Kommentaren zu dem Ingo-Schmidt-Artikel im 
wesentlichen zu:

Auch die These, »freie« Software wie z.B. das Betriebssystem Linux
sei die Alternative zu privatwirtschaftlich angebotenen
Computer-Programmen, um Zivilgesellschaft oder gar Sozialismus zu
entwickeln (Meretz 2000), ist in diesem Zusammenhang kritisch zu
sehen. Übersehen wird dabei nämlich, dass freie Software keineswegs
eine kostenfreie Computernutzung erlaubt.

Hat das denn jemand behauptet? Irgendwie unsauber etwas zu
widerlegen, was garnicht behauptet wurde, oder?

Genau.  Die Diskussion darüber, welches gesellschaftsverändernde, 
wertkritische oder was auch immer Potenzial Freie Software denn nun hat 
oder auch nicht, wird sehr schnell albern, wenn man als Argument gegen 
die Produktion nicht-warenförmiger Software anführt, dass (andere) 
Waren immer noch welche sind und ergo Geld kosten.  Wobei ja Freie 
Software _auch_ darauf zielt, die Abhängigkeit von spezifischer 
Hardware zu verringern (i. Ggs. zu z.B. Wintel) und damit diese 
billiger zu machen.

Hierfür
sind neben dem Zugang zu entsprechender Hardware insbesondere
Qualifikationen im Iuk-Bereich notwendig. Die Kostendegression der
Hardwareproduktion und -bereitstellung mag nun zwar die Möglichkeit
schaffen, diesen Gütern eine ähnlich weite Verbreitung zu
ermöglichen, wie sie andere Massenkonsumgüter - zumindest in den
kapitalistischen Metropolen - auch aufweisen. Eine gleichmäßige
Verteilung von IuK-Qualifikationen müsste unter kapitalistischen
Produktionsverhältnissen aber politisch durchgesetzt werden, da sie
der hierarchischen Arbeitsteilung widerspricht, die auch im
Computersektor zur Herausbildung eines gering qualifizierten
High-Tech-Proletariats tendiert.

Der Text trifft da durchaus einen Punkt. Nur sollte man folgendes
Bedenken:

- Auch proprietäre Software benötigt Qualifikationen um sie
einsetzen zu können.

Und vor allem: sie liefert kaum welche zurück - soll heißen: durch 
Benutzung von (z.B.) M$-Programmen lernt man wenig über eben die 
Benutzung genau dieser Programme hinaus, und das liegt nicht allein an 
der Fiesheit von M$, sondern ist eine strukturelle Eigenheit von 
proprietärer Software, deren Hersteller kein Interesse daran haben 
können, Qualifikationen zu vermitteln, die auch auf die 
Konkurrenzprodukte anwendbar sind.  Also: Verkäufer von proprietärer 
Software versuchen (durch Werbung und, was viel wichtiger ist, durch 
das Design der Software selbst), _den_Eindruck_zu_erwecken_, die 
Programme erforderten keine Qualifikation, mit der Folge, dass die User 
nicht motiviert sind, sich technisch allgemein schlau zu machen, was 
sie wiederum an ihre einmal erlernte »Standard«-Software bindet.

- Diese Qualifikationen könnte man auch als Teil einer
"Massenintellektualität" verstehen, wie sie bei den italienischen
Postoperaisten (Negri und so) immer wieder gerne angeführt wird. Es
handelt sich also durchaus um ein zweischneidiges Schwert von
Ausgrenzung und Chance.

Naja, _diese_ eben nur sehr bedingt, die durch das 
Sich-mit-Linux-beschäftigen erlangten schon eher.  Auch GNU/Linux 
bietet natürlich die Möglichkeit, auf völlig warenförmige Weise damit 
umzugehen, aber es regt nicht sonderlich dazu an, weil ein anderer, 
aneignender und zumindest potenziell emanzipatorischer Bezug viel näher 
liegt.
-- 
Gruß,	Anders

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